Hotelbewertungen
Hallo,
Woher kommt das?
das kommt daher, daß die Kritiken von den falschen Leuten geschrieben werden, nämlich von Menschen, die nicht wissen, wie so eine Kritik/eine Bewertung richtig funktioniert.
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Schritt: Formulierung der Anforderungen
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Schritt: Erfassung und Beschreibung der Situation
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Schritt: Bewertung
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Schritt: Formulierung der Anforderungen
Dummerweise erfährt man darüber selten etwas. Wie schon richtig geschrieben wurde, lassen manche Schritt 1 schon aus und wundern sich dann, daß nicht formulierte Erwartungen nicht erfüllt wurden bzw. die eigenen Erwartungen gar nicht erst für sich selbst ermittelt wurden. In diesen Fällen wird dann entweder die Abweichung von der eigenen Erwartung thematisiert oder einfach nur herumgenöhlt bzw. gejubelt.
Ich erinnere mich noch gut an eine Kritik, die absolut euphorisch war: Hotel super (großzügige Anlage, riesiger Pool, Essen super (=reichhaltig, abwechslungsreich und lecker), Personal super (=liest jeden Wunsch von den Augen ab, nett, freundlich und hilfsbereit).
Komischerweise deckte sich das überhaupt nicht mit meinen eigenen Erfahrungen und auch nicht mit denen der anderen Gästen. Lösung des Rätsels: es handelte sich um ein Pärchen im Alter von 18 und 19 Jahren, das anscheinend im Zustand höchster Verliebtheit zum ersten mal allein eine Reise in den Süden unternommen hatte und sich in einer Welt von Luxus und Service versetzt wähnte, obwohl es nur in einer durchschnittlichen Bude mit gelangweiltem Personal (aber Kofferservice) und bestenfalls durchschnittlichem Essen gelandet war.
Genauso las ich mal eine Bewertung eines traumhaften Hotels, in dem ich selber dreimal gewesen bin, in der sich der Gast über „die schlechteste Pizza der Welt“ und „saure Früchte“ am Tisch beschwerte. Das Hotel befand sich in der Domikanischen Republik, wo man a) keine Pizza ißt und b) die Früchte innerhalb der Anlage direkt vom Baum pflückte (und nicht aus dem Joghurt pult).
- Schritt: Erfassung und Beschreibung
Dieser Schritt wird augenscheinlich ungern zu Papier gebracht. Es wird gemeckert und gelobt, aber - wie von A.A. schon beschrieben - ohne zu sagen, warum man lobt bzw. kritisiert. Das macht die Wertung der Berichte dann schon einmal etwas schwierig.
Wird katastrophaler Service und Desinteresse am Gesundheitszustand der Gäste bemängelt, wertet man das erst einmal als eher schlecht. Kann man dann jedoch lesen, daß sich eine junge Mutter mit diesen Worten darüber beklagt, daß der Arzt, der auf eigene Rechnung und Initiative normalerweise einmal in der Woche im Hotel aufschlägt, nicht erschien, um das erkrankte Kind zu behandeln, kann man das wieder anders werten.
Aus diesem Grunde beschreibe ich in meinen Kritiken die vorgefundene Situation ausführlich und beschränke mich bei der Bewertung auf die dafür vorgesehenen Sterne oder Sonnen.
- Schritt: Bewertung
Um vernünftig bewerten zu müssen, muß man wenigstens eine rudimentäre Werteskala haben. Das geht den meisten ab. Eine in sich konsistente Differenzierung über drei, vier oder fünf Stufen ist schwierig. Es gibt die Tendenz zur Mitte, die Marktforscher in die Verzweiflung treiben kann, aber meistens bei abstrakten Fragen auftritt - also wenn keine persönliche Betroffenheit besteht.
Bei persönlicher Betroffenheit weicht die Tendenz zur Mitte bei vielen Menschen einer Neigung zu Extremen. Wenn der Portier pennt und eine Kakerlake an der Wand hängt, führt das bei manchen Leuten dazu, daß anschließend alles zur Katastrophe und jedes Haar in der Suppe gefunden wird. Hat man gleichzeitig noch Streß mit dem Partner oder sich beklauen lassen, kann das 3 Sterne-Menü auch auf einem Goldteller serviert werden und die Gastronomie wird trotzdem als Zumutung beschrieben werden.
Ein Hotel mit schlechter Bewertung im Service und beim Essen wird bei der Lage kaum bessere Bewertung als durchschnittlich erhalten, selbst wenn es alleine an einem endlosen, einsamen Strand steht und sich in 50 Metern Entfernung Einkaufsgelegenheiten und kulturelle Highlights befinden.
Am Ende liegt es also an den Bewertern: unklare Erwartungen, die Unfähigkeit, persönliche Erlebnisse objektiv und sachlich zu bewerten, fehlende Vergleichsmöglichkeiten (oder Unwille, diese zu nutzen) und natürlich Probleme, Ursache und Wirkung bzw. die Verursacher von Sachverhalten richtig zu erkennen bzw. zuzuordnen.
Geschäftlich motivierte Bewertungen sind natürlich eine ganz andere Baustelle, deren Bedeutung ich nicht beurteilen kann.
Gruß
Christian