Aufnahmeprüfung, klass. Gesang, Stückauswahl?

Hallo alle zusammen! =)

Folgendes: Ich möchte klassischen Gesang studieren, also als künstlerische Ausbildung.
Mir ist bewusst, was die Anforderungen dafür sind, auch, dass die Chancen unter Umständen recht gering sind.

Meine erste Frage betrifft die Stückauswahl. Gefordert werden Arien und Lieder unterschiedlicher Stilistik, Epoche und Sprache.
Ich singe in der Stimmlage Alt, bevorzuge deswegen auch Repertoire, das eben nicht so in die Höhe geht. Der Schwierigkeitsgrad sollte nicht extrem hoch sein, aber natürlich schon genug Anspruch für eine Hochschulaufnahmeprüfung besitzen.
Vielleicht hat ja jemand Erfahrung, was gerne gehört wird von den Kommissionen, oder was gerne genommen wird von den Bewerbern.
Ein Lied, das ich bisher gerne nehmen würde, wäre ,Die Kartenlegerin" von Schumann, nur um mal ein Beispiel zu nennen.
Ich brauche keine Liste berühmter Altarien :wink: Sondern würde mich wirklich über persönliche Erfahrungen freuen.

Eine weitere Frage bezieht sich auf den Fakt, dass ein Text in deutscher Sprache vorgetragen werden muss. Entweder Prosa oder ein dramatisches Werk. Vielleicht weiß jemand Rat, denn ich habe keine Schauspielerfahrung und besonders extrovertiert bin ich auch nicht. Das heiß etwas Innerliches wäre schön =) Da ich eine Frau bin, wäre es ideal, wenn es sich auch um weibliche Rollen handeln würde.

Zu guter Letzt würde mich die Schilderung von Eindrücken interessieren. Wenn also jemand schon an solchen Aufnahmeprüfungen teilgenommen hat (auch Instrumentalisten sind gefragt)…Wie ist die Stimmung bei sowas? Wie sehr fallen Fehler in Nebenfachprüfungen ins Gewicht (also z.B. Klavier…)? Was zieht man bei solchen Anlässen an?^^ Wie viele Bewerber gibt es so? Ist es ein schlechtes Zeichen, wenn Vorträge abgebrochen werden?

Ich hoffe, dass ein Text dieser Länge überhaupt gelesen wird =) Ich bin auf Antworten gespannt.

Herzliche Grüße, A.

Hallo!
Schwierig hierauf zu antworten, aber Dir scheint es ernst zu sein, also probier ich es mal.
Vorweg: Ich bin Instrumentalist, hab aber natürlich auch gelegentlich mit Sängern zu tun :wink:
Wichtig scheint mir erstmal, daß Du Dir und evtl. Ansprechpartnern noch einige Fragen beantworten kannst:
Erste Frage: Wie alt bist Du, oder besser gesagt: wie nah bist Du an dem geplanten Studium dran?
Als Instrumentalist wundere ich mich etwas über die „Unkenntnis“ und „Naivität“ (nicht böse gemeint!), aber ich weiß natürlich auch, daß Sänger oft musikalische „Späteinsteiger“ sind.
Weitere Fragen: Wie weit bist Du mit deiner Stimmausbildung? - Hast Du eine Idee wohin es gehen könnte? - Worauf arbeitest Du z.Zt. hin?
Du bezeichnest Dich als introvertiert - wie passt das mit deinem Wunsch Sängerin zu werden zusammen? Was wären denn (unverbindlich) deine beruflichen Träume (Opernsolist, Chorist,…), hast Du eine klare Vorstellung vom Berufsbild?
Hast Du Ansprechpartner (im wirklichen Leben), die Dir helfen können, darüber Klarheit zu gewinnen, Einblicke ins Musikerleben zu haben,…?
Was sagt dein(e) Gesangsleherer(in) zu dem Thema?
Wie sind deine Kenntnisse in den Nebenfächern? - Die Anforderungen waren zu meiner Zeit extrem unterschiedlich zw. einzelnen Hochschulen, das mag sich aber angeglichen haben. - Auf jeden Fall sollte man sich intensiv vorbereiten (Klavierunterricht, vielleicht ein paar Stunden Theorie, Gehörbildung…); die Hochschulen bieten Vorbereitungsseminare an, vielleicht kannst Du dort schonmal rausfinden, wo Du stehst, wie die Stimmung ist, usw.

