Sprach man früher wirklich so?

Hallo

Wenn man Filme oder Dokumentationen anschaut die im Mittelalter spielen, dann reden die Menschen dort in der Regel recht „geschwollen“.

So etwas wie „Wohl an, edle Ritter. Lasset uns in die Schlacht ziehen auf das unsere Ahnen von unseren Taten singen werden“

Ich frage mich eigentlich, ob das nur deshalb gemacht wird, weil es sich irgendwie „alt“ anhört, oder ist es irgendwie überliefert, das man damals wirklich so sprach?
Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, das der König sagte „Dann ab in die Schlacht, wird schon schief gehen“ und die Schreiberlinge haben das dann entsprechend „geschönt“.

Und wenn sie doch so geredet haben. Haben nur die Adeligen so geredet oder auch das Bäuerliche Volk?
Gibt es irgendwo Schriftsätze (z.B. im Internet) wo man nachlesen kann, wie Menschen damals redeten? Ich denke da vielleicht an irgendwelche Protokolle z.B. von Gerichtsverhandlungen oder ähnliches, wo sehr genau auf den Wortlaut geachtet werden mußte).

Zeitrahmen so „um 1500“…

Würde mich freuen, wenn jemand da bescheid wüsste.

Vielen Dank

Gruß
Andreas

Wenn man mal bedenkt wie sich die Sprache in den letzten 40 Jahren verändert hat? Frag mal Deine Großeltern, oder beobachte Deine Kinder. Ich halte es zumindest für plausibel, dass sich die Sprache tatsächlich in 500 Jahren so stark verändert hat.

Wenn einer aus der Zeit heute leben würde denkt er sich auch bestimmt seinen Teil über unsere Sprache.
Ich kriege ja schon Kopfschmerzen wenn ich mir anhöre wie manche Bevölkerungsschichten miteinander reden.

Aber dass es exakt so ist wie in den Medien dargestellt ist zu bezweifeln.

Servus,

1522 ist ein Werk von einem deutschen Autor erschienen, der von sich sagt, er habe beim Verfassen des Textes „dem Volk aufs Maul geschaut“, d.h. nicht die Sprache benutzt, die ihm von der Universität her geläufig war. Es geht um die Bibelübersetzung von Martin Luther.

Im Web findet man den Text von 1522 und 1546 u.a. hier.

Schöne Grüße

MM

Hallo!

Haben nur die Adeligen so
geredet oder auch das Bäuerliche Volk?

Schon das Mittelalter hatte erfunden - und die jungen Ritter und Fräulein hatten es zu lernen, - wie man sich „hoveliche“/höflich, also bei Hofe, benahm und sprach, im Gegensatz zu denen tumben bauren.
Gruß!
H.

Hallo,

Sprache ändert sich ständig…dazu brauch man nicht erst in das Mittelalter zurückgehen…

Siehe doch heutzutage in D die ganzen denglischen Ausdrücke in unserer Muttersprache…

Hallo Andreas,

die Frage gehört eher ins Brett Sprache, lässt sich aber auch hier klar beantworten. Es ist reine Filmsprache.

Abgesehen davon, dass spätestes Spätmittelalter ist, war damals ohnehin die hochdeutsche Lautverschiebung im Gang. Auch waren die Dialekte noch stärker voneinander unterschieden als heute; es käme also darauf an, wer wo gesprochen hat.

Die Herkunft dieser Filmsprache würde ich im frühen 19.Jh, in der Zeit der Romantik und Wiederentdeckung des Mittelalters verorten.

Gruß,
Andreas

Hallo

Also das sie damals anders gesprochen haben als wir hier ist natürlich außer Frage.

Mir ging es eigentlich nur darum, ob man damals wohl wirklich so „geschwollen“ geredet hat. Ob dies wirklich überliefert ist.
Das man eben Sagte „Sehet dort“ anstatt „Seht dort“.

