Einwohnerbezeichnungen

Laut DUDEN „Richtiges und gutes Deutsch“:

  1. Aacher / Aachener · Simmern-Simmerer · Geldern-Gelderner
    (Erhalt oder Ausstoßung der Endung von Ortsnamen auf -en, -ern, -er und -eln vor der Ableitungssilbe -er): Früher wurde vor der Ableitungssilbe -er das -en deutscher Ortsnamen im Allgemeinen ausgestoßen (besonders Namen auf -beuren, -brücken, -felden, -hagen, -hausen, -heiden, -hofen, -ingen, -kirchen, -leben, -stetten, -ungen, -wangen waren davon betroffen). Man sagte also
    Aacher, Binger, Göttinger, Emder, Gießer, Barmer, Nordhäuser, Saarbrücker, Ellwanger usw.

Mehr und mehr ging man jedoch dazu über, die Ortsnamen - vor allem zweisilbige - in der Ableitung auf -er vollständig zu erhalten. Deshalb sagt man heute außerhalb der Mundart nicht mehr Gießer, Aacher, sondern Gießener, Aachener und nur Essener, Hagener, Münch[e]ner, Bad[e]ner. Dennoch haben sich viele Kurzformen ohne -en vor -er erhalten, besonders bei mehrsilbigen Ortsnamen, in den Mundarten und im örtlichen Sprachgebrauch:
Bremer, Lüner, Uelzer (seltener: Uelzener), Emder (seltener: Emdener); Sonthofer, Eisleber, Melsunger, Erlanger, Mühlhäuser, Kirchheimbolander, Saarbrücker, Zweibrücker; Sankt-Galler (= schweiz., binnendt. oft: Sankt-Gallener).

In den folgenden Fällen werden die Kurzformen durch feste Benennungen gestützt:
Binger (Loch), Barmer (Ersatzkasse), Nordhäuser (Branntwein), Steinhäger (Schnaps), Kaufunger (Wald).

Ortsnamen auf -ingen gehen nur gekürzt in eine Einwohnerbezeichnung auf -er ein (Göttinger, Tübinger). Bei solchen auf -hausen, -kirchen, -hagen u. a. treten Schwankungen auf (vgl. Gelnhäuser und Oberhausener, Altenkircher und Euskirchener, Stadthäger und Langenhagener); hier richtet man sich am besten nach den jeweils ortsüblichen Formen.
Dieselben Schwankungen zwischen gekürzten und ungekürzten Formen treten auch bei Einwohnerbezeichnungen zu Ortsnamen auf -ern (vgl. Kaiserslauterer, Simmerer und Gelderner, Eberner, Schlüchterner), -er (vgl. Eschweiler und Badenweilerer, Marienwerderer und Lauchhammer) und -eln (vgl. Rintelner und Rinteler gegenüber [nur] Süchtelner) auf.
In manchen Fällen sind mögliche Missverständnisse für das Nebeneinander von gekürzten und ungekürzten Formen verantwortlich. So sagt man Neukircher (zu Neukirch), aber Fünfkirchener (zu Fünfkirchen). Dasselbe gilt teilweise für die Namen auf -weil und -weiler (vgl. Rottweiler zu Rottweil, aber Badenweilerer zu Badenweiler). Allerdings wird bei den meisten Ortsnamen auf -weiler auch die Einwohnerbezeichnung lediglich mit -weiler und nicht mit -weilerer gebildet (der Eschweiler, der Ahrweiler). Auch -brück und -brücken, -ing und -ingen, -haus und -hausen könnten so unterschieden werden, jedoch kommen diese Ortsnamentypen meist in getrennten Gebieten vor, sodass vor allem bei kleinen Orten kein Bedürfnis nach einer Unterscheidung besteht (z. B. ist -ing bayerisch [Freising, Tutzing], -ingen schwäbisch und alemannisch [Memmingen, Villingen]).
Ursprünglich nicht deutsche Ortsnamen auf -en (meist zum Stamm gehörend) schließlich gehen immer ungekürzt in die Einwohnerbezeichnung auf -er ein (Dresd[e]ner, Meiß[e]ner, Pils[e]ner, Xantener, Bozner u. a).

  1. Kasseler/Kasselaner:
    Die Endungen -aner und -enser werden meist bei Ortsnamen gebraucht, deren Endsilbe ein unbetontes e enthält. Besonders diejenigen auf -er haben oft die Endung -aner, um doppeltes -erer zu vermeiden:
    der Hannover-aner, Weißwasser-aner, Wetter-aner, Halver-aner, Hemer-aner, Salzgitter-aner, Jauer-aner, Jever-aner, Münster-aner, Neumünster-aner, Munster-aner; (auch:smile: der Kassel-aner (Kasseläner ist mundartlich), (ebenso auch:smile: der Weimar-aner; Orleaner (zu frz. Orléanais, Einwohner der Stadt Orleans).

Ortsnamen auf -e und -a haben noch gelegentlich die Endung -enser, obwohl hier keine lautlichen Gründe vorliegen:
der Hallenser, Thalenser, Wernenser, Jenenser.

Im Ganzen aber ist der Gebrauch von -aner und -enser stark zurückgegangen, unbedingt nötig ist er in keinem Fall.

  1. Angermünde - Angermünder · Tegernsee - Tegernseer · Fulda - Fuldaer:
    Endet ein Ortsname auf -e (-ee, -oe), fällt bei der Bildung der Einwohnerbezeichnung mit -er ein e aus:
    Angermünde - Angermünder; (ebenso:smile: Haller (Westfalen; 2), Thaler, Werner, Olper, Klever; Falkenseer, Tegernseer, Hahnenkleer; Itzehoer, Oldesloer, Buchloer, Laboer.

Bei den übrigen Vokalen besteht das Prinzip, den Ortsnamen unverändert zu lassen (Fuldaer [nicht mehr: Fulder], Jenaer, Pirnaer, Bebraer, Chicagoer), wenn nicht lat.-roman. Endungen gebraucht werden wie bei Luganese (zu Lugano; auch: Luganer).

  1. Osteroder/Osteröder · Darmstädter · Neustadter:
    Der Umlaut in Einwohnerbezeichnungen auf -er geht immer mehr zurück. Auch hier ist das Bestreben zu beobachten, den Namen unverändert zu lassen (im Zweifelsfall sollte man sich stets nach dem örtlichen Sprachgebrauch richten). Man sagt z. B. der Wernigeröder, aber: der Ebenroder; der Osteroder/Osteröder, der Königshöfer/Königshofener, aber nur: der Wörishofer; der Mühlhäuser, Nordhäuser, Gelnhäuser, aber: der Heiligenhauser und der Oberhausener; der Stadthäger, Steinhäger, aber: der Greifenhagener und der Wolfhager.
    Die Ortsnamen auf -stadt bilden ihre Einwohnerbezeichnung überwiegend mit Umlaut (vgl. der Städter): der Darmstädter, Rudolstädter, aber: der Neustadter (a. d. Weinstraße), der Schifferstadter.
    Ohne Umlaut sind die Einwohnerbezeichnungen zu Ortsnamen auf -walde: der Arnswalder, der Finsterwalder.

  2. Cottbus - Cottbus[s]er · Amsterdam - Amsterdamer:
    Konsonantenverdopplung vor -er ist nur bei Ortsnamen auf -us (mit kurzem, unbetontem u) üblich; aber auch hier sind die Formen mit nur einem Konsonanten als Nebenformen zugelassen:
    der Cottbus[s]er, Putbus[s]er, Schwiebus[s]er, Petkus[s]er.

Es heißt aber der Lebuser, weil Lebus mit langem, betontem u gesprochen wird. Darüber hinaus ist die Konsonantenverdopplung noch bei Lissabonner üblich, aber nicht mehr bei
Amsterdamer, Rotterdamer, Potsdamer, Nevigeser, Worbiser, Husumer.

  1. Tel-tow-er / Tel-to-wer:
    Man kann die Buchstabenverbindung -ow als einen einzigen Laut [o:] ansehen und ungetrennt lassen oder das w (wie das Dehnungszeichen h) bei der Worttrennung auf die neue Zeile schreiben: Tel-tow-er oder Tel-to-wer.

  2. Münchener Oktoberfest · deutscher Michel:
    Ableitungen von Ortsnamen auf -er wie Münch[e]ner (zu München), Berliner (zu Berlin), Frankfurter (zu Frankfurt), Wiener (zu Wien) werden immer großgeschrieben, d. h. auch in Fügungen wie Münch[e]ner Oktoberfest, Berliner Zeitung, Frankfurter Würstchen, Wiener Walzer. Es handelt sich hier um Substantive in der Funktion eines (vorangestellten) Genitivattributs: Münch[e]ner Oktoberfest - Oktoberfest der Münch[e]ner (= Genitiv Plural der substantivischen Einwohnerbezeichnung). Diese Bildungen unterscheiden sich damit grundsätzlich von scheinbar gleich gebauten Wörtern wie deutscher und österreichischer in Fügungen wie deutscher Michel und österreichischer Beitrag, die Formen der Adjektive deutsch bzw. österreichisch darstellen und deshalb kleinzuschreiben sind. Also: eine deutsche (zu deutsch), eine österreichische (zu österreichisch) und eine Schweizer (zu Schweiz) Botschaftsangestellte.
    Wenn ein Bezug auf zwei Ortsnamen gegeben ist, gebraucht man den Bindestrich und setzt die Ableitungssilbe -er nur einmal: der Köln-Bonner Flughafen, die Deutz-Mondorfer Straße.
    Einen Kasus können all diese Formen - da sie flexionslos gebraucht werden - nicht ausdrücken, deshalb sind Fügungen wie nach Meldungen Berliner Zeitungen eigentlich nicht korrekt, weil Berliner hier so gebraucht wird wie deutscher oder englischer (als ob es ein im Genitiv Plural stehendes Adjektiv wäre) und Zeitungen kein deutlicher Genitiv ist. Zur eindeutigen Kennzeichnung des Genitivs Plural müsste man in solchen Fällen entweder den Artikel, ein Pronomen oder von zu Hilfe nehmen (nach Meldungen der/einiger/von Berliner Zeitungen). Da diese Fügungsweise aber sehr bequem und ökonomisch ist, wird sie häufig gebraucht. (Nicht korrekt ist aber die Verwendung im Genitiv Singular Femininum [Verlockungen Pariser Mode], weil hier der artikellose Singular nicht in gleicher Weise wie der artikellose Plural generalisierende Kraft hat.)

  3. Sachsen-Anhalter / Sachsen-Anhaltiner:
    Während man früher mit Sachsen-Anhaltiner ausschließlich die Angehörigen des Fürstengeschlechts bezeichnete, sind heute sowohl Sachsen-Anhaltiner als auch Sachsen-Anhalter gebräuchliche Bezeichnungen für die Einwohner Sachsen-Anhalts.

© Dudenverlag 1998