Hauptschulabschluß

Hallo,
welche Hauptschulabschlüsse gibt es? Ich habe mal was von einem qualifizierten Zeugnis und einem Abgangszeugnis gehört. Ist das ein Unterschied? Anscheinend gibt es 3 Arten von Zeugnissen!!! Wie ist das speziell in Baden-Württemberg? Und ist das in Realschulen und im Gymnasium genauso? Gibt es im Internet was wo das erklärt wird? (in Baden Württemberg) Vielen Dank!

Sei gegrüßt.

Abgesehen von der Tatsache, daß ein Hauptschulabschluß für mich kein Schulabschluß ist sondern ein nutzloser Schulabbruch, existieren eigentlich nur zwei Möglichkeiten:

  • der Hauptschulabschluß
    (erfolgreiche Beendigung der 9. Klasse)

  • der qualifizierende Haupschulabschluß
    (erfolgreiche Beendigung der 9. Klasse + Abschlußprüfungen)

Das Abgangszeugnis der 9. Klasse hat den Charakter wie andere Abgangszeugnisse auch: nicht bestanden, kein Abschluß.

Allerdings kommt seit seit einiger Zeit in verschiedenen Bundesländern die Unmode auf, daß der Hauptschulabschluß unter Umständen auch nach der 10. Klasse erreicht werden kann. Das soll dann irgendein erweiterter Abschluß oder ähnlich Unfug sein.

Beim Realschulabschluß ist das Gestrüpp ähnlich dicht, seitdem in den alten Bundesländern nach dem Scheitern des gegliederten Schulsystems blindwütiger Reformaktionismus ausgebrochen ist.
Während in Ostdeutschland die „mittlere Reife“ seit 1951 ausschließlich über eine große Abschlußprüfung gegen Ende de 10. Klasse erreicht werden konnte, war das in der westdeutschen Bundesrepublik größtenteils nicht der Fall. Abschlußprüfungen zum Erhalt der mittleren Reife sind dort neu. Deswegen müssen sich die Bürger jetzt mit einer überdifferenzierten Struktur bei den Realschulabschlüssen herumplagen. Da wäre der Realschulabschluß, dann der erweiterte Realschulabschluß, bisweilen heißt es auch Sekundarabschluß, Fachoberschulreife oder schlimmer. Welcher Abschluß erreicht wird, bestimmt sich aus dem Prozedere während der 10. Klasse in der Realschule. Mit Abschlußprüfung oder ohne, mit Eignungsprüfung für den Übergang in die gymnasiale Oberstufe oder ohne.

Nur in punkto Reifezeugnis, heutzutage unzutreffend Abiturzeugnis genannt, herrscht die Einheitlichkeit, die das gesamte Bildungssystem aufweisen sollte: entweder am Ende der 12. Klasse die Würde des Reifezeugnisses erreicht oder nicht erreicht (=kein Abschluß).

In Hohenzollern-Württemberg-Baden :wink: ist die neue Werkrealschule die Besonderheit. Einen qualifizierenden Hauptschulabschluß gibt es nicht, aber ein Hauptschüler kann die 10. Klasse in einer Werkrealschule oder nach dem Wechsel auf eine Realschule absolvieren und den „mittleren Schulabschluß“ erwerben.

Viele Grüße

Moin,

Abgesehen von der Tatsache, daß ein Hauptschulabschluß für
mich kein Schulabschluß ist sondern ein nutzloser
Schulabbruch,

das klingt für mich sehr arrogant!

Gruß Volker

Moin,

Abgesehen von der Tatsache, daß ein Hauptschulabschluß für
mich kein Schulabschluß ist sondern ein nutzloser
Schulabbruch,

das klingt für mich sehr arrogant!

mag sein, aber ist das nicht schlicht Realität?