Gruß
Andreas

Moin Andreas,

im Link findest Du deutsche Sprachzeugnisse ab dem 8. Jahrhundert. Du kannst ziemlich sicher sein, dass diese schriftlichen Zeugnisse dem damaligen mündlichen Sprachgebrauch entsprechen.
Es gab noch keine normierte Grammatik, und jeder schrieb so, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Im Satzbau und in der Wortwahl gab es bestimmt Unterschiede zur gesprochenen Sprache, aber die grammatischen Formen dürften identisch gewesen sein.
http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronolo…

Wenn Du mehr lesen willst, kannst Du wikipedia zuhilfe nehmen. Durch einen Klick auf einen Autor wirst Du oft mit Online-Quellen verlinkt
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutschsprachige_Literatur

Zu Gerichtsprotokollen weiß ich nichts. Allerdings vermute ich, dass damals nicht wirklich Protokolle in wörtlicher Rede angefertigt wurden, sondern eher Verhandlungsberichte. Dazu habe ich keine Links.

Grüße
Pit

P.S.: Du könntest noch im Deutsch-Brett auf Deine Frage hier verweisen, ohne dass dort geantwortet werden soll.

Hallo

Der Link ist sehr interessant. In Vielerlei Hinsicht. Vielen Dank

Ob die Frage besser hier oder in „deutsche Sprache“ passt war für mich gestern auch so die Frage. Fand es hier aber eigentlich besser, weil es ja in erster Linie eine Geschichtliche Frage ist. Bei „Deutsche Sprache“ würde ich jetzt eher Fragen wie „Wie wird das geschrieben und warum“ hinsetzen :smile:

Außerdem ist meine Frage auch eigentlich schon beantwortet.
(Nicht zuletzt durch deine Antwort)

Gruß Andreas

Hallo,

Ich glaube tatsächlich, dass Könige damals geschwollen gesprochen haben. Schließlich mussten sie sich deutlich vom normalen Menschen abheben, anders als heute die Bundeskanzlerin.

Der Begriff „blaublütig“ zeigt, dass sich der Adel durchaus vom normalen Volk differenzieren und sich sozusagen als Menschen von anderem Fleisch und Blut darstellen wollte.

Leider gibt es keine Tonbandaufnahmen aus deser Zeit, nicht mal im Internet, aber ich bin sicher, dass der Unterschied zwischen Regierenden und Regierten - auch sprachlich - damals stärker herausgearbeitet wurde als heute.

MfG
Klaus

Leider gibt es keine Tonbandaufnahmen aus deser Zeit, nicht
mal im Internet, aber ich bin sicher, dass der Unterschied
zwischen Regierenden und Regierten - auch sprachlich - damals
stärker herausgearbeitet wurde als heute.

Hallo
Also ich glaube eigentlich auch nicht, das es im Mittelalter schon Tonbandgeräte gab :smile:

Eines ist sicher. so sprach man frueher bestimmt nicht. Wie man sprach, das wird man nie heruafinden. Im Laufe der Geschichte herrschte immer eine Diglossie, und um es schlimmer zu machen, es war eine Diglossie zweier Arten. Die Sprache des Adels und der herrschnenden Schicht in den Staedten war ander als die Sprache der Leuten im Lande, und die geschriebene Schriftsprache war wiederum ganz unterschiedlich als die gesprochene. Die Schreiblinge fuehlten sich immer als Poeten und haben immer eine poetische Sprache benutzt, welche nicht mal sie selber verstanden. Wikipedia hat einen guten Artikel zur Diglossie.

Mittelhochdeutsch
Hi,
nein, früher sprach man nicht so. Das was Du da meinst, ist Hollywood.
Tatsächlich wurde ausgeprägt in Dialekten gesprochen und erst mit Verbreitung der Schrift (noch lange keine Massenverbreitung) wurde mehr und mehr das Mittelhochdeutsche als Einheitssprache verwendet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelhochdeutsch
http://de.wikipedia.org/wiki/Minnesang
http://de.wikipedia.org/wiki/Walther_von_der_Vogelweide
http://de.wikipedia.org/wiki/Tannh%C3%A4user_%28Dich…
http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fe_Heidelberger…

Die Chronik meiner Familie reicht weit zurück. Ich habe hier Abschriften von Urkunden aus dem 12. Jahrhundert in welchen die Familie erstmalig erwähnt wurde. Der damalige Sprachgebrauch ist für uns heute nahezu unverständlich oder nur sehr sehr schwer verständlich.

Es ist überliefert, dass die Altvorderen (es handelt sich um den sogenannten Deutschen Uradel), zumindest die meinigen, sich einer doch etwas derben Sprache bedienten.

Erst sehr viel später dann, vielleicht so ab Mitte des 18. Jahrhundert, wurde gerne das französische Hofleben (oder zumindest was man dafür hielt) kopiert und nachgelebt. Man sprach französisch, puderte und parfürmierte sich, statt sich zu waschen und trat möglichst arrogant auf.

Es nahm schizophrene Züge an, geradezu patologisch: Man fühlte sich dem Volk verbunden - schliesslich kam der Deutsche Uradel direkt aus dem Volk, sprach im Alltag wie dieses, schufftete im Alltag auf den gleichen Feldern, frass das gleiche Zeugs, litt an den gleichen Krankheiten und soff aus einem Humpen. Dagegen wollte und musste (zumindest nach damaligen Dafürhalten) man sich mit den Anderen vergleichen und gleichziehen, wollte man von denen noch für voll genommen werden. Da kam es dann schonmal, durch den französischen Einfluss, zu etwas verschrobenen Formulierungen - vor allem die dritte Person betreffend :smile:
So habe ich hier einen Brief von König Friedrich II., welcher einen meiner Vorfahren, zu jener Zeit im militärsichen Dienste des Französischen Kaisers, zurück nach Preussen beordert, weil er nicht wolle, dass einer seiner Offiziere für den Franzosen Dienst leiste. Dieser Brief ist auf französich gehalten und spricht den Adressaten in der dritten Person an. Vielleicht sind es solche Sachen, welche Hollywood dann bewogen diese verquaste Kunstsprache zu schaffen.

Freundliche Grüsse
(…)

Hallo

Danke für die Info.

Irgendetwas mußte sich die Filmindustrie ja auch ausdenken, das sich die Filme „alt“ anhören. Aber ich stelle auch fest, das ein authentischer Film mit der entsprechenden Aussprache für den heutigen Hörer vermutlich eher unverständlich wäre. Von daher ist es auch verständlich.

Hintergrund ist eigentlich, das wir hier im Ort eine alte - bisher unscheinbare - Burg haben, die heute ein Biologiezentrum ist.
Weil man sie von Kindauf kennt ist sie halt unscheinbar. Aber kürzlich habe ich in einem Buch ein wenig über die Geschichte der Burg gelesen und das ist gar nicht mal so uninteressant, weswegen ich überlegte die Geschichte weiter zu erforschen und als Buch niederzuschreiben. Eben eine Art „Heimatroman“ :smile:
Deswegen wollte ich wissen, ob ich die Leute „damals“ so reden lassen sollte wie in den Filmen. Aber ich glaube, wenn ich authentisch schreiben würde, halten mich die Leute für bekloppt :smiley:

Das mit Ihren Vorfahren finde ich übrigens wahnsinnig interessant. Meine Wurzeln reichen leider nicht weiter wie die Erinnerungen meiner Mutter, die aus armen Bauernverhältnissen kommt. Mein Vater ist bereits Tot und zu anderen Familienmitgliedern habe ich keinen Kontakt.
Da finde ich es schon ziemlich rümlich, wenn man so weitreichende Erinnerungsstücke von seiner Familie hat. Vor allen Dingen wenn die Adelig waren. Weiß ja jetzt nicht ob der Adelstitel bis heute geblieben ist.

Gruß
Andreas

Burgen, Schlösser und Herrenhäuser
Hi,

Das mit Ihren Vorfahren finde ich übrigens wahnsinnig interessant.

Das ist nicht interessant.

Meine Wurzeln reichen leider nicht weiter wie die Erinnerungen meiner Mutter…

Da irren Sie sicherlich :wink:

Da finde ich es schon ziemlich rümlich, wenn man so weitreichende Erinnerungsstücke von seiner Familie hat.

Das liess sich nicht so richtig vermeiden.

Vor allen Dingen wenn die Adelig waren.

Sind, sind. Aber das ist glücklicherweise völlig bedeutungslos.

Weiß ja jetzt nicht ob der Adelstitel bis heute geblieben ist.

Das Geschlecht existiert noch. Es gab vier Linien. Eine Linie ist bereits erloschen und eine weitere erlischt gerade. Es gibt noch zwei intakte Linien. Sie bewirtschaften die alten Schlösser und Güter teilweise wieder und das ist gut so.

