'Wasser hol ich dann noch frisches.'

Hallo,
Eine Freundin von mir äußerte einst den Satz „Wasser hol ich dann noch frisches!“ — das bezog sich auf Trinkwasser für einen Hasen.

Als Linguist fiel mir dieser Satz sofort auf. Klar verständlich ist er ja, aber er klingt schon seltsam. Als Deskriptivist und Bastian-Sick-Verachter hüte ich mich aber davor, den Satz gleich als „falsch“ abzustempeln.

Der Satz ist schon interessant, wenn man ihn mit parallelen (und denkbar möglichen) Äußerungen vergleicht:
• Saft trinke ich immer frisch gepressten.
• Eier kauf ich dann noch neue.
• Fahrräder haben wir nur noch alte.

Mit dem Singular würde ich solche Sätze nicht durchgehen lassen. Sowas wie *Trieb hat die Pflanze einen jungen. sind meiner Meinung nach definitiv ungrammatisch.

Interessant finde ich beim Originalsatz übrigens die Prosodie, die das „Wasser“ eindeutig in die Fokusposition hebt, die man bei „Ich hol dann noch frisches Wasser.“ nicht so hätte. Außerdem frage ich mich, ob „Wasser“ hier irgendeine seltsame semantische Rolle annimmt, zu der mir keine Bezeichnung einfällt außer „Partitiv“ (wer Finnisch oder Jakutisch kann, kennt die Bezeichnung sicherlich)… es ist irgendwie weder Agens noch Patiens noch Benefizient. Ist die Rolle vielleicht ähnlich wie bei „Ich nehme mir noch ein Stück Brot.“?
Denn wenn ich über den Satz nachdenke, klingt es, als wähle man von einer unspezifischen Menge Wasser eine bestimmte Menge, die die Eigenschaft frisch enthält. Bei „Ich hol dann noch frisches Wasser“ habe ich diesen Eindruck aber nicht.
Ein definitiv grammatischer Satz, der syntaktisch sehr ähnlich ist, wäre z.B. auch „Die Äpfel ess ich immer alle.“ , hier haben wir einen Artikel, aber ich finde, auch ohne klingt der Satz in Ordnung, wenn durch den Kontext bekannt ist, dass die Äpfel eine bestimmte Menge darstellen (z.B. abgepacktes gemischtes Obst). Allerdings ist „alle“ hier ein Quantor, der sich auf die Äpfel bezieht… im Wasser-Satz ist’s ein einfaches adjektivisches Attribut.

So. Ich habe nur eine konkrete Frage: Ist der obengenannte Satz grammatisch?

…ansonsten würd ich gerne eine Diskussion in Gang bringen, über die Semantik und Syntax dieses Satzes. Würde mich sehr interessieren. Gerne auch über die Prosodie oder irgendwas. Sagt, was euch einfällt, warum sich der Satz für mich komisch angehört haben könnte oder warum ihr ihn definitiv „falsch“ findet.
Interessieren täten mich auch weitere Umstellungen oder Hinzufügungen von Präpositionen und was-weiß-ich-nicht-noch-alles, die den Satz (in)akzeptabler machen könnten.

Grüße richte ich euch liebe aus und Nächte wünsche ich euch gute!

  • André

Nachtrag!
Nachtrag!
Mir ist eine bessere Parallelkonstruktion eingefallen, die definitiv möglich ist im Deutschen. Und zwar: Äpfel möchte ich keine.

Auch hier ist „keine“ ein Quantor. Es scheint, als sei die Grundfrage also: Können nur Quantoren in dieser Position stehen oder auch ganz normale Adjektive? Wäre also z.B. Äpfel möchte ich rote. grammatisch?

Uiuiui ist das spannend! :smiley:

  • André

DER GANZE RELEVANTE SATZTEIL steht am Satzanfang
Hallo, André

IM DEUTSCHEN steht der ganze semantisch relevante Satzteil (das muss
nicht die Satzbetonung sein) am Anfang des Satzes. WENN DAS SUBJEKT
NICHT RELEVANT IST, wird es hinter das Prädikat an die dritte
Stelle verschoben:

„WASSER hole ich dann noch.“ (Ich vergesse deinen Auftrag nicht.)
„FRISCHES WASSER hole ich dann noch.“

Saft trinke ich immer frisch gepressten.

„FRISCH GEPRESSTEN SAFT trinke ich immer.“

Eier kauf ich dann noch neue.

„NEUE EIER kaufe ich dann noch.“

PRO SATZ sollte nur eine relevante Aussage gemacht werden; ZWEI
BETONUNGEN IN EINEM SATZ sind aber möglich:

Fahrräder haben wir nur noch alte.

„FAHRRÄDER haben wir noch.“
„ALTE FAHRRÄDER haben wir noch.“

Die Äpfel ess ich immer alle.

„ÄPFEL esse ich immer.“
„ALLE ÄPFEL werden gegessen!“

Äpfel möchte ich keine.

„ÄPFEL möchte ich nicht.“

http://www.phonetik.uni-muenchen.de/AP/APKap3.html

Gruss
Adam

Hallo, André,
ist es nicht so, dass durch die Voranstellung des Objektes ein Unterschied betont werden soll?
„Möhren hat das Kaninchen schon. Wasser hole ich gleich frisches.“
„Äpfel mag ich nur rot. Birnen können meinetwegen gelb sein.“
Gruß
Eckard

Moin,

Eine Freundin von mir äußerte einst den Satz „Wasser hol
ich dann noch frisches!“
— das bezog sich auf Trinkwasser
für einen Hasen.

Als Linguist fiel mir dieser Satz sofort auf.

Ich kenne viele solche Sätze und höre sie oft. Ich benutze sie sogar manchmal.

Als
Deskriptivist und Bastian-Sick-Verachter hüte ich mich aber
davor, den Satz gleich als „falsch“ abzustempeln.

Da liegst Du vermutlich auch richtig mit :smile:

Der Satz ist schon interessant, wenn man ihn mit parallelen
(und denkbar möglichen) Äußerungen vergleicht:
• Saft trinke ich immer frisch gepressten.
• Eier kauf ich dann noch neue.
• Fahrräder haben wir nur noch alte.

Mit dem Singular würde ich solche Sätze nicht durchgehen
lassen. Sowas wie *Trieb hat die Pflanze einen jungen.
sind meiner Meinung nach definitiv ungrammatisch.

Das klingt tatsächlich falsch, hat aber nichts mit dem Numerus zu tun.
Der Saft oben ist auch Singular, und beim Fahrrad kann man sagen:
„Fahrrad hab ich nur ein altes.“

So. Ich habe nur eine konkrete Frage: Ist der obengenannte
Satz grammatisch?

Ich sage: ja.

…ansonsten würd ich gerne eine Diskussion in Gang bringen,
über die Semantik und Syntax dieses Satzes. Würde mich sehr
interessieren.

Ich interpretiere den Satz als Ellipse, in dem in der zweiten Satzhälfte „und zwar“ getilgt wurde:

„Wasser hol ich dann noch, und zwar frisches“.

Ich sehe das als eine Art der Betonungserzeugung, die einerseits das wasser in den Fokus stellt, und andererseits präzisiert/einschränkt, daß es um frisches solches geht.

Ähnlich auch die anderen Beispielsätze.

Gruß

Kubi

Hallo Adam,

Saft trinke ich immer frisch gepressten.

„FRISCH GEPRESSTEN SAFT trinke ich immer.“

Diese beiden Sätze haben doch eine völlig unterschiedliche Bedeutung, wobei mir dein Beispielsatz nichtmal sinnvoll erscheint. Was soll ich denn mit dem Saft sonst tun, außer ihn zu trinken?

Ich sage „Ich trinke immer frisch gepressten Saft“, wenn ich betonen möchte, dass der Saft frisch gepresst sein muss. Also steht hier, entgegen deiner These, das Wichtigste am Ende des Satzes. Dies allerdings nur in Schriftform - gesprochen kann der Satz durch Betonung vieles bedeuten. „Ich trinke immer frisch gepressten Saft“, wenn der Gastgeber nörgelt, für wen er sich die Mühe macht. „Ich trinke immer frisch gepressten Saft“, wenn jemand fragt, warum ich denn die Orangen malträtiere.

Eier kauf ich dann noch neue.

„NEUE EIER kaufe ich dann noch.“

Hier erschließt sich mir der Sinn/Unterschied nicht. Wieso muss überhaupt „neue“ in den Satz? Waren die „alten Eier“ faul? Sind sie runtergefallen?

Wenn ich Eier brauche, aber bemerke, dass keine mehr im Haus sind, sage ich „Eier kaufe ich noch“. Wenn ich aber aus dem Haus gehe und jemand fragt mich, warum, sage ich „Ich kaufe noch Eier“.

PRO SATZ sollte nur eine relevante Aussage gemacht werden;
ZWEI BETONUNGEN IN EINEM SATZ sind aber möglich:

Fahrräder haben wir nur noch alte.

„FAHRRÄDER haben wir noch.“
„ALTE FAHRRÄDER haben wir noch.“

Warum diese verdrehte Satzstellung? Ich würde sagen: „Wir haben (nur) noch alte Fahrräder“.

Gruß
Markus

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Hallo Eckard,

ist es nicht so, dass durch die Voranstellung des Objektes ein
Unterschied betont werden soll?
„Möhren hat das Kaninchen schon. Wasser hole ich gleich frisches.“

Sehe ich eher wie eine Aufzählung dessen, was das Kaninchen (noch) alles braucht:

  1. Möhren -> hat’s schon.
  2. Wasser -> hole ich noch.

Daraus werden dann - gesprochen - genau deine Sätze.

Sagte mir aber jemand, ohne diesen Zusammenhang der Aufzählung, „Möhren hat das Kaninchen“ wenn er meint, „das Kaninchen hat Möhren“, zweifelte ich eher daran, dass Deutsch die Muttersprache des Sprechers ist.

Gruß
Markus

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Hallo,

ich versuche mal, eine Ordnung in die bisherigen Erklärungsansätze zu bringen:

Saft trinke ich immer frisch gepressten.

„FRISCH GEPRESSTEN SAFT trinke ich immer.“

Diese beiden Sätze haben doch eine völlig unterschiedliche Bedeutung

Richtig. Wir haben hier zwei verschiedene Fälle von Topikalisierung. Vereinfacht gesprochen bedeutet dieser Begriff, 1967 von John Robert Ross eingeführt, dass ich ein Element in eine syntaktisch prominente Position bewege, in der es andernfalls nicht stehen würde, also beispielsweise an den Satzanfang, um seine Bedeutung zu betonen. Ein Beispiel:

(1) Fritz ist leider dumm geblieben.
(2) Dumm ist Fritz leider geblieben.

(1) ist die Normalstellung, (2) die Abfolge, in der »dumm« topikalisiert ist. In diesem Fall haben wir nur ein Wort, das wir topikalisieren wollen. Das ist praktisch, da wir nichts auseinandernehmen können und müssen. Das »Gegenteil« einer Topikalisierung wäre übrigens eine Fokussierung: Hierbei bleibt das Argument an Ort und Stelle, wird aber durch Betonung hervorgehoben. Nun zu den Getränken:

(3) Ich trinke immer frisch gepressten Saft.
(4) Frisch gepressten Saft trinke ich immer.
(5) Saft trinke ich immer frisch gepressten.

Bei (4) und (5) haben wir jeweils eine Topikalisierung, die – sagen wir mal – aus der Normalposition (3) entstanden ist. Allerdings ist die Konstituente, die bzw. aus der etwas topikalisiert werden soll, mehrteilig. Nun kommt das Phänomen ins Spiel, das André angesprochen hat: die Split-NP-Topikalisierung (SNPT). Ich splitte eine Nominalphrase (NP), bevor ich einen Teil davon topikalisiere. Als semantischer Effekt der SNPT zeigt sich, dass die kontrastive Absicht in (4) und (5) nicht dieselbe ist. (4) kontrastiert mit einem Satz, bei dem der Kern der Nominalphrase (Y) problemlos bestehen bleiben kann, wenn ein neuer Modifikator (Z statt X) hinzukommt:

(6) [Frisch gepressten]X [Saft]Y trinke immer, [Saft]Y [aus dem Tetrapak]Z lasse ich stehen.

Bei (5) hebe ich nicht gleich die gesamte Nominalphrase (NP) »frisch gepresster Saft« hervor, sondern zunächst nur deren Kern. Ich muss sie aufbrechen, um den Bestandteil »Saft« (auch: NP-TOPIC) ins Vorfeld des Satzes bringen und ihm eine inhaltliche Präzisierung durch den Rest der NP (auch: NP-REMNANT) folgen lassen zu können. Das Ergebnis ist, dass ich nicht – wie in (6) – nur einen neuen Modifikator einführen kann, sondern die vollständige Nominalphrase (NP) austauschen sollte.

(7) a. # Saft trinke ich immer frisch gepressten, Saft trinke ich nie aus dem Tetrapak.
(7) b. *? Saft trinke ich immer frisch gepressten, Saft nie aus dem Tetrapak.
(8) a. Saft trinke ich immer frisch gepressten, Tee trinke ich auch aus dem Tetrapak*.
(8) b. Saft trinke ich immer frisch gepressten, Tee auch aus dem Tetrapak.
(* Ich hätte hier lieber etwas anderes als »aus dem Tetrapak« geschrieben, aber der Vergleichbarkeit halber …)

(7a) ist zwar möglich, aber sicher nicht so unmarkiert wie (6); (7b) halte ich platterdings für sehr merkwürdig bis falsch. Mit einem kompletten NP-Wechsel wie in (8a–b) erledigen sich sämtliche Probleme. Wir sehen also, dass die SNPT andere semantische Effekte zeigt und anderen syntaktischen Restriktionen unterliegt als die »normale« Topikalisierung.

Was soll ich denn mit dem Saft sonst tun, außer ihn zu trinken?

Ich weiß nicht, was Adam mit seinen Versalien ausdrücken wollte, aber ich vermute die Betonung in »Frisch gepressten Saft trinke ich immer.« intuitiv nicht auf dem Verb, auch wenn das natürlich denkbar wäre: »Frisch gepressten Saft trinke ich immer, und gebe ihn nicht meinem Meerschweinchen.« Ob die Situation oder eine andere, in der dieser Satz vorkommen könnte, plausibel ist, muss man gesondert beantworten.

Warum diese verdrehte Satzstellung?

Ich hoffe, ich habe alles richtig erklärt und damit auch diese Frage beantwortet. (Split-)Topikalisierung ist eine fakultative Wortstellung im Deutschen, die uns erlaubt, bestimmte Satzbestandteile einzeln hervorzuheben. Diesen Weg wird man vor allem wählen, wenn dies durch Intonation nicht gewollt oder – in einem geschriebenen Text – nicht möglich ist.

Gruß
Christopher

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Hallo André,

Mir ist eine bessere Parallelkonstruktion eingefallen, die
definitiv möglich ist im Deutschen. Und zwar: Äpfel möchte
ich keine.

Auch hier ist „keine“ ein Quantor. Es scheint, als sei die
Grundfrage also: Können nur Quantoren in dieser Position
stehen oder auch ganz normale Adjektive? Wäre also z.B.
Äpfel möchte ich rote. grammatisch?

Uiuiui ist das spannend! :smiley:

Nein, da müsste nach meinem Dafürhalten ein Partitiv zum Ausdruck kommen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Partitiv

„_ Von Äpfeln/ Der Äpfel möchte ich nur rote.“_
(Letzters klingt zugegebenermaßen etwas gestelzt.)

„Äpfel möchte ich keine“ würde ich auch nicht sagen, sondern „Äpfel möchte ich nicht.“ oder „Ich möchte keine Äpfel“.

Selbst der Weihnachtsmann, der in dieser Jahreszeit die Nüsse und Äpfel bringt, würde ja auch kaum sagen sagen: „_ Elche möchte ich welche _“.

Wir würden natürlich alle am einfachsten sagen, „Ich möchte drei Äpfel“.

Von den Äpfeln möchte ich drei“ wäre auch auch noch ohne Zusammenhang mit anderen Wünschen akzeptabel, aber „(Der) Äpfel/An Äpfeln möchte ich drei“ ergäbe nach meinem Sprachgefühl nur dann einen Sinn, wenn die Menge an Äpfeln von der gleichzeitig gewünschten Menge an z.B. Nüssen zu differenzieren wäre.

Gruß Gernot

Übrigens: Unter den Nüssen bevorzuge ich den Madelkern!
:wink:

Hallo Eckard,

ist es nicht so, dass durch die Voranstellung des Objektes ein
Unterschied betont werden soll?
„Möhren hat das Kaninchen schon. Wasser hole ich gleich frisches.“

Sehe ich eher wie eine Aufzählung dessen, was das Kaninchen
(noch) alles braucht:

  1. Möhren -> hat’s schon.
  2. Wasser -> hole ich noch.

Ja, ich denke, so in der Art war der Satz entstanden… Er wurde während der „Raubtierfütterung“ des Kaninches geäußert. :smile:

Gruß,

  • André

Hallo Adam,

Saft trinke ich immer frisch gepressten.

„FRISCH GEPRESSTEN SAFT trinke ich immer.“

Diese beiden Sätze haben doch eine völlig unterschiedliche
Bedeutung, wobei mir dein Beispielsatz nichtmal sinnvoll
erscheint. Was soll ich denn mit dem Saft sonst tun,
außer ihn zu trinken?

Ich sage „Ich trinke immer frisch gepressten Saft“, wenn ich
betonen möchte, dass der Saft frisch gepresst sein muss. Also
steht hier, entgegen deiner These, das Wichtigste am Ende des
Satzes. Dies allerdings nur in Schriftform - gesprochen kann
der Satz durch Betonung vieles bedeuten. „Ich trinke
immer frisch gepressten Saft“, wenn der Gastgeber nörgelt, für
wen er sich die Mühe macht. „Ich trinke immer frisch
gepressten Saft“, wenn jemand fragt, warum ich denn die
Orangen malträtiere.

Das ist wahr. Der von mir geschriebene Satz bedeutet z.B. soviel wie „Ich trinke meine Saft nur, wenn er frisch gepresst ist! Tütensaft kommt mir nicht in die Tüte!“; während der umgeformte Satz hier nicht wirklich viel Aussagekraft besitzt.
Das stimmt, also durch einfache Umstellung geht die Aussage verloren.

Eier kauf ich dann noch neue.

„NEUE EIER kaufe ich dann noch.“

Hier erschließt sich mir der Sinn/Unterschied nicht. Wieso
muss überhaupt „neue“ in den Satz? Waren die „alten Eier“
faul? Sind sie runtergefallen?

Naja, ach doch… stell dir vor, ich wollte einen Kuchen backen und stelle plötzlich fest, die Eier, die ich im Kühlschrank habe, sind alle schon modrig und faul. Hier ist das „neue“ wohl weniger dazu da, die Eier näher zu bestimmen, aber wenn im Diskurs bereits von (faulen) Eiern die Rede wahr, sollte man die neu zu kaufenden schon unterscheiden, auch wenn’s logisch eigentlich klar ist:
„Mist, die Eier hier sind schlecht! Mehl brauch ich nicht zu kaufen, den haben wir noch… aber Eier hol ich dann noch neue.“

Hier kann man das „neue“ natürlich weglassen, aber ich denke, es klingt natürlicher damit.

PRO SATZ sollte nur eine relevante Aussage gemacht werden;
ZWEI BETONUNGEN IN EINEM SATZ sind aber möglich:

Fahrräder haben wir nur noch alte.

„FAHRRÄDER haben wir noch.“
„ALTE FAHRRÄDER haben wir noch.“

Warum diese verdrehte Satzstellung? Ich würde sagen: „Wir
haben (nur) noch alte Fahrräder“.

Das geht schon, auch hier lassen sich mögliche Situationen finden, die gar nicht so aus der Luft gegriffen sein müssen:

  1. „Haben Sie noch neue Fahrräder?“ — „Fahrräder haben wir nur noch alte.“
  2. „Neue Fahrräder haben Sie wohl nicht mehr, oder?“ — „Nee… aber alte Fahrräder haben wir noch.“

Hier ist die Aussage die gleiche.

Gruß
Markus

Gruß,

  • André

Hallo Christopher,

(4) Frisch gepressten Saft trinke ich immer.
(5) Saft trinke ich immer frisch gepressten.

Satz (4) OK, aber Satz (5) würde ich schlichtweg für ungrammatisch halten.

Warum nicht einfach:

(5a) Saft trinke ich immer frisch gepresst?

Was soll ich denn mit dem Saft sonst tun, außer ihn zu trinken?

Ihn z.B. ausscheiden? Urin ist ein ganz besonderer Saft , man muss ihn aber nicht unbedingt trinken, es sei denn als Foetus.

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Gruß Gernot

Das ist genial! Vielen Dank, Christopher! Ich denke, ich verstehe das Prinzip (muss es mir aber nochmal verinnerlichen, Syntax ist nicht gerade meine Stärke)… vor allem auch sehr praktisch, zu wissen, wie man so eine Konstruktion nennt — ich meine, den Namen Split-NP-Topikalisierung auch schon einmal in einer Vorlesung gehört zu haben.

Eine Frage dazu noch:
Lässt sich mit dieser Erklärung syntaktisch ein Unterschied zwischen „Wasser hol ich frisches.“ und „Äpfel ess ich keine.“ feststellen bzw. erklären? Als Nichtsyntaktiker fiel mir hier zuerst eben auf, dass im 2. Satz ein Quantor benutzt wird. Und entgegen einiger Aussagen weiter unten im Thread würde ich meinen, dass der 2. Satz definitiv standardsprachