Hallo,
Eine Freundin von mir äußerte einst den Satz „Wasser hol ich dann noch frisches!“ — das bezog sich auf Trinkwasser für einen Hasen.
Als Linguist fiel mir dieser Satz sofort auf. Klar verständlich ist er ja, aber er klingt schon seltsam. Als Deskriptivist und Bastian-Sick-Verachter hüte ich mich aber davor, den Satz gleich als „falsch“ abzustempeln.
Der Satz ist schon interessant, wenn man ihn mit parallelen (und denkbar möglichen) Äußerungen vergleicht:
• Saft trinke ich immer frisch gepressten.
• Eier kauf ich dann noch neue.
• Fahrräder haben wir nur noch alte.
Mit dem Singular würde ich solche Sätze nicht durchgehen lassen. Sowas wie *Trieb hat die Pflanze einen jungen. sind meiner Meinung nach definitiv ungrammatisch.
Interessant finde ich beim Originalsatz übrigens die Prosodie, die das „Wasser“ eindeutig in die Fokusposition hebt, die man bei „Ich hol dann noch frisches Wasser.“ nicht so hätte. Außerdem frage ich mich, ob „Wasser“ hier irgendeine seltsame semantische Rolle annimmt, zu der mir keine Bezeichnung einfällt außer „Partitiv“ (wer Finnisch oder Jakutisch kann, kennt die Bezeichnung sicherlich)… es ist irgendwie weder Agens noch Patiens noch Benefizient. Ist die Rolle vielleicht ähnlich wie bei „Ich nehme mir noch ein Stück Brot.“?
Denn wenn ich über den Satz nachdenke, klingt es, als wähle man von einer unspezifischen Menge Wasser eine bestimmte Menge, die die Eigenschaft frisch enthält. Bei „Ich hol dann noch frisches Wasser“ habe ich diesen Eindruck aber nicht.
Ein definitiv grammatischer Satz, der syntaktisch sehr ähnlich ist, wäre z.B. auch „Die Äpfel ess ich immer alle.“ , hier haben wir einen Artikel, aber ich finde, auch ohne klingt der Satz in Ordnung, wenn durch den Kontext bekannt ist, dass die Äpfel eine bestimmte Menge darstellen (z.B. abgepacktes gemischtes Obst). Allerdings ist „alle“ hier ein Quantor, der sich auf die Äpfel bezieht… im Wasser-Satz ist’s ein einfaches adjektivisches Attribut.
So. Ich habe nur eine konkrete Frage: Ist der obengenannte Satz grammatisch?
…ansonsten würd ich gerne eine Diskussion in Gang bringen, über die Semantik und Syntax dieses Satzes. Würde mich sehr interessieren. Gerne auch über die Prosodie oder irgendwas. Sagt, was euch einfällt, warum sich der Satz für mich komisch angehört haben könnte oder warum ihr ihn definitiv „falsch“ findet.
Interessieren täten mich auch weitere Umstellungen oder Hinzufügungen von Präpositionen und was-weiß-ich-nicht-noch-alles, die den Satz (in)akzeptabler machen könnten.
Grüße richte ich euch liebe aus und Nächte wünsche ich euch gute!
- André