.m

Hallo,

gleich vorweg: Ich kenn mich in BaWü nicht so aus, das Folgende müsste aber allgemeingültig sein.

welche Hauptschulabschlüsse gibt es? Ich habe mal was von
einem qualifizierten Zeugnis und einem Abgangszeugnis gehört.
Anscheinend gibt es 3 Arten von Zeugnissen!!!
Und ist das in Realschulen und im Gymnasium genauso?

Ich verstehe deine Frage jetzt in der Richtung: bekommt man am Gymnasium (oder an der Realschule) auch drei Arten von Abschlusszeugnissen nach der 10. Klasse.

Da lautet die Antwort: Ja.
Wer das Gymnasium nicht erfolgreich beendet, sondern auch nach Wiederholung die 10. Klasse nicht schafft, verlässt das Gymnasium entweder mit einem Haupt- oder Realschulabschluss. Wenn das letzte „vernünftige“ Zeugnis das war, das die Versetzung in die 10. Klasse ermöglichte - und das aus der 10. Klasse grottenschlecht ist - hat man nicht einmal den Realschulabschluss (oder den der Hauptschule nach der 10. Klasse), sondern nur einen Abschluss nach der 9. Klasse.

Dabei ist zu vermuten, dass das Zeugnis aus der 9. Klasse auch nicht besonders schön war, wer zweimal die 10. nicht schafft, war vorher wahrscheinlich auch nicht brilliant. Da wäre ein Schulwechsel vom Gymnasium zur Realschule (oder analog von der Realschule zur Hauptschule) sinnvoller gewesen. Denn: Lieber ein (sehr) gutes Zeugnis von der Hauptschule (oder Realschule) als ein Zeugnis mit massenweise Vieren (und maximal zwei Fünfen) von der angeblich „besseren“ Schulform.

PS: Dass jemand das Gymnasium mit dem Hauptschulabschluss verlässt, passiert übrigens jedes Jahr an (fast?) jeder Schule mehrfach. (Und natürlich werden die entsprechenden Schüler und Eltern vorher über die „Gefahren“ informiert.)

Sei gegrüßt, Volker.

Ob das arrogant ist, weiß ich nicht; für mich ist es einfach traurig.
Das hat mehrere Gründe:

  • Ich durchlief ein Schulsystem, was keinen Schulabschluß niedriger als 10. Klasse + Abschlußprüfungen duldete. Alle Schüler, die die mittlere Reife nicht schafften, waren unzweifelhaft Schulabbrecher.
    Und solche Kinder sind für mich bis heute Schulabbrecher.
    Wenn Du vorzugsweise mit älteren Menschen aus den südlichen Bezirken der Ex-DDR plauderst, dominieren gegenüber dem Hauptschulabschluß Kommentare wie das Zeigen des Vogels oder des Scheibenwischers, Augenrollen, „Oh je“ oder „Mmmmmmmmmmmmmh“.
    Die Hauptschule (der Hauptschulbildungsgang in den Mittelschulen und Regelschulen) hat für die Menschen hier keinerlei Ansehen. Wer dort ist, muß schlecht oder schwererziehbar sein, oder beides. :wink:

Fast so ähnlich wie früher über die Jugendlichen gedacht wurde, die nach der 8. Klasse oder 9. Klasse aus der POS gingen und einen zeitlich aufgebohrten Sonderfacharbeiterabschluß machen mußten.
Der Unterschied ist nur, daß das Niveau der POS sehr viel höher lag und einige die Anforderungen selbst bei aller Förderung einfach nicht erfüllen konnten. Zwei meiner Ex-Mitschüler aus alten Zeiten, nette Kerle und gute Arbeiter, erwischte es in der Einheitsschule auf diese Weise.
(Über die Durchlässigkeit des Weiterqualifizierungssystems der DDR holten sie schrittweise diverse Qualifikationen nach.)
Dagegen ist die aktuelle Hauptschule eine echte Restschule, im allgemeinen ohne nennenswerte Perspektive für das Leben und ohne die genannten „netten Kerle“. Stattdessen verzogene Opfer ihrer eigenen inkompetenten Eltern, intellektuell desinteressiert, vorlaut, leistungsscheu, der deutschen Sprache so mächtig wie ein Ghetto-Analphabet.
(Und weil diese Kinder mit ihrer Erziehung und mit sich selber noch nicht gestraft genug sind, wird ihnen nach dem Haupt-„Schulabschluß“ keine weitere Hilfe entgegengebracht, sondern der Staat läßt sie links liegen.)

  • Was soll ein „Abschluß 9. Klasse“ bitte sein?
    Das ist für eine moderne Industriegesellschaft spätestens seit den 60er Jahren unzureichend. Selbst wenn die feudalistischen Hirngespinste derer, die das gegliederte Schulsystem verteidigen, der wahren Lage in den Schulen entspräche, man beachte den Konjunktiv, ist der Hauptschule trotzdem jedwede Existenzberechtigung durch die Modernisierung und Globalisierung nach dem Zweiten Weltkrieg entzogen worden.
    Unqualifizierte Arbeiter, die wegen des Nachkriegsaufschwunges gebraucht worden sind und die nur anpacken können – das ist Geschichte. Eine kurze Episode der Industrialisierung.

Die Welt wird komplexer, und das uns im Osten ewig gepredigte gesellschaftliche Ideal des „allseitig gebildeten, schöpferisch tätigen Menschen“ und der „hohen allseitigen Allgemeinbildung“ zur „Bewältigung der wissenschaftlich-technischen Revolution“ ist inzwischen auch von alltäglichen wirtschaftlichen Zwängen eingeholt worden: Qualifikation. Bewerbungen von Hauptschülern werden aussortiert.

  • Die Hauptschule ist das Stigma des deutschen Bildungssystems.
    Mir tun die leid, die auf die Hauptschule verfrachtet werden und denen gegenüber sich die „besseren“ Menschen mit den hohlen Phrasen des bürgerlichen Lagers rechtfertigen wollen. Gewissenserleichterung durch seltendämliche Sprüche wie „begabungsgerechtes Schulsystem“, „Differenzierung“ und was sich die hohlen Köpfe sonst noch ausdenken.
    Nein, viel lieber eine Schule für alle, so daß die schlechteren Schüler den Bezug zum Rest der Welt nicht verlieren und nicht „unter ihresgleichen“ total auf den Holzweg kommen. Das geschieht nämlich durch die Frühauslese des gegliederten Schulsystems. (in Studien nachgewiesen)
    Statt den Kindern einen wertlosen Hauptschulabschluß als Möhre vor den Kopf zu hängen, die Kinder striezen und zum Realschulabschluß antreiben.
    Deswegen wehrt sich die Realschulclientel gegen Ideen wie die deutsche Einheitsschule oder die DDR-Einheitsschule, weil ohne Hauptschule kein Ort existiert, zu dem die „Hauptschüler“ abgeschoben werden können. Das ist das gleiche wie mit der Oberschicht und dem Gymnasium. Das Gymnasium würde ohne die restlichen Schultypen (aus der Sicht des Gymnasiums alles Restschulen) sein Kerngedankengut und seine Existenzberechtigung in den mittleren Klassen verlieren.

Was soll ein normaler Mensch demnach über ein Land denken, welches es im 21. Jahrhundert, über 200 Jahre nach dem Ende des Feudalismus, noch immer nicht geschafft hat, das Bildungssystem der Ständegesellschaft zu eliminieren?

  • Zuletzt: Bildung ist der einzige Rohstoff unseres deutschen Vaterlands. Eine Hauptschule hat keine Funktion und keinen Zweck, wenn das gesellschaftliche Ideal lautete: „Alle Kraft in Bildung und totale Ausschöpfung des geistigen Potentials der Bürger.“.

Zum Glück für unsere Kinder ist zumindest der letzte Anstrich keine Realität. Denn wenn die BRD etwas absolut überhaupt nicht kann, dann ist es, sich ordentlich um Kinder und deren Bildung zu kümmern.
Wozu auch? Die BRD ist ein rohstoffreiches Land, das Rußland in Sachen Reichtum und Diversität der Ressourcen unbedeutend erscheinen läßt. Die BRD ist auch kein Technologie- oder Ingenieurstandort, sondern 90% der Wirtschaftsleistung sind Ackerbau und Industriemassenproduktion. Und die BRD ist auch nicht der gegenwärtige politisch-territoriale Vertreter der Nation der Dichter und Denker. Glück gehabt, Kinder! Ein frohes 52jähriges Arbeitsleben mit eurem Hauptschulabschluß.

Viele Grüße. :smile:

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Moin,

mag sein, aber ist das nicht schlicht Realität?

Natürlich weiß ich auch, dass junge Menschen, die „nur“ den Hauptschulabschluß haben, große Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben.

Aber ohne haben sie noch weniger. Sie haben dann evtl. noch die Chance doch noch den Realschulabschluß zu machen. Insofern sehe ich auch den Hauptschulabschluß als Trittbrett zu mehr. Nur die Formulierung hat mich sehr gestört.

Wenn Du mal mit jungen Erwachsenen gearbeitet hast, die keinen Abschluß haben, und wie stolz sie sind, wenn sie dann doch noch den Hauptschulabschluß gemacht haben, sieht man es vlt. ein wenig anders.

Gruß Volker

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Hallo,

Abgesehen von der Tatsache, daß ein Hauptschulabschluß für
mich kein Schulabschluß ist sondern ein nutzloser
Schulabbruch,

Das klingt nicht nur arrogant, das ist es auch. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die den HA schaffen - egal, ob sie danach einen Realschulabschluss dranhängen oder eine Lehre.

Außerdem schreibst du falsches - oder zumindest nicht für alle Bundeländer gültiges:

Hier für Hessen:

  • der Hauptschulabschluß

ist mehr als nur

(erfolgreiche Beendigung der 9. Klasse)

sondern erfolgreiche Beendigung der 9. Klasse, mit einer Abschlussprüfung in Mathematik und Deutsch und einer Projektprüfung

  • der qualifizierende Haupschulabschluß
    (erfolgreiche Beendigung der 9. Klasse + Abschlußprüfungen, mit einem Durschnitt, der besser als drei ist und einer Note und Abschlussprüfung in Englisch.

Das Abgangszeugnis der 9. Klasse hat den Charakter wie andere
Abgangszeugnisse auch: nicht bestanden, kein Abschluß.

Das stimmt.

Elke

Moin Reinerlein,

erstmal ganz herzlichen Dank für Deine sehr ausführliche Antwort, die sowohl ein * verdient hat als auch einiges relativiert.

Ob das arrogant ist, weiß ich nicht;

Wenn Du den Hauptschulabschluß nicht als „vollwertig“ kennengelernt hast, ist Deine Meinung verständlich.

für mich ist es einfach
traurig.

Ja!

[…]

Ich kenne das DDR-Schulsystem viel zu wenig, um auf die einzelnen Punkte fundiert einzugehen. Ich habe 13 Monate in Jena an der FH studiert und dort einige Leute kennen gelernt, die von ihrer Schulzeit/Ausbildung erzählt haben. Ich denke, dass euer Schulsystem sehr viel besser war als das der BRD. Sowohl praktische Komponenten aber auch theoretische Tiefe, super. Das es da auch Schattenseiten gab, müssen wir jetzt nicht ausbreiten, das ist ein anderes Thema.

Nein, viel lieber eine Schule für alle, so daß die
schlechteren Schüler den Bezug zum Rest der Welt nicht
verlieren und nicht „unter ihresgleichen“ total auf den
Holzweg kommen.

Ok, da müssen wir noch viel lernen! Gerne auch vom DDR-Schulsystem, nur das wird man politisch nicht durchsetzen können, da wird dann lieber nach Skandinavien geguckt.

