Lieber gymnasium oder gesamtschule?

Hallo zusammen!

ich gebe einer grundschülern aus der vierten klasse nachhilfe. nun ist sie in allen fächern auf zwei, jedoch in mathe auf vier und deutsch auf drei. da ja in kürze die entscheidung ins haus steht, auf welche weiterführende schule sie gehen soll, weiß weder ihre mama noch ich so recht, was da besser wäre…ob man sie direkt 1.aufs gymnasium schickt und hofft, dass sie dort gut mitkommt oder 2.auf eine gesamtschule schickt und die entscheidung für die nächste schulform damit mehr oder weniger herauszögert oder 3.sie direkt auf eine realschule gehen sollte.

hat da jemand schon erfahrung mit den eigenen (nachhilfe)kindern gemacht und kann mir rat geben? ist ja eigentlich auch ne sache der eltern, aber mich beschäftigt das auch sehr und ich möchte der mama auch keinen falschen rat geben…

vielen dank schonmal für zaaahlreiche antworten :smile:

gute nacht und grüße
simone

Moin, Simone,

die Mutter soll ihr Kind auf einer Gesamtschule anmelden, sofern es sich um eine Integrierte Gesamtschule (IGS) handelt. Kooperative Gesamtschulen sind keine echten Gesamtschulen, sondern lediglich maskierte Institutionen des antiquierten und ungerechten deutschen Schulsystems, das mit seiner Dreigliedrigkeit im internationalen Vergleich ziemlich allein dasteht, und vor allem sehr alt aussieht.

Contra Gymnasium:
In Gymnasien wird von Anfang an nur die Elite gefördert. Wer nicht spurt, fliegt raus und wird in die Realschule weggetreten. Für Spätentwickler gibt es keine Möglichkeit, im Gymnasium bis zum Abitur zu kommen.

Contra Realschule:
Die Durchlässigkeit nach oben des dreigliedrigen Schulsystems in D wird zwar von seinen Befürwortern immer wieder beschworen, aber statistisch gesehen dürfte es nur sehr wenigen Realschülern gelingen, den Sprung in eine Oberstufe zu schaffen.

Pro IGS:
Als Lehrer an einer IGS habe ich es oft erlebt, dass Kinder mit einer Hauptschulempfehlung zu uns kamen und später ihr Abi gemacht haben. Diese Kinder brachten schlechte Noten aus der Grundschule mit, aber sie sind irgendwann aufgeblüht und zu einer Form aufgelaufen, die niemand vorhersehen konnte.
Mein Dauerbrenner zu diesem Thema ist das Beispiel meiner Tochter.
Sie hatte große Lernschwierigkeiten und ein Kinderpsychologe hat uns gar horoskopisiert dass wir froh sein könnten, wenn sie eine Sonderschule „erfolgreich“ abschließen würde.
Auf der IGS hat sie den Realschul-Abschluss geschafft und befindet sich derzeit auf dem Weg zum Fachabitur.

mich beschäftigt das auch sehr und ich
möchte der mama auch keinen falschen rat geben …

Für diese Einstellung verdienst Du ein dickes Lob.

Grüße
Pit

Hallo,

die Mutter soll ihr Kind auf einer Gesamtschule anmelden,
sofern es sich um eine Integrierte Gesamtschule (IGS) handelt.

Würde ich auch so unterstützen.

Contra Gymnasium:
In Gymnasien wird von Anfang an nur die Elite gefördert.

Widerspruch!
Jeder, der in einer Klasse (egal welche Schulform) sitzt, sitzt dort erst einmal für mindestens ein Schuljahr, bleibt dann evtl. sitzen und verbleibt an der Schule für ein weiteres Jahr. Da würde sich die Schule (bzw. die einzelnen Lehrer der Klasse) keinen Gefallen tun, jemanden einfach zu ignorieren. Das verschlechtert nämlich massiv die eigenen Arbeitsbedingungen (mal ganz davon abgesehen, dass es sowieso Aufgabe ist, jedes Kind dort abzuholen, wo es steht - insbesondere nach dem Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule).
Danach stimmt es schon: Es wird (nach einem einfachen Anfang, der sie an der Grundschule „abholt“) deutlich schneller, kopforienter, anspruchsvoller (wer sich in der Grundschule gelangweilt hat würde sagen: interessanter) gelernt.

Wer nicht spurt, fliegt raus und wird in die Realschule weggetreten.

Siehe oben: Das Weiterverweisen an eine besser geeignete Schulform kann zwei (für das Kind sehr schmerzhafte) Jahre dauern. Zwei Jahre Misserfolg steckt man so leicht nicht weg. Das hat nichts mit „wegtreten“ zu tun.

Für Spätentwickler gibt es keine Möglichkeit, im
Gymnasium bis zum Abitur zu kommen.

Das mag bundeslandabhängig sein, ich weiß, dass sehr wohl Schüler von der Realschule aufs Gymnasium wechseln.

Contra Realschule:
Die Durchlässigkeit nach oben des dreigliedrigen Schulsystems
in D wird zwar von seinen Befürwortern immer wieder
beschworen, aber statistisch gesehen dürfte es nur sehr
wenigen Realschülern gelingen, den Sprung in eine Oberstufe zu
schaffen.

Wie gesagt, ich kenne einige Realschüler, die in der Oberstufe „landeten“ und das Abitur ablegten, zum Beispiel unser ehemaliger Schulleiter :smile:

Pro Realschule, falls keine IGS erreichbar ist:
Die Noten gehen nach einem Schulformwechsel (von der leichteren Grundschule zum schwierigeren Gymnasium) durchschnittlich um zwei Noten nach unten. Bedeutet für unseren „Fall“, dass sich die Noten verschlechtern auf 4-6 …
Das ist natürlich nicht immer so, es gibt auch Schüler, die an der Grundschule lauter Einsen hatten, und dies nahtlos am Gymnasium so fortsetzen.
Allerdings sind am Gymnasium nunmal die „besseren“ Schüler versammelt. Die Notenskala reicht von 1-6, jede weiterführende Schule differenziert nun also wieder aus. Am Gymnasium bekommen die Schlechteren der Guten zum ersten Mal in ihrem Leben eine 3,4,5 oder sogar 6; an der Hauptschule läuft es anders herum, dort bekommt so mancher das erste Mal in seinem Leben eine 1 oder 2…

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Hallo,

ich möchte mich deinen Ausführungen bezügl. der Gesamtschule anschließen, möchte aber zu bedenken geben: man soll sich über die konkrete Schule bzw. die Schulen der Umgebung individuell informieren.
Da auch integrierte Gesamtschulen in direkter Konkurrenz zu den Gymnasien der Umgebung stehen, gehen dort selten Kinder hin, die es auf ein „richtiges“ Gymnasium (nach Ansicht der Eltern) schaffen können. Für die integrierte Gesamtschule wird es dann schwerer, ein anspruchsvolles Programm zu fahren.
Hinzukommt dass das System der integrierten Gesamtschule immer mehr aufgeweicht wird. In Hessen gibt es seit drei Jahren die „abschlussbezogenen Klassen“, d.h. ab Kl. 8 wird wieder schön getrennt, danach ob Abitur, Real- oder Hauptschulabschluss angepeilt werden.

Gruß
Elke

Ich würde das Gymnasium auf keinen Fall empfehlen. Wenn das Kind in der Grundschule schon Nachhilfe in Mathematik braucht und immernoch auf 4 steht ist das Gymnasium einfach die falsche Schule, denn das ist wirklich nur für gute Schüler vorgesehen! Ausserdem ist es das schlechteste was passieren kann, wenn das Kind durch Leistungsdruck keinen Spaß mehr an der Schule hat.
Das deutsche Schulsystem hat auch eine gute Sache: Wenn man das Kind auf die Realschule schickt heißt es ja noch lange nicht, dass es kein Abitur machen kann, denn das lässt sich ja noch später auf weiterführenden Schulen ablegen.

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Hallo,

man soll sich über die konkrete Schule bzw. die Schulen der Umgebung :individuell informieren.

Das würde ich auch empfehlen, wenn sich in eurer Umgebung mehrere Schulen anbieten. Die meisten Schulen geben mittlerweile ein Profil ihrer Schwerpunkte auch im Internet an.

Die Klassen Fünf und Sechs sind oft noch sehr „sprachlastig“. Wenn dann verstärkt die Naturwissenschaften dazukommen, wird es für manche Kinder mit schlecht ausgeprägtem Matheverständnis sehr schwer. Ein mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium sollte auf jeden Fall ausgeschlossen werden (auch wenn Ruf, Ortsnähe o.ä. für die Schule sprechen sollten).

Da auch integrierte Gesamtschulen in direkter Konkurrenz zu
den Gymnasien der Umgebung stehen, gehen dort selten Kinder
hin, die es auf ein „richtiges“ Gymnasium (nach Ansicht der
Eltern) schaffen können.

Im Prinzip hast du Recht.

Für die integrierte Gesamtschule wird
es dann schwerer, ein anspruchsvolles Programm zu fahren.

Bei uns hier ist es eher so, dass sich zu viele Schüler für die IGSen beworben haben (Der Bewerbungstermin ist immer vor den anderen Schulen abgeschlossen). Die nicht genommenen gehen dann aufs Gymnasium oder die Realschule.

Am Gymnasium meiner Kinder haben wir immer wieder zu hören bekommen, einige Schüler gehörten hier nicht hin (manchmal auch selber wegduck), das Programm insofern auch zurückgefahren werden mußte.

Hier in unserem Landkreis (und benachbarter Stadt) findet sozusagen eine Abstimmung mit den Füßen statt. Die IGSen werden überrannt als das Schulsystem, dass dem eigenen Kind alle Möglichkeiten läßt. Es wurden zwei weitere errichtet, die den Bedarf immer noch nicht decken können.

Hinzu kommt dass das System der integrierten Gesamtschule immer
mehr aufgeweicht wird. In Hessen gibt es seit drei Jahren die
„abschlussbezogenen Klassen“, d.h. ab Kl. 8 wird wieder schön
getrennt, danach ob Abitur, Real- oder Hauptschulabschluss
angepeilt werden.

Oha, DAS habe ich irgendwie geahnt…

Grüße
Chrissie

Ich spreche für RLP-Erfahrungen

Vielen Dank erstmal für die vielen Antworten!

In die Richtung Gesamtschule hatte ich ja auch gedacht, dass aber die kooperativen einen schlechten Ruf haben, wusste ich nicht. Gut zu wissen! Die Kleine hat nämlich aus der Schule einen dicken Stapel an Infoblättern von allen möglichen Schulen aus der Umgebung bekommen, wobei mir eben aufgefallen ist, dass die meisten kooperativ sind.

Wo genau liegt denn eigentlich der Unterschied zwischen IGS und kooperativer Gesamtschule? Das hatte ich noch nicht richtig verstanden…

Vielen Dank und nächtliche Grüße
Simone

Hallo,

In die Richtung Gesamtschule hatte ich ja auch gedacht, dass
aber die kooperativen einen schlechten Ruf haben, wusste ich
nicht. Gut zu wissen!

Das stimmt so nicht. Es sind nur keine richtigen Gesamtschulen. und es kommt auf die einzelne Schule an.

wobei mir eben aufgefallen
ist, dass die meisten kooperativ sind.

Das ist leider so, weil das (richtige) Gesamtschulkonzept in Deutschland immer noch auf dem Abstellgleis steht, bzw. wieder zurückgebaut wird.

Wo genau liegt denn eigentlich der Unterschied zwischen IGS
und kooperativer Gesamtschule? Das hatte ich noch nicht
richtig verstanden…

Eine kooperative Gesamtschule ist eine Schule, die Gymnasium, Haupt- und Realschule (oder auch nur zwei dieser Formen) unter einem Dach anbietet. Gebäude werden gemeinsam genutzt, aber die einzelnen Züge sind strikt getrennt (Ausnahmen bestehen unter Umständen, aber nicht notwendigerweise, im Nachmittagsangebot). Dies betrifft die Schulklassen selbst (man ist im Gymnasialzu oder im Realschulzug), aber auch die Lehrer. Es gibt einen Gesamtschulleiter. Für die einzelnen Zweige sind Zweigleiter verantwortlich, vergleichbar mit Rektoren in separaten Schulen.

In einer integrativen Gesamtschule werden alle Schüler in gemeinsamen Klassen unterrichtet, es gibt keine Unterscheidung nach Schulform. In den Hauptfächern werden (meist erst nach der 6. Klasse, aber das ist länderabhängig) die Schüler in verschiedene Leistungsgruppen eingeteilt, so dass es möglich ist, dass ein Schüler Mathematik im A–Kurs(Gymnasialstufe), Deutsch im B-Kurs(Realschulstufe) und Englisch im C-Kurs (Hauptschulstufe) belegt. Die Durchlässigkeit ist so wesentlich mehr gewährleistet. Alle anderen Fächer werden im Klassenverbund unterrichtet, unabhängig vom Leistungsstand der Schüler.

Allerdings, wie oben schon erwähnt, wird auch dieses Konzept mehr und mehr aufgeweicht, so gibt es z.B. in Hessen immer mehr integrierte Gesamtschulen, die nur bis Klasse 10 anbieten, was für diejenigen, die die gymnasiale Oberstufe besuchen möchten, ein Schulwechsel ansteht, es hat auch Einschränkungen für die Lehrerschaft zur Folge.
Außerdem gibt es seit einigen Jahren in Hessens Gesamtschule so etwas wie die „abschlussbezogenen“ Klassenstufen ab Jahrgang 8, die dann in Hauptschulzug, Realschulzug und Gymnasialzug eingeteilt werden, was wiederum der Gesamtschulidee Hohn spricht.

Ich hoffe, das macht es deutlicher.

Gruß
Elke

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