Seit wann gibt es Deutschland?

Hi!

Ich meine jetzt nicht die BRD!

Irgenwann gab es doch mal verschiedene König- (Kaiser?-) Reiche.
Ich hätte vielleicht besser in Geschichte aufpassen sollen - mir fällt da irgendwas mit „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ oder so ein.

Ich hoffe Ihr könnt mir helfen!

Gruß
Guido

Hallo,
ich weiss zwar nicht wie Historiker das sehen, aber ich wuerde sagen, Deutschland gibt es seit dem Vertrag von Verdun im Jahr 843, als Ludwig der Deutsche den Ostteil des Frankenreichs als eigenes Reich erhielt. Wenn ich mich recht entsinne, mussten die Urkunden von der einen in die andere Sprache(Dt/Frz) uebersetzt werden.
Gruss
Rainer

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Hallo,
ich müsste noch mal genau in meinen H. A. Winkler, „Deutsche Geschichte“, schauen. Ich meine, ich hätte ein viel späteres Datum als Rainer gelesen, so um 1200 rum, dass dieser Begriff verwendet wird. Sicher war er auch da noch keine offizielle Bezeichnung. Die Kaiser von Karl d.Gr. hatten sich eigentlich mehr in der Tradition des Römischen Reichs gesehen. Das hat was mit der Existenz der vier Reiche, nach denen der „Antichrist“ kommt, daher durfte das rö. Reich NICHT aufhören zu existieren. Der Name „Römisches Reich Deutscher Nation“ wurde erst 1486 (!) in einem Reichsgesetz erwähnt, der Zusatz "Heiliges … " erst 1512 im Kölner Reichstagsabschied verwandt.
Gruss, Stucki

Rainer hat schon Recht
Durch den Vertrag von Verdun 843 entstand das Ostfränkische Reich, folgend als Deutsches Reich bezeichnet. Daher ist das Jahr 843 als Entstehungsjahr schon richtig.

CIAo
Schönes WE

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Hallo,

anscheinend sind sich die Historiker in dieser Frage wirklich nicht einig.

So wird z. B. der Beginn des ersten deutschen Reichs teilweise erst mit der Kaiserkrönung Ottos I. im Jahr 962 angesetzt.

Nochmal andere Historiker halten das alles für Blödsinn, weil es sich beim ersten Reich um kein festes, beständiges Staatsgebiet handelte und die Kaiser sowieso lieber in Italien waren. Ausserdem endete das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 durch die Erfolge Napoleons, danach gab es nur noch eine Anhäufung von Klein- und Kleinststaaten mit jeweils eigenem Potentaten. Diese Historiker sehen die Proklamation Wilhelms I. zum deutschen Kaiser und die Gründung des 2. Reichs 1871 als Geburtsstunde von Deutschland an.

Gruss
Peter

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Es ist wirklich eine schwierige Frage! Es kommt ganz darauf an, was du nun unter Deutschland verstehen willst. Das eigentliche Deutschland tritt wohl wirklich erst 1871 in die Weltgeschichte ein! Vorher war es einfach zu zersplittert, Teile fehlten, ueberall hatten alle ihre eigenen Koenige , Kurfuersten oder aehnliches. Das eigentliche Deutschland entstand erst 1871 , haette damals wohl auch Preussen genannt werden koennen, was dann aber wohl so einigen nicht gefallen haette!!! Der gute alte Bismarck hat uns dann alle lieber zu Deutschen gemacht, damit nicht zu viel gemeckert wird!!
Kerstin

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Hallo,
ich glaube, daß ist eins der heisesten Eisen der Geschichte. Ganz genau weiß das offenbar niemand.
Ich habe in der Schule das Jahr 916 gelernt, die Königswahl von Heinrich dem I. Das macht Sinn, wenn man bedenkt, daß damit er erste aus dem Geschlecht der Ottonen auf den Thron saß, und daß dieser Heinrich 936 durch die Schlacht gegen die Ungarn auf dem Lechfeld die Grundlage für die weitere Entwicklung schuf.
Ein anders mögliches Datum wäre das Jahr 843 mit dem Vertrag vion Verdun. Allerdings hatte der nicht allzu lange Bestand, es gab danach noch Änderungen bezüglich des ürsprünglich geplanten Mittelreiches.
In jedem Fall muß es um diese Zeit herum gewesen sein, denn genau damals entstand die deutsche Sprache, der Begriff „deutsch“ wurde überhaupt erstmalig zu dieser Zeit gebraucht. Die einheitliche Sprache und die entstehende Kunst (erste deutsche Literatur entand in dieser Zeit), dazu das Königtum als administrative und organisatorische Klammer führten dann dazu, daß der Begriff einer einheitlichen Nation entstand. Im Herr Heinrichs und seines Sohnen Otto kämpften Vertreter aller deutschen Stämme, die sich so erst mal kennenlernten. So lächerlich es klingen mag, die gemeinsamen Feldzüge schafften ein Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Zum Heilig römischen Reich: Die Kaiserkrone war ursprünglich (nominell bis 1806) die alte Krone der römischen Kaiser und somit an die Herrschaft Roms gebunden. Der Papst krönte den Kaiser, der in der Tradition der römischen Kaiser damit Herr der christlichen Welt wurde. Zumindest zu Zeiten der Staufer haben dänische, französische und ungarische Könige tatsächlich den Oberanspruch des (deutschen) Kaisers mehr oder weniger anerkannt. Daneben gab es aber immer noch die deutsche Königskrone. Der deutsche König wurde in Achen gekrönt und zog dann nach Rom zur Kaiserkrönung (oder auch nicht).
Wenn der Kaiser des heilig römischen Reiches also Herrscher über Italien war, denn nur im „Zweitberuf“ Zuerst war er deutscher König. Leider hatten das manche vergessen…
Aber das führt zu weit.

Ich hoffe, ich habe Dir helfen können.

Gernot Geyer

Klitzekleine Anmerkung
hi Gernot

Kleine Korrektur: Die Schlacht auf dem Lechfeld fand Anfang August (wahrscheinlich am 10.8.) 955 statt. Die Ungarn wurden dort durch Otto I, der die belagerte Stadt Augsburg entsetzte, vernichtend geschlagen.

Gruss
Mike
(derinderGegendwohnt)

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richtige, aber nicht hilfreiche Definition
In dem Moment, in dem sich die Deutschen als solche zusammengehörig fühlten, kann man von der deutschen Nation sprechen. Das beantwortet die Frage natürlich nicht, weil wir nicht wissen, wann das war. In der Moderne wohl im Gefolge der Französischen Revolution/Napoleon.

Man kann eben einen Zeitgenossen Otto des Großen nicht mehr fragen, ob er sich als Deutscher fühlt. Wahrscheinlich nicht.

Davon zu trennen ist die Frage der Staatlichkeit. Es kann sowohl einen Staat vor der Nationwerdung geben (z.B. das Königreich Frankreich), aber auch danach (z.B. Deutschland). Der Nationalist (den Begriff meine ich hier wertfrei) strebt daher danach, die ganze Nation in einem Staat zu vereinen.

Die Historiker des 19.Jahrhunderts haben das Hl. Röm. Reich quasi für die deutsche Nation vereinnahmt, obwohl es weder alle Deutschen erfasste, noch nur von Deutschen bewohnt oder gar regiert wurde.

Heute betont man gerade die europäische Dimension dieses Gebildes, dass so schlecht wohl nicht war, wie es im 19. Jahrhundert dargestellt wurde.

Andreas

P.S. Wie kompliziert die Frage gerade in Bezug auf Deutschland ist, zeigt K.D.Brachers Definition (noch zu Zeiten der Teilung) über das Verhältnis Deutschland West, Deutschland Ost und Österreich:

Ein Volk, zwei Nationen, drei Staaten.

WOW! Danke!
Eigentlich wollte ich nur wissen, ob man den Begriff „Deutschland“ in einem Buch, das im 17. JH spielt, benutzen kann. Dass ich so ausführliche, interessante Infos hier bekomme, hätte ich nicht erwartet!

Also, noch einmal: Danke an alle für Eure kompetenten Infos!

Gruß
Guido