Hallo!
gegeben ist eine sehr verkehrsreiche, sehr kurvige
Ortsdurchfahrt. In einer Kurve ein Hinweisschild auf einen
Zebrastreifen, dieser selbst in der nächsten Kurve ca. 50 mtr
weiter. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten ist ein von
rechts kommender Fussgänger, der den Zebrastreifen überqueren
will, erst sichtbar, wenn er sich dem Streifen bereits auf
zwei Schritte, ca. 70 cm. genähert hat. Auch der Fussgänger
hat keine Möglichkeit (Spiegel o. ä), die Straße nach links
vorher einzusehen. Da an dieser Stelle ein Werksausgang ist,
ist eine Verlegung des Streifens an eine übersichtlichere
Stelle nicht möglich.
Ein Fussgänger tritt zügigen Schrittes auf den Zebrastreifen
zu, macht den Eindruck, als wolle er ohne Rücksicht auf den
Autoverkehr den Zebrastreifen überqueren. Um einen absehbaren
Zusammenprall zu vermeiden, legt ein Autofahrer eine
Vollbremsung hin, der dicht auffahrende nachfolgende Verkehr
kann nicht mehr reagieren, mehrere Fahrzeuge rasseln
ineinander.
Angenommen, dem Fussgänger ist genau bekannt, dass kaum ein
Autofahrer den Ort mit angemessener Geschwindigkeit fährt,
dass kaum ein Autofahrer an dieser Stelle den notwendigen
Abstand einhält. Dennoch erzeugt er ganz bewusst den Eindruck,
er wolle den Zebrastreifen ohne Rücksicht auf die eigene
Gefahr überqueren (ein typischer ‚Verkehrserzieher‘ halt,
http://www.sat1.ch/auto/automagazin/themen/10592/):
Wird oder kann diesem Fußgänger eine rechtliche Mitschuld an
diesem Unfall gegeben werden?
Würde ich nicht sagen, es sei denn, er hätte die Fahrbahn überraschend betreten (das darf ein Fußgänger nicht - also zB mit dem Rücken zum Zebrastreifen stehen, dann plötzlich umdrehen und auf die Straße fallen), was aber nicht der Fall ist, wenn er ganz normal den Zebrastreifen benutzt. Diese Benutzung kann keinesfalls überraschend gewesen sein, denn den Autofahrern wurde bereits 50m vorher angekündigt, dass ein Zebrastreifen kommen wird - da wäre die Geschwindigkeit jedenfalls so anzupassen gewesen, dass auf einen Fußgänger normal reagiert werden kann.
Zweitens darf generell nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der eingesehenen Strecke angehalten werden kann. Ist die Sichtweite daher so kurz, dann is die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen.
In dem konkreten Fall ist es wohl so, dass jedenfalls der nachfolgende Verkehr, der aufgefahren ist, mit zu wenig Sicherheitsabstand unterwegs war! Überraschend konnte die Bremsung des Vordermannes vor einem Zebrastreifen, der noch dazu im Ortsgebiet 50m (das ist 10m mehr als der gesetzlich längst vorgeschriebene Anhalteweg!) vorher angekündigt war, keinesfalls sein. Ist es doch eine geradezu typische Situation, dass ein Fußgänger einen Zebrastreifen benutzt und das hiefür anzuhalten ist. Von Überraschung kann wirklich keine Rede sein.
Mit welchen Folgen muss der
Fußgänger rechnen, wenn es durch diesen Unfall zu
Personenschäden Dritter kommt? Oder hat der Fußgänger aufgrund
des Zebrastreifens quasi einen Freibrief (moralische Aspekte
oder die Frage der Beweisbarkeit möchte ich hier mal aussen
vor lassen)?
Er hat keinen Freibrief, er kann sich aber, so wie auch die Autofahrer, darauf verlassen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer (zB Autofahrer) die Verkehrsvorschriften einhalten. Eine andere Sichtweise würde dem Autofahrer Vorrechte ohne sachliche Begründung einräumen. Weiters wäre es sehr merkwürdig, könnten die Autofahrer ihr eigenes Fehlverhalten (zu knapp auffahren) jemandem anderen anhängen. Der Fußgänger wird hier nur gleich behandelt, wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch, da er sich nunmal völlig zu Recht darauf verlassen darf, dass die Autofahrer eben nicht schneller fahren als gesetzlich erlaubt bzw. den Sicherheitsabstand einhalten.
Anders wäre die Situation, wenn der Fußgänger konkret bereits erkennen kann, dass ein Auto zu schnell fährt und ein sicheres Anhalten nicht mehr möglich ist. Betritt der Fußgänger in dieser Situation, trotz konkret erkanntem Fehlverhalten, den Zebrastreifen, handelt er rechtswidrig - was im Falle eines Unfalles jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden des Fußgängers bedeuten würde. In dieser Art komme Fälle in der Praxis auch häufig vor - meistens sind das aber Autofahrer, die sich nur um des Recht habens Willen den Vorrang erzwingen, obwohl sie bereits erkennen können, dass sich jemand anderer nicht daran halten wird.
Gruß
Tom