Übernahme eines rechtswidrigen Steuerbescheids

Das örtlich unzuständige Berliner Finanzamt A setzt für einen Freiberufler anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahr 2005 seine Einkommenssteuer des Jahres 2000 fest. Der Freiberufler war bis dato jedoch ausschließlich in Niedersachsen tätig und hatte auch keine Betriebsstätte in Berlin. Noch während der Betriebsprüfung erlangt das FA A Kenntnis von seiner Unzuständigkeit, bescheidet daraufhin mit Verweis auf §§ 125 und 127 AO jedoch trotzdem - anstatt die Veranlagung nach Niedersachsen abzugeben. Umgehend beauftragt der Steuerpflichtige einen Anwalt mit dem Einspruch der nachweist, daß die fehlende Feststellung nach §§ 18, 19, 180 AO in Niedersachsen eben kein heilbarer Rechtsfehler nach § 127 AO war. Nun wurde es brenzlig für das FA A und es passierte erst mal nichts.

Im Jahr 2007 zieht der Freiberufler mit seiner Tätigkeit in den Berliner Bezirk B, daraufhin übernimmt das Finanzamt B die Einspruchsbearbeitung. Der Einspruch gegen den Bescheid des FA A aus dem Jahr 2005 wird im Jahr 2010 vom Finanzamt B abgelehnt. Begründung: Auch wenn der Bescheid im Jahr 2005 hätte aufgehoben werden müssen, sei durch den Zuständigkeitswechsel im Jahr 2007 nun das FA B zuständig. Der Umzug in das benachbarte FA B ersetze gewissermaßen die anfänglich fehlende Zuständigkeit für die niedersächsischen Einkünfte und es muß nicht neu beschieden werden. Insofern gebe es auch keinen Grund, die Anwaltskosten für den Einspruch aus dem Jahr 2005 geltend zu machen.

Meine Fragen:

  • Kann ein zum Zeitpunkt der Festsetzung rechtswidriger Steuerbescheid durch späteren Umzug des Steuerpflichtigen rechtswirksam werden?

  • Falls nicht und das FA B neu veranlagen muß, wann läuft für das FA die Frist ab um überhaupt noch wirksam festsetzen zu können?

  • Wann läuft die Frist ab, nach der die Anwaltskosten für den Einspruch gegen den (amts-)mißbräuchlich festgesetzten Bescheid aus 2005 geltend gemacht werden können?

Vielen Dank für Euer Interesse
Daniel

Hallo,

nur mal so als Anmerkung und ohne dass ich jetzt die AO zur Hand hätte und auch nicht die große Lust habe jetzt darin zu suchen:

Ein Steuerbescheid eines örtlich unzuständigen Steuerbescheides kann nicht allein wegen der örtlichen Unzuständigkeit rechtswidrig sein, wenn auch das örtlich zuständige Finanzamt in der Sache nicht anders hätte entscheiden können.

Oder als einfaches Beispiel ausgedrückt, wenn das FA Berlin im Steuerbescheid Kosten für die Hochzeit als Betriebsausgabe ablehnt, dann ist dieser Bescheid nicht rechtswidrig, wenn das tatsächlich zuständige FA Hannover, aufgrund der Regelungen in den Einzelsteuergesetzen, nicht zu einem anderen Ergebnis kommen kann.

Die örtliche Unzuständigkeit allein rechtfertigt also noch keinen Einspruch, sondern es müssen in diesem angefochtenen Bescheid weitere rechtliche, materielle Fehler enthalten sein.

Gruß
Lawrence

Hallo,

Vom Ergebnis her hast du vollkommen recht.

Ein Steuerbescheid eines örtlich unzuständigen
Steuerbescheides kann nicht allein wegen der örtlichen
Unzuständigkeit rechtswidrig sein, wenn auch das örtlich
zuständige Finanzamt in der Sache nicht anders hätte
entscheiden können.

Rechtswidrig kann er schon sein, zumindest verstößt er gegen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit.
Allerdings ist er nicht nichtig (§125 III Nr.1 AO).

Die örtliche Unzuständigkeit allein rechtfertigt also noch
keinen Einspruch, sondern es müssen in diesem angefochtenen
Bescheid weitere rechtliche, materielle Fehler enthalten sein.

Genau, s. §127 AO.

Gruß
Markus

Vielen Dank für Eure Kommentare. In diesem Fall war der Steuerbescheid allerdings tatsächlich nichtig, da § 127 AO nicht angewendet werden durfte. Der BFH hat (u.a. in Urteil vom 15.4.1986 (VIII R 325/84) BStBl. 1987 II S. 195) nämlich festgelegt, daß die Verletzung der gesonderten Feststellungspflicht kein heilbarer Rechtsfehler ist. § 127 AO ist eben oft kein Freibrief, die örtliche Zuständigkeit zu ignorieren.

Die eigentlichen Fragen bleiben deshalb bestehen, insbesondere ob ein nichtiger Bescheid im Einspruchsverfahren rückwirkend wirksam werden kann (durch Umzug des Steuerpflichtigen).

LG Daniel