Hallo Karl,
Ich stütze mich auf „Geschichte griffbereit“ von I. Geiss,
dort Band 1, dort das sehr instruktive Kapitel „Die
Turkmongolischen Völker Zentralasiens“, wo auch der Begriff
„turkmongolisch“ kritisch eingeführt wird.
danke für den Hinweis, der meine Skepsis allerdings nicht beseitigt. Gehören nach Geiss die Magyaren tatsächlich zu den „turkmongolischen Völkern Zentralasiens“? Wie schon gesagt gehört Ungarisch weder zu den Turk- noch zu den mongolischen Sprachen. Auch ist die südliche Ukraine, wo diese Ethnie historisch als erstes auftaucht (und wohl auch entstand) ziemlich weit weg von Zentralasien. Auch die sprachlich nächsten Verwandten, die westsibirischen Mansen und Chanten, sind immer noch ziemlich weit von Zentralasien entfernt.
Sicherlich waren bei der Entstehung der magyarischen Ethnie auch turksprachige Elemente (mit ziemlicher Sicherheit Proto-Bulgaren) beteiligt - aber, wie schon gesagt, in der Ukraine.
Grundsätzlich ist hier die Unterscheidung zwischen ‚asiatischen‘ und ‚europäischen‘ Völkern ohnehin unsinnig, da der Lebensraum der eurasischen Steppe (von der Mandschurei im Osten bis zur ungarischen Tiefebene im Westen) beide Kontinente ohne wahrnehmbare Grenzen verbindet. Die dort lebenden Reitervölker hatten stets eine recht homogene Lebens- und Wirtschaftsweise, was gegenseitige Vermischungen und die Bildung von Stammesverbänden aus unterschiedlichen Elementen begünstigte - gerade Hunnen, Awaren und auch Magyaren waren solche Bildungen.
Was darauf hinweist, dass die genaue Unterscheidung zwischen
„Turkvolk“ , „Mongolisch“ und anderen Völkern des tiefen
Osteuropas bzw. Zentralasiens schwierig und vielleicht
strittig ist.
Sie ist mE sogar unsinnig bzw. willkürlich, wenn sie sich an anthropologischen (um nicht zu sagen ‚rassischen‘) Merkmalen orientiert und nicht an der Sprache - also an einem (dem wohl bedeutendsten) kulturellen Merkmal. Die ansonsten recht homogene Kultur rechtfertigt es, generell von ‚Reitervölkern‘ oder ‚eurasischen Nomaden‘ zu sprechen. Eine weitere Differenzierung ist, wie schon gesagt, eigentlich nur anhand des Kulturelements Sprache sinnvoll - und da gibt bzw. gab es nun einmal Sprecher altaiischer Sprachen (Turkvölker, Mongolen, Mandschu usw.), uralischer Sprachen (z.B. Magyaren) und indoeuropäischer Sprachen (Skythen, Parther, Alanen …). Die Definition einer zentralasiatischen „turkmongolischen“ Gruppe aufgrund gemeinsamer spezifischer kultureller oder meinetwegen auch anthropologischer Merkmale mag da nun sinnvoll sein - aber ich sehe keinen Grund, warum ausgerechnet die Magyaren darunter einzuordnen sein sollten.
Freundliche Grüße,
Ralf