  • Zuletzt: Bildung ist der einzige Rohstoff unseres deutschen
    Vaterlands. Eine Hauptschule hat keine Funktion und keinen
    Zweck, wenn das gesellschaftliche Ideal lautete: „Alle Kraft
    in Bildung und totale Ausschöpfung des geistigen Potentials
    der Bürger.“.

Ja, die Wichtigkeit der Bildung für alle wird nicht wahrgenommen, erkannt oder bewußt nicht gesehen.

Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend.

Volker

Das du mit einem Hauptschulabschluß deutlich schelchtere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt hast dürfte wohl klar sein. Nuztlos ist er trotzdem nicht. Das ist faktisch falsch.
Du stehst 1. Immer noch über Leuten die ohne Abschluß von der Schule gegangen sind

  1. Nach dem Hauptschulabschluß ins Arbeitsleben einzusteigen ist heute nicht mehr die Regel. Allein schon wegen der Ausbildungssituation. Du hast, mit Hauptschulabschluß, die Möglichkeit deinen erweiterten Realschulabschluß zu machen, z.B. über eine 2 jährige Wirtschaftsschule. Mit diesem kannst du wenn du ehrgeizig bist auch noch das Abitur nachholen. Schaffst du dies steht dir ein Studium offen bzw. deine Chancen auf dem Ausbildungsmarkt sind ungleich höher. NAtürlich verlierst man dadurch enorm Zeit, das System Hauptschule kann man also durchaus kritisieren. NUTZLOS ist der Abschluß aber nicht. Dir stehen dannach alle Möglichkeiten offen. Nutzen muss man die selbst.

Hallo!

Es ist schon richtig, dass es mit dem Hauptschulabschluss am Arbeitsmarkt sehr schwierig geworden ist. Eine Ausnahme gilt für handwerkliche Berufe, in denen oft die Fähigkeiten im Vordergrund stehen und bei Bewerbungsgesprächen vor allem die Persönlichkeit. Da kann über den Bildungsabschluss auch schon mal hinweg gesehen werden.
Wenn du jedoch eine andere berufliche Richtung anstrebst, solltest du den Realschulabschluss nachholen. (Dass das geht, zeigt u.a. folgende Website: http://www.mittlere-reife-nachholen.de/ ). Nur, damit du für dich weißt, dass du keinesfalls auf keinem oder „nur“ einem Hauptschulabschluss sitzen bleiben musst.

Grüße
Soleil

Sei gegrüßt.

Einspruch gegen diese These:

Eine Ausnahme gilt für handwerkliche Berufe […]

Zumindest in Ostdeutschland fehlt das Bild der „handwerkenden Hauptschüler“ in den Köpfen. Handwerker hatten hier, von den Prozenten an Schulabbrechern abgesehen, die „Gehilfe“ in der PGH wurden, die mittlere Reife.
Handwerksberufe erfordern ein solides Können des Stoffs der 10. Klasse – würde ich behaupten.
Füttern wir diese These.
Beispiel: Dachdecker. Die Dächer, denen sich ein Dachdecker gegenübersieht, sind selten einfache Flächen, die lehrbuchmäßig Formel-Hinschreiben-Ausrechnen zu berechnen sind. Und Zerlegungen in Dreiecke und Trapeze haben Grenzen. Dem Hauptschüler fehlen die geometrischen Mittel der 10. Klasse, z.B. um schiefe Dreiecke berechnen zu können. Konterlattung und die Auslegung der Dachsteine ist auch kein „1+1=2“ und ich konnte noch nie einen Dachdecker mit Taschenrechner auf dem Gerüst sehen…
Gutes Deutsch in Wort und Schrift, was Hauptschüler (und die Schülerschaft heutzutage im allgemeinen) desöfteren nicht beherrschen, ist spätestens für den Kontakt zum Kunden wichtig.
Rechtschreibung eingeschlossen, denn ein Angebot muß leserlich sein.