Das mit den Burgen und Schlössern und Herrenhäusern ist so eine Sache.
Man muss unglaubliche Mittel aufwenden - nur allein für den Unterhalt.
Aber das war auch früher schon so. Burgen waren keineswegs immer bewohnt - das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Sie dienten in Friedenszeiten oft als Lagerhäuser oder Speicher und wurden nur im Notfall bezogen. Oft standen sie auch einfach nur leer. Im Verteidugungsfall zog nicht nur der Adel dort ein, sondern alle welche da räumlich rein passten und die versorgt werden konnten. Diese Burgen waren äusserst unbequem und niemand zog da freiwillig ein. Es waren militärische Einrichtungen und häufig waren sie nicht mal fertig gestellt - die meisten wurden nie fertig gestellt.

Auch die Schlösser waren oft ewige Baustellen. Meist waren sie nicht richtig fertig geplant und oft wurden sie bereits wieder umgebaut, bevor sie überhaupt fertig waren. Die Finanzierung war für die meisten Familien (Adelsfamilien) eine echte Herausforderung.

Gut situierter Adel mit einem verantwortungsvollen Familienvorstand zog oft Herrenhäuser vor. Diese waren kostengünstiger in der Erstellung und im Unterhalt, repräsentativ genug und praktisch (vor allem, da die meisten Adelsgeschlechter auch etwas für ihr Auskommen arbeiten mussten -> damals überwiegend in der Land- oder Forstwirtschaft, also Güterbewirtschaftung). Nur wenige Geschlechter hatten richtig gute und gesicherte Einnahmequellen (z.B. Bergwerke). Die Handelsplätze waren unter Kontrolle der grossen Geschlechter und Zölle und andere Abgaben wurden auch nur durch diese eingezogen.

Aber es gab ein relative grosses Heer an nichtbesitzendem Adel. Diese stellten sich in den Dienst anderer Adelsfamilien (als Verwalter, Lehrer, Adjudanten usw.) oder leisteten Militärdienst oder zogen eine kirchliche Karriere vor. Diese hatten weder Schlösser, noch Burgen, noch beeindruckende Herrenhäuser.

Freundliche Grüsse
(…)

Hallo

Doch interessant… Für mich. Weil ich es halt interessant finde. Aber für einem selber ist es sicher nicht so interessant, was ja auch verständlich ist :smile:

Natürlich reichen „meine Wurzeln“ weiter als die Erinnerung meiner Mutter, ich meinte damit ja auch nur, das ich sicher nie erfahren werde, ob und was meine Vorfahren einmal geleistet haben. Von der Linie Väterlicherseits weiß ich zum Beispiel rein gar nichts. Bei meiner Mutter weiß ich eben, das sie aus einer Bäuerlichen Linie kommt. Da wird vermutlich auch nie was großartig besseres gewesen sein.
Ich habe auch nie was besonders erlebt. Naja… Bauernvolk eben :smile:

Schlösser, bzw. deren Architektur finde ich sehr interessant. Ist eben was außergewöhnliches (für mich). Werde wohl demnächst hier in Ostwestfalen/Lippe einige Burgen und Schlösser aufsuchen. Vielleicht werde ich auch das ein oder andere als Modell nachbauen (Hobby).

Das mit den Schlössern früher kann ich mir schon vorstellen. Gerade im Winter kann ich mir vorstellen, das diese „riesigen Klötze“ nahezu unbewohnbar waren. Oder eben nur in einem kleinen Teil.
Aber ein Schloss - oder Burg - von innen „bewusst gesehen“ habe ich eigentlich noch nicht. Meistens sind diese ja den Zuschauern unzugänglich oder man muß an teuren Führungen teilnehmen.
Das hat nichts mit Geiz zu tun, sondern eher was mit dem „Bauernvolk“ und dem niedrigen Einkommen.
Kleinere Beträge zahle ich aber immer gern, da ich weiß, das diese nicht für einen Ferrari sind, sondern für die Schlosserhaltung.
Und das diese „nicht ganz billig ist“ sollte eigentlich jedem klar sein.
Ich finde es immer schade, wenn der Staat für so etwas keine (kaum?) Mittel aufbringt aber für andere „Unsinnigkeiten“ immer Milliarden heraushauen kann…

Gruß
Bauer Andreas :smile: