Schuldverhältnis bei Unfall während

… Überholvorgang?

Tipps zu Wer trägt die Schuld? - Unfallhergang

Die innerorts befahrene Straße verläuft in Fahrtrichtung bergab, ist in beide Richtungen einspurig und über eine Wegstrecke von rund 1,2 km frei überschaubar.

Der später Geschädigte G erkannte vor sich auf seiner Fahrbahn zwei stehende Pkw und davor einen ebenfalls stehenden Bus. Da Gegenverkehr nicht erkennbar war, beabsichtigte der G, an diesen Fahrzeugen vorbeizufahren.

Nachdem der G den Überholvorgang bei dem in Fahrtrichtung als nächstes stehenden Fahrzeug bereits eingeleitet hatte und sich auf der Höhe des Fahrzeuges befand, fuhr dieses Fahrzeug plötzlich und ohne Vorankündigung an und scherte auf die Gegenfahrbahn aus, ohne hierbei auf das überholende Fahrzeug des G zu achten. Hierdurch kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, wobei das anfahrende Fahrzeug mit der Vorderfront die Beifahrerseite des G erheblich beschädigte.

Wer ist Schuld?

Zusätzlich erschwerend hat G ohne Berücksichtigung seines Schadens und nach dem minimalen Schaden am anfahrenden Fahrzeug, durch den Schock und auf Drängen des Unfallverursachers ein Schuldanerkenntnis unterschrieben. Doch sofort nach Wegfall der Beeinträchtigung hat G diese widerrufen!

Rechtsfolgen der Schuldanerkenntnis?
Absolut verbindlich oder Beweislastumkehr?

Vielen Dank für eure Bemühungen im Voraus und viele Grüße

Hi Fabian,

zur Reihenfolge deiner Fragen:

Wer ist Schuld ?

Versicherungsrechtlich ist es sehr wahrscheinlich, dass beide Autofahrer belangt werden. Straf/ordnungsrechtlich sind ohnehin BEIDE in der Pflicht…

Grund:
Bei haltenden(wartenden) Bussen und beim Überholen/Vorbeifahren an „Fahrzeugschlangen“ ist lt. StVO eine besondere Sorgfaltspflicht und angepasste Geschwindigkeit geboten, die dir im Falle eines Unfalles mit hoher Wahrscheinlichkeit als „nicht eingehalten“ angelastet wird, auch wenn du zuvor ordnungsgemäß geblinkt hast.

Andererseits hat der ausscherende Pkw-Lenker normalerweise Wartepflicht, wenn er ein überholendes Fahrzeug erkennt. Er muss den rückwärtigen Verkehr genau im Auge haben und darf im Zweifel nicht ausscheren. Tut er es dennoch und es kommt zum Unfall, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls einen Tatvorwurf bekommen und somit einen Schuldanteil.

Die Frage wer wieviel Schuld und somit prozentualen Anteil am Gesamtschaden erhält ist reine Versicherungssache, es obliegt der Willkür der beteiligten Versicherungen und kann aber natürlich nachträglich bei einer Zivilverhandlung „korrigiert“ werden. Das dauert aber, kostet und ist ätzend…

Rechtsfolgen der Schuldanerkenntnis?

Meiner Kenntnis nach, sind Schuldanerkenntnisse vor Ort nicht rechtsverbindlich und haben im Widerrufungsfall nahezu keine Auswirkung…

Merke: Im Falle eines Unfalles immer die Polizei hinzuziehen, zumindest wenn geringe Zweifel an der Schuldverteilung bestehen.

Gruß

Claus

Hallo Fabian,
nach dem was Sie geschildert haben, trifft G. keine Schuld.

§ 5 StVO Überholen
(1)Es ist links zu überholen.
(2)Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.

Ein Gegenverkehr war nicht vorhanden, also konnte er auch nicht behindert werden. Falsch hat sich der wartende Fahrer verhalten, als er zum Überholen ausscherte. Denn

§ 5 StVO
(4)Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

Die Unfallspuren zeigen deutlich, dass der wartende Pkw ausscherte, als der Überholende auf gleicher Höhe war.
Eine am Unfallort unterschriebene Schuldanerkennung kann immer widerrufen werden. Sollte aber der Überholvorgang unter anderen Voraussetzungen begangen worden sein, so ist eine Teilschuld von G. gegeben.
W. Gebauer