Die Handwerksmeister, die ich kenne, sortieren bereits die meisten Realschüler aus. Warum? Mathe 3 oder 4, und dann, wenn es überhaupt zum Gespräch kommt, Sprüche wie „Wozu brauch ich denn Mathe als Dachdecker??“. Das meinen die Schüler auch nicht ironisch.

Oder nehmen wir anderere anspruchsvolle Handgewerke: Goldschmied, Restaurateur. Was ich über die Jahre an kurzen Einblicken über solche Berufsausbildungen gewinnen konnte, läßt mich an der Eignung von Hauptschülern generell und speziell im Hinblick auf „heutige typische Hauptschüler“ stark zweifeln.

Ich kann des weiteren das Bild nicht verstehen, was über die Handgewerke im Äther kursiert. Sind Handwerker irgendwie blöde oder sind das minderwertige Berufe, für die eine niedere Qualifikation zureicht? Diese Rhetorik pflegt das bürgerliche Lager, insonderheit die FDP, seit Jahren.
Man kann die Uhr danach stellen, daß nach dem Geschwafel
„begabungsgerechtes Schulsystem“, „individuelle Chancen“, „Eigeninitiative“ die Phrase des „praktisch betonten Lehrstoffs in der Hauptschule“ fällt.
Abgesehen davon, daß ich mich in dem Augenblick als ehemaliger Schüler einer **polytechnischen** Oberschule und einer erweiterten polytechnischen Oberschule frage, mit welcher Begründung und mit welchem Recht die Realschüler und Gymnasiasten um selbstverständliche polytechnische Lehrinhalte herumkommen dürfen, heißt dieses Gerede eigentlich: „Handwerksberufe sind die letzte Rettung für Hauptschüler; wenn sie sonst keinen Stich sehen, irgendwie Handwerker sein geht immer.“.
Gut, das Klischee mit den Maurern mag stimmen :wink: :wink: :wink: :wink:, aber das ist ein Schlag ins Gesicht für die Handgewerke.

Direkt gegenüber wohnt ein uralter Uhrmacher. Sein geerbter Laden ist ein Familienbetrieb seit Urzeiten, ach, da hatten wir noch einen Kaiser. Ein geachteter, höflicher, unglaublich talentierter Handwerker. Er ist weit über 80. Aber: Er würde denjenigen grün und blau aus dem Laden prügeln, wenn sein kunstvolles Handwerk mit „Hauptschüler für das Handwerk“ assoziiert werden würde. Beobachtet man ihn bei der Arbeit, wird schnell der Grund klar: Das ist nämlich ganz großes Handwerk; Feinwerkkönnen, Kunst, geometrische, mechanische, mathematische Präzision. Er findet seit Jahren keinen neuen Lehrling oder einen Nachfolger, weil es 1. niemand machen will (Uhrmacher=Langeweile) und 2. keiner die in seinen Augen ausreichende Qualifikation mitbringt. Es ist eben nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch kulturelles und geschichtliches Interesse, künstlische Fähigkeiten, Interesse für Kunst und Kunstgeschichte, technisch-mathematisches Verständnis für Mechaniken, für Materialien, für Geometrie. Und es ist auch Moderne, denn er baut und repariert den digitalen Uhrenkram genauso.

Bei ihm sieht man förmlich, warum die Hauptschule eine mausetote Schule ist, die niemandem hilft, sondern nur Schaden anrichtet, besonders für die Schüler, die dorthin abgeschoben werden.

Viele Grüße

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Handwerker werden auch gebraucht in der Gesellschaft. Nur fehlt die Achtung dieser Berufe. Diese können auch anspruchsvoll sein z.b. Mechatroniker etc. Es kann eben nicht nur Juristen und Mediziner geben. Die andere Arbeit bleibt auch noch. Auch ist die POS deutlich schwer und mit mehr Inhalt gewesen als eine Realschule.