Pflegestufe

Liebe Experten des Forums,

wer kann mir in folgendem Fall weiterhelfen? Einer Bekannten, die vor 4 Jahren wegen einer schweren chronischen Krankheit mit multiplen Folgeschäden die Pflegestufe 2 zuerkannt bekommen hat, wurde jetzt keine Pflegestufe mehr zuerkannt. Es ist jedoch beweisbar, daß sich ihr Gesundheitszustand seitdem erheblich verschlechtert hat, unter anderem auch durch eine nach der Zuerkennung der Pflegestufe 2 erfolgte Gliedmaßenamputation. Der gegen die letztliche Entscheidung der Aberkennung jeglicher Pflegebedürftigkeit erfolgte Widerspruch wurde von der Pflegekasse abschlägig beschieden und die laufende Klage vor dem Sozialgericht erscheint auch relativ aussichtslos, weil der vom Gericht bestellte Gutachter einen zeitlichen Aufwand für die unmittelbare Pflege feststellte, der weit unter dem liegt, was die Bekannte in einem von ihr erstellten Pflegetagebuch aufgezeichnet hat. Der vordergründige Versuch der Pflegekasse und des Gutachters, hier Geld einsparen zu wollen oder zu müssen, liegt auf der Hand. Vom Sozialgericht wurde die Bekannte jetzt gefragt, ob sie die Klage zurückziehen oder von sich aus einen ärztlichen Gutachter bestellen möchte, den sie dann aber auch bezahlen müsse. Aus sozialen Gründen ist sie dazu nicht in der Lage. Welche Möglichkeiten bleiben ihr, um zu ihrem Recht zu kommen? Gibt es Selbsthilfegruppen, die entsprechende Erfahrungen haben? Ist die Pflegebedürftigkeit tatsächlich nur auf zeitliche Limits bezogen, die einseitig von ärztlichen Gutachtern, die zudem meist im Dienst der Krankenkassen stehen, ermittelt werden? Gibt es Webseiten oder Links, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen? Vielen Dank im voraus für die Hilfe des Expertenforums!

Wolf

Hallo,

es ist schon eine Schweinerei, was die Krankenkassen mit manchen pflegebedürftigen Menschen machen.
Viel kann ich dir auch nicht helfen, nur 2 Tips: frag doch mal in diesem Forum:
http://www.soziales-forum.de/
oder erkundige dich bei der zuständigen Stadtverwaltung deiner Bekannten, ob es dort eine Pflegeberatung gibt. Wenn nicht, müsste es zumindest eine Stelle beim Sozialamt geben, die für Behinderte (Eingliederungshilfe) zuständig ist. Dort würde ich mich dann mal erkundigen, was deine Bekannte noch machen kann.
Viel Glück!

Gruß
Nelly

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Moin Wolf,

die Pflegeversicherung wurde eingeführt, um z.B. Menschen, die pflegebedürftige Verwandte pflegen, einen kleinen finanziellen Ausgleich zu gewähren, bzw. eine professionelle Pflege im häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Entscheidend ist hier meines Wissens also, wie gross der Aufwand für Pflege durch eine fremde Person ist.

Wer pfelgt denn deine Bekannte ? Ein professioneller Pflegedienst oder eine Verwandte ? Professionelle Pflegedienste haben häufig Erfahrung mit dem Medizinischen Dienst und der Einstufungsprozedur.

Die Pflegeversicherung ist jedoch nicht zu verwechseln mit einer Art Erwerbsunfähigkeitsrente.

Gruss
Marion

Hallo,
die Abstufung von Pflegestufe II auf gar keine mehr würde bedeuten, dass keine 46 Minuten Pflegeaufwand zusammenkommen, was der Stufe I entspricht. Der pflegerische Aufwand wird in Minuten und äußerst knapp kalkuliert gezählt. Die Beurteilung erfolgt durch den Medizinischen Dienst, der an die Gesetzgebung gebunden ist, nicht an die Krankenkasse. Ich war vor kurzem bei einer Einstufungsüberprüfung wegen eines Widerspruchs dabei. Der Pflegedienst und die Betroffene waren der Meinung, dass die Stufe I nicht ausreicht. Bei der Zählung des pflegerischen Aufwands hat sich dieser nur verschoben, d. h. es bleibt aller Voraussicht nach bei Stufe I und der Widerspruch wird abgelehnt. Danach bleibt nur die Überprüfung beim Sozialamt auf evtl. Unterstützung.
Im Fall deiner Bekannten müsste ganz klar der erhöhte pflegerische Aufwand minutiös belegt werden, also nicht aus der eigenen Sichtweise, sondern orientiert an der gesetzlichen Vorgabe.
Eine beurteilende Ärztin sagte in obigem Beispiel: die Pflegekasse ist nur eine *Teilkaskoversicherung*, keine Rundumversorgung.
Ich hoffe, das ist eine kleine Hilfe.
Ina

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Hallo,

zunächst vielen Dank für die Hinweise. Prinzipiell sind mir die Anforderungen an eine Pflegebedürftigkeit in den drei Stufen bekannt. Auch die Vorgehensweise der Begutachtung ist mir durch umfangreiche Erfahrungen geläufig. Zwei Anmerkungen zu diesem Beitrag möchte ich allerdings machen:

  1. Der zitierte Medizinische Dienst heißt nicht umsonst korrekt „Medizinischer Dienst der Krankenkassen“ (MDK) und das beschreibt seine Abhängigkeit eindeutig. Von einer unabhängigen, nur Recht und Gesetz verpflichteten Institution kann also absolut nicht die Rede sein! Ich sage das nicht, um Recht zu haben, sondern nur deshalb, weil vielleicht ähnlich Betroffene diesen Beitrag lesen könnten. Bei kritikloser Anerkennung der These, der Medizinische Dienst verfahre nur nach Recht und Gesetz und verfolge kein bestimmtes Eigeninteresse, könnte sonst der Eindruck entstehen, man solle nur ja alles schön glauben, was der Medizinische Dienst so befindet und entscheidet, weil es alles rechtens sei. Nicht umsonst hat zu jeder Entscheidung der Pflegekassen, die auf der Einschätzung des Medizinischen Dienstes fußt, eine Rechtsbehelfserklärung zu erfolgen. Und seine Rechtsmittel sollte tunlichst jeder nutzen, der sich benachteiligt fühlt!
  2. Es ist nicht ganz korrekt, daß die „Stopuhrmethode“ aus der Sicht des Begutachtenden das Maß aller Dinge ist. Es hat schon gerichtliche Urteile gegeben, die klarstellten, daß es bei der Bemessung der aufgewendeten Zeiten für die einzelnen Pflegeverrichtungen nicht darauf ankommt, wie viel Zeit die Pflegekassen z.B. für das Baden oder Kämmen zugestehen, sondern darauf, wie viel Zeit der jeweils Betroffene dafür benötigt. Auch Behinderte sind nicht alle gleich und sie haben sehr wohl Anrecht darauf, daß ihre individuelle Situation auch im Hinblick auf den Pflegeaufwand berücksichtigt wird.
    Ich hatte meinen ursprünglichen Beitrag eigentlich deshalb geschrieben, weil ich durch Erfahrungen von Betroffenen, die vielleicht erfolgreich Widerspruch gegen eine Entscheidung der Pflegekasse eingelegt haben, meiner Bekannten Mut machen wollte, nicht zu resignieren. Sie hat das im übrigen auch nicht getan. Die Angelegenheit wird am zuständigen Sozialgericht weiter verhandelt.

Mit freundlichen Grüßen

Wolf

Hallo Marion,

vielen Dank für Deine Hinweise. Die Bekannte wird durch ihren Bruder gepflegt. Es ist in diesem Fall ganz sicher nicht so, daß hier Geld „geschunden“ werden soll. Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall, denn wenn ein Angehöriger die Pflege übernimmt, werden z.B. bei der Pflegestufe II 800 DM (also so um die 400 EURO) von der Pflegekasse erstattet, der professionelle Pflegedienst erhält in dieser Pflegestufe sehr viel mehr.

Mit freundlichen Grüßen

Wolf

Hallo Wolf,

Es hat schon

gerichtliche Urteile gegeben, die klarstellten, daß es bei der
Bemessung der aufgewendeten Zeiten für die einzelnen
Pflegeverrichtungen nicht darauf ankommt, wie viel Zeit die
Pflegekassen z.B. für das Baden oder Kämmen zugestehen,
sondern darauf, wie viel Zeit der jeweils Betroffene dafür
benötigt.

Ich glaube, hier liegt ein grundlegendes Missverständis vor. Die Leistung der Pflegekasse ist ja in erster Linie als Vergütung für die pflegende Person (Verwandter oder Pflegedienstangestellte) gedacht. Das heisst, entscheidend ist, wieviel Zeit ein normaler, gesunder Mensch für die Vorrichtung oder Hilfestelung braucht.

Verrichtungen, die der oder die Betroffene noch ganz allein ohne fremde Hilfe durchführen können, finden soweit ich weiss gar keine Berücksichtigung, da hier ja keine Pflege stattfindet.

Schau auch mal hier rein: http://behinderung.org/pfgesetz.htm

Da ist nochmal ausdrücklich erwähnt, dass es dabei um den zeitlichen Aufwand geht, den die Pflegerperson aufwenden muss.

Gruss
Marion

Hallo,

zunächst einmal für alle - es ist nicht die Krankenkasse, sondern
die Pflegekasse - dies nur wegen der Ordnung.
Als leitender Mitarbeiter einer Kranken- und Pflegekasse
kann ich zu diesem Falle nur anmerken, dass es doch sehr merkwürdig
ist, dass eine Herabsetzung von Pflegestufe II auf null erfolgt
ist - dies ist wirklich ser, sehr selten.
Wenn bisher immer Pflegegeld nach Stufe II (wie lange eigentlich
schon) gezahlt wurde, dann musste doch alle halbe Jahre von einem
Pflegeinstitut eine Pflegeeinsatz erfolgen. In dem Bericht an die
Pflegekasse muss dann festgehalten werden, wie die PFLEGESITUATION IST und das die Pflege im häuslichen Bereich sichergestellt ist.
Wenn dort festgehalten wurde dass eine Pflege nicht mehr
erforderlich ist, muss die Pflegekasse natürlich tätig werden.
Warum wurde eigentlich eine erneute Begutachtung erforderlich -
war es auf Veranlassung der Pflegekasse oder wurde ein Verschlimmerunsgsantrag gestellt.
Eine Rückstufung ist nicht möglich, wenn der MDK nicht zweifelsfrei feststellt, dass der Pflegebedarf gegenüber der
Vorbegutachtung sich entscheident verringert hat.
Pflegestufe II sind 90 Minuten reine Pflege zzg. hauswirtschaftlicher Versorgung - und das soll auf einmal auf unter 45 Minuten reinen Pflegeaufwand gefallen sein ???
Eigentlich nicht vorstellbar.
Ich gebe jedem recht, der sagt, dass die Kassen sparen wollen unsd müssen, aber in einem solchen Falle lässt es wohl keine Kasse
auf ein Sozialgerichtsurteil ankommen, „nur um Geld zu sparen“
wenn nicht tatsächlich die Fakten dazu berechtigen.
Soviel aus der Ferne, ohne die Einzelheiten zu kennen.

Gruss

Günter

Hallo Marion,

Du hast natürlich Recht: Es geht bei den für die Pflege zu berücksichtigenden Zeiten ausschließlich danach, wie viel Zeit die Pflegekraft aufwenden muß. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Richtig hätte es heißen müssen, daß die Zeiten, die für zu pflegende Personen von den Pflegekräften aufgewendet werden müssen, bei jedem einzelnen Menschen sehr unterschiedlich sein können. Sie können nicht uniform mit einer bestimmten Zeit normiert werden, weil der Grad der Behinderung sehr unterschiedlich ist. So kann es durchaus sein, daß eine Pflegekraft für das Waschen, Baden, Kämmen usw. von mehreren Pflegebedürftigen ganz unterschiedliche Zeiten benötigt. Genau dieser Tatsache ist in früheren Gerichtsurteilen durchaus entgegen den starren Zeitfenstern der Pflegekassen schon Rechnung getragen worden. Das hatte ich eigentlich gemeint.

Mit freundlichen Grüßen

Wolf