Ich lass es jetzt erstmal damit, sicher gibts weitere Antworten, und man kann endlos viel sagen!
Ich glaub Bernstein hat mal gesagt; Wenn ihn ein junger Mann fragte, ob er Musik studieren solle, riet er davon ab! Wenn man das wirklich will, darf man nicht unsicher sein, sich von niemandem beirren lassen, einem berufenen Musiker bleibt gar keine andere Wahl.
Also wenn´s Dir wirklich ernst ist/wird: Knie dich rein, es ist sauschwer und das Leben wird richtig hart. Als Dank gibts immer weniger Geld, keine Aussicht auf ein geregeltes Leben - und einige wirklich schöne musikalische Erlebnisse.

Grüße!

Ergänzung
Hey. =)
Nun, das ging schneller, als erwartet…danke zunächst für die Antwort.
Hier also ein paar Fakten, obwohl ich nicht sicher bin, inwiefern sie für meine Fragen relevant sind.
Ich habe in diesem Jahr die Schule beendet und bin gerade 20 Jahre alt geworden. Meine Aufnahmeprüfungen wären in ca. einem halben Jahr. Ich bin tatsächlich eine Späteinsteigerin, von Naivität :wink: würde ich jedoch nicht sprechen. Ich habe neben dem Gesangsunterricht (3,5 Jahre) auch Klavierunterricht und Musiktheorie-/ Gehörbildungsunterricht, außerdem singe ich im Chor…Natürlich werde ich weitere Vorbereitungsmaßnahmen treffen, den direkten Kontakt zur Hochschule suchen etc.
Ich würde nicht behaupten, dass alle Musiker extrovertiert sind :wink:Von daher sehe ich da kein übergroßes Problem.
Inwiefern meine Vorstellungen vom Berufsbild komplett sind, vermag ich nicht zu sagen, jedoch scheinen sie mir bisher einigermaßen realistisch.
Angemerkt sei, das ich Musik nicht als letzten Ausweg wähle, was in keiner Art und Weise beleidigend gemeint sein soll =)Mir ist auch bewusst, dass es nicht der leichteste Weg ist.Weiterhin erwarte ich hier auch keine direkten Leitfäden oder absolute Antworten. =)

Hallo A.,

erste Frage: Eine allseits beliebte Adresse ist Paul Lohmann „Das Lied im Unterricht“, ein Heft, das eine Sammlung von Klassikern bietet, das existiert auch „für tiefe Stimme“. Daraus sollte man nicht gerade die allerbekanntesten Gassenhauer wählen (also eher nicht Schuberts „Du holde Kunst“), sondern Stücke, bei denen man denkt „ich kann das Gefühl X oder die Haltung Y damit schön und klar unterstreichen, ohne übertrieben zu wirken“.
Dazu nimmt man mit Vorteil noch etwas Altes, z. B. ein italienisches Barockstück oder (für Altstimme immer gut) einen Schemelli-Choral. Die beiden Hefte (Lohmann & Schemelli) wirst Du in der klassischen Ausbildung so oder so brauchen, das ist also keine grosse Investition, überdies gibt es sie auch ab und zu im Gebrauchthandel.

Den Schwierigkeitsgrad kannst Du dann innerhalb dieser Sammlungen selber wählen (Schemelli wird oft unterschätzt), denk daran, dass ein langer, getragener Brustton technisch schwieriger sein kann als Triller und Koloraturen, und dass ein Piano in hoher Höhe für eine Aufnahmeprüfung nur geht, wenn man es 100% im Schlaf intus hat.

„Die Kartenlegerin“ ist vor allem im Zusammenspiel mit dem Pianisten kein Spaziergang, das muss also lange und oft zu zweit geprobt werden, wenn es Eindruck machen soll. Vom Ausdruck her wirkt es nur natürlich, wenn die Töne tadellos sitzen. Insgesamt ist es eher schwer und relativ lange. Falls Du es vorträgst, rate ich Dir zu schauen, dass vorher und nachher eher leichte Stücke stehen, weil sonst Deine Konzentration nachlassen kann, wenn Du Dir nicht gewohnt sein solltest, stundenlang konzertant vorzusingen.

Als Sprechvortrag ist die Stauffacherin immer noch eine gute Adresse (dreimal darfst Du meine Nationalität raten). Sie ist ruhig im Ton, eindringlich, aber nicht überschäumend, und verträgt eine starken, sonoren Klang. (Wilhelm Tell, 1. Akt, 2. Szene).

Schilderung: Alles, was nach echtem Ausdruck riecht, also was Charakter hat und zugleich nicht übertrieben ist, wird geschätzt. Die Stimmung ist sehr unterschiedlich. Am schlechtesten kommen die weg, die sich im Zauberland wähnen und vermuten, sie stehen einer Bande mit Geheimwissen gegenüber. Das zeigt sich darin, dass sie die Experten fragend anschauen und den Gedanken übertragen, dass sie keinen blassen Schimmer hätten, was die Experten von ihnen wollen.
Weit besser haben es die, die etwas so vortragen, als hätten sie eh alle in der Tasche. Es gibt da zwar manchmal Enttäuschungen, aber wenigstens hört man, was so jemand auf der Platte hat. Am besten geht es normalerweise, wenn jemand seine Liebe zur Sache präsentiert. Sollte Dir die „Kartenlegerin“ also echt ans Herz gewachsen sein, kommt das auch bei den Experten 'rüber und Du kannst sie ruhigen Gewissens vortragen. Ansonsten würde ich eher Kürzeres nehmen, Du kannst ja auch dort etwas wählen, das Dir und Deinen Ressourcen entgegenkommt.

Was zieht man bei solchen Anlässen an

eher schlicht, dunkel, nicht allzu auffällig aber gepflegt, evtl. ganz leichtes (!) Makeup, gepflegte Frisur.

schlechtes Zeichen, wenn Vorträge abgebrochen werden

selten. Wenn der Experte anfangen sollte, bei einem Stück etwas zur Sache zu sagen, nachdem er abgebrochen hat, ist das meistens eher sogar ein Hinweis, dass er mit einem arbeiten möchte. Muss aber auch nicht sein. Am ehesten ist es dann ein schlechtes Zeichen, wenn man gewaltige Aussetzer hatte. Häufiger bedeutet der Abbruch aber einfach, dass der Experte bald seine Pause will, egal wie gut man war.

Im übrigen (vor allem im Falle „Kartenlegerin“): Schau, dass Du einen Pianisten hast, mit dem Du Dich musikalisch verstehst. Und wenn Musik Deine Berufung ist, wird es beim nächsten Mal klappen, auch wenn Du durchfallen solltest, also strahl keine Ängste aus, das nützt keinem.

Gruss,
Mike

Hallo nochmal!

Ich glaube schon, wir müssen wissen, wieweit Du dich schon mit der Materie befasst hast um sinnvoll zu antworten, deshalb meine Fragen - und Du hast sie wohl auch nicht falsch aufgefasst.

Das klingt doch alles schon ganz durchdacht und vorbereitet.
Kennst Du denn Berufsmusiker und -sänger näher, um mehr Einblick in das Berufsbild zu gewinnen? Wie stehst Du zu den versch. Optionen die der Gesang bietet? - Solist, Chorist, unterrichten,…
Letzteres war für mich z.B. nie eine alleinige Option. Ich denke, sowas sollte einem schon während des Studiums klar sein, sonst landet man irgendwann in einem Frusttief.

Aber das sind wohl eher nicht die Fragen, die Dich beschäftigen, also noch zwei Anmerkungen:
Natürlich kann und darf ein Musiker/Sänger introvertiert sein, allerdings muss zumindest ein Solist (und Opernchorist) auch ne Rampensau sein (können). Bei Vorsingen später spielt das Auftreten mindestens soviel mit wie die Stimme.
Bei einer Aufnahmeprüfung spielt das je nach Kommission auch in ganz unterschiedlichem Maße eine Rolle.
Bei der Aufnahmeprüfung kann man sich leicht verunsichern lassen durch die Vielzahl an Bewerbern, und v.A. durch das teilweise hohe Können insbesondere ausländischer Bewerber.
Im Allgemeinen wissen die Kommissionen aber durchaus zu unterscheiden - viele Ausländer (Asiaten) haben schon eine sehr viel längere Ausbildung und oft abgeschlossenes Studium hinter sich; bei einem Deutschen wird mehr nach Talent und Potential geschaut. Perfektion wird noch nicht erwartet (Perfektionismus kann natürlich nicht schaden :wink: )

Daß Du die Musik nicht als „letzten Ausweg“ siehst ist praktisch - so bin ich auch ins Studium gegangen. Danach hätte ich aber nie im Leben mehr den Absprung geschafft (auch nicht in echten Tiefs - die die meisten erleben). Bei mir war da einfach der (falsche??) Ehrgeiz zu groß, mir etwas beweisen zu müssen! Ich bewundere eigentlich Leute, die da pragmatischer sind.

Also toi toi toi, mach hinne und halt uns auf dem laufenden!

Grüße!

Hi =)
Nun, ich denke, ich konnte die Fragen tatsächlich richtig einordnen und die nachgetragenen Informationen tragen bestimmt dazu bei, dass präziser geantwortet werden kann.
Hm, in meiner Familie bin ich die Einzige, die irgendwie mit Musik zu tun hat. Trotzdem, derartige Ansprechpartner werde ich schon finden, außerdem habe ich wirklich gute Lehrer, an die ich mich natürlich wenden kann.
Ich bin nicht ganz sicher, wohin der Weg gehen soll. ,Opernsängerin" will ich jedenfalls nicht werden. Irgendwann zu unterrichten könnte ich mir jedoch vorstellen. Erstmal will ich angenommen werden, ob das zu kurzsichtig ist, nun, es wird sich vielleicht zeigen.
Am ,Rampensau"-Auftreten arbeite ich… Im Rahmen meiner Möglichkeiten versteht sich. :wink:Es soll ja auch nicht an Authentizität fehlen.
Die eigenen Erwartungen…ich hoffe, dass ich sie entweder erfülle, oder rechtzeitig erkenne, dass sie mir nur schaden. So ist der Plan, ich versuche es Stück für Stück zu sehen.
Danke für die guten Wünsche.

Hallo Mike.
Eine Antwort, wie sie im Buche steht, würde ich sagen. =) Danke schonmal dafür.
Den Schmelli besitze ich bereits, die andere Sammlung werde ich mir dann wohl zulegen. Schön fand ich, wie du geschrieben hast, auf was es bei der Auswahl auch ankommt.
Der Pianist wird gestellt, glaube ich. Hm…dann sollte ich mir das mit ,Der Kartenlegerin" wahrscheinlich wirklich überlegen. Guter Gedanke.
Ich verzichte aufs Raten, da komme ich doch niiieee drauf :wink: Ich habe mir die Szene angesehen, sie hat Potential, ich werde mich mal genauer mit dem Werk beschäftigen.
Du hast mich zum Lachen gebracht…und gleichzeitig habe ich mich etwas ertappt gefühlt, denn tatsächlich wäre ich eine Kandidation für übermäßiges Staunen, leicht geöffneter Mund und große Augen inklusive :wink:Bestimmt lässt sich das positiv beeinflussen.
Der letzte Absatz entlockte mir ein kleines ,oh" und machte mich leicht sentimental, das will ich nicht verschweigen. Aber du hast Recht und ich werde versuchen, das zu beherzigen. =)
Viele Grüße, Antonia

Nachtrag - jeder kocht mit Wasser
Hallo Antonia,

Staunen

Das ist die richtige Haltung für das Einsingen und Proben, da der Kehlkopf sich dabei öffnet. Also auch nicht völlig zu vernachlässigen:wink:

Dass die eine oder andere zwar das „Material“ hat (also eine besondere Stimme & den Eindruck macht, man sei entwicklungsfähig), jedoch trotzdem nicht genommen wird, ist ein Erfahrungswert und hängt besonders mit der Situation der Schule und der Experten zusammen. Der eine Experte denkt, dass seine verehrteste Frau Gesangslehrerin schon genug Berufsschülerinnen hat und die andere, dass sie gerade im nächsten Jahr dringend einen Tenor für ihre Vortragsübung sucht. Selbst wenn ihre Gedanken positiv auf die Altistin gelenkt werden, die gerade vor ihr steht, kann es sein, dass ihr z. B. das Wetter nicht gefällt (ist so in der Art wirklich schon geschehen).

Zünglein an der Waage kann da manchmal die Theorie oder das Klaviervorspiel sein; die zeigen den Experten nämlich, dass die Schülerin sich für Klänge und deren Zusammenhänge interessiert. –

„oh“ und machte mich leicht sentimental

Deine Reaktion zeigt, dass Du die Sache im Wesentlichen schon lange verstehst. Du weisst, dass selbst für eine Spitzensängerin eine bestandene Prüfung keine Garantie für eine Solokarriere, aber eine nicht bestandene auch nicht defintiv ein Grund ist, den Bettel hinzuwerfen. Und jetzt alles Gute beim Singen.

Gruss,
Mike