Teufelsgeschichte
Die Geschichte dieser merkwürdigen Gstalt nachzuzeichnen, die sich im christlichen Europa unter der Bezeichnung „Teufel“ ausgebreitet hat, würde ganze Bibliotheken füllen. Sie umfaßt (mindestens!) die gesamte Religions- und Dämonologiegeschichte von Westeuropa bis Indien und von Nordeuropa bis zum Persichen Golf.
Hier daher nur ein paar Ergänzungen, zu dem, was Nike bereits zusammengetragen hat. Wer Lust hat und neugierig ist, kann sich ja mal nach unten durchwühlen
Das Wort Teufel hat seinen Ursprung im griech. diabolos (= Verwirrer, genauer: Durcheinanderwerfer, dann aber auch: Zerstörer), der ursprünglich mit dem moralischen Begriff „böse“ nichts zu tun hat. Gotisch wurde das zu diabulus, dann mittelhochdeutsch zu tiufal , bei Notker heißt es tievel.
Die Eigenschaften und die Gestalt dieses Wesens ist eine Bibliothek für sich: Es ist nämlich ein Stier (der "Pferde"fuß ist ein Paarhuferfuß, außerdem hat er noch Rinderschwanz und Hörner…). Das legt die Spur in die ganz alte Vergangenheit Westeuropas, wo (Höhlenkulte) teilweise der Stier für kosmologische Signaturen herhielt (z.B. Hörner = Mondphasen usw.). Der Schwefeldampf führt zu dem Namen (mit nicht ganz geklärter Herkunft) Mephisto bzw. Mephistopheles, in dem sich wahrscheinlich die italische Göttin Mephitis/Mefitis verbirgt, die etwas mit üblen und giftigen Dämpfen zu tun hat (wahrscheinlich eine vulkanische Gottheit aus der Gegend um Neapel, wo es noch heute viele Schwefelquellen gibt). Hiermit könnte wiederum mhd. „muf“ (Muff = Schimmel, fauliger Geruch) verwandt sein.
Seine Bezeichnung als Luzifer hat Nike schon beschrieben:
Es gab eine römische (genauer: italische) Gottheit, die dort Luciferus (= Lichtbringer) hieß und mit dem keltischen Lug und dem nordgermanischen Loki (von dem St. Lucia eine christliche Übernahme ist) eine uralte (indogermanische) Verwandschaft hat. Dieser Luciferus ist in der röm. Mythologie der Morgenstern , der wiederum ein Sohn der Aurora (= Morgenröte) ist (siehe im Archiv unter Stichwort „Eos“).
Wie es nun zu der Assoziation mit Luzifer kommt, ferner mit dem griech. Diabolos als dem Zerstörer (ein kapitel für sich, das in die griechische Dämonologie führt), ferner mit dem moralisch „Bösen“ und nicht zuletzt, wo er seine Flügel her hat, das führt dann schon gleich in die orientalische Welt zurück: in die persische Mythologie (besonders in die ursprüngliche Lehre des Zarathustra), ferner in die jüdische, ägyptische, babylonische, syrische und sumerische Dämonologie.
Die Geschichte, incl. der vielen Fragezeichen, ist aber lang und enorm kompliziert, und deshalb hier nur stichwortartig:
Es gab in der jüdischen Dämonologie neben einer Unmenge von Gestalten, die allesamt aus babyonischen (und diese wiederum aus sumerischen) Quellen stammen, folgende Figuren:
1a. einen Satan , der (wie der Name sagt) ein Wiedersacher bzw. ein Ankläger ist. Der Ausdruck „satan“ wird im sog. Alten Testament aber nur an 3 Stellen, in Zachariah 3, in Job 1 und 2, und in 1 Chroniken 21 für eine übermenschliche Gestalt, also im Sinne eines Eigennamens verwendet. Sonst nur im Sinne „Gegenspieler, Ankläger“. „Der“ Satan, der stellenweise auch Satanail heißt, ist a. teils eine einzelne Gestalt, b. teils die Bezeichnung für eine Klasse von Dämonen, c. teils deren Anführer.
1b. dieser Satan wird dann anders auch als „Verführer“, „Versucher“ dargestellt - insbesondere später im N.T. wo er zum Wiederstand gegen die Gebote Gottes verführt.
Ob Satan als „Engel“ bezeichnet werden kann ist unklar, weil die jüdischen bzw. semitischen (also arabischen, babylonischen, phönizischen, aramäischen…) Begriffe ganz andere Bedeutung haben als das griech. aggelos , das ja „Bote“ heißt. Insbesondere haben eigentlich weder die griech. aggeloi noch der hebräische Satan Flügel!!!
2. einen Sammael , der insbesondere als der höchstrangige „Engel“ bezeichnet wird, höher als die Seraphim, er ist feurig und hat - im Unterschied zu den 6-flügeligen Seraphen - 12 Flügel.
3a. + 3b. einen Sohn der Morgenröte (was allein zu der späteren Identifizierung mit Luzifer führt, siehe oben), insbesondere in Iesaia 14.12, wo dieser zugleich beschrieben wird (wie auch an vielen anderen Stellen), daß er in die Unterwelt gestürzt wird. Dieselbe Erzählung in Ezekiel 28, 14ff, wie es ja schon von Nike zitiert wurde. Aber in beiden Stellen wird sein Name nicht genannt , abgesehen davon, daß die Bezeichnung „Cherub“ in Ez. auf diese Gestalt nicht zutrifft.
4. gibt es eine ganze Reihe von Dämonen-Arten, die dem Menschen teils Übel wollen, teils Gutes tun, die ebenfalls aus der babylonischen Dämonologie übernommen wurden (Utukku, Alu, Ekimmu, Gallu, Ilu-Limnu (= böser Gott), Rabisu - und ferner noch insbesondere einen bösen und zum Bösesein animierenden Belial/Beliar und einen Beelzebub und einen Beelzebul , die nicht identisch sein können, weil sie unterschiedliche Ethymologien haben. Ba’al-zavuv ist nämlich ein lokaler kanaanäischer Hochgott - von den Israeliten, vielleicht in der Moses-Aaron-Periode, negativ definiert zum Zweck ethnisch-kultureller Abgrenzung.
Ais diesen an sich schon komplizierten - aber völlig verschiedenen !! - Elementen macht nun die Geschichte nach und nach zwischen dem babylonischen Exil, der rabbinischen Literatur, den Büchern 1. + 2. Enoch (1. Jhdt. n. Chr.), den neutestamentl. Schriften und dann noch der Gnosis und weiterer Bewegungen ganz allmählich das, was den europäischen „Teufel“ ausmacht:
Sammael (höchstes, dann gestürztes Feuer-Flügel-Wesen) wird mit Satan , dem Gegenspieler, Ankläger, Wiedersacher und dann mit Satan , dem Zum-Bösen-Verführer identifiziert. Dies wird mit Beliar u.a. schadenzufügenden und bösewollenden Dämonen, mit Baal-zavuv , einem Hochgott der Nachbarn, gemischt und ferner noch mit dem zarathustrischen Angra Maniav (= Ahriman , böser, schadender Geist, Gegensatz zu spenta maniav = heiliger Geist!! die historische Quelle des spiritus sanctus!!), dann mit dem " Sohn der Morgenröte" und naheliegend daher mit dem Luzifer (einem Lichtgott!!) - die Flügel verändert zu Vampir-Flügeln durch Kontamination mit ägyptischen Vampir-Mythologien , und dann im N.T. die Identifizierung mit griechischen Dämonen, speziell mit dem Diabolos , dem Zerstörer - und dann das ganze ab nach Westeuropa, wo seit einigen zig-tausend Jahren ein kosmologischer Stierkult wartet, wobei noch schnell eine italische Vulkangöttin Mephitis mitkomponiert wird.
Und dies ist nur ein Teil der Geschichte!
Und dieses Sammelsurium , von dem der Papst in den 90ern eine Existenzbehauptung und eine Glaubensverpflichtung zusammendichtet - ohne das geringste Verständnis geschichtlicher Prozesse - das machen (in dieser Hinsicht) völlig ignorante sog. „esoterische“ Bewegungen und auch Jugendbewegungen dann heute zu einem Kultobjekt…
sancta simplicitas!
Grüße
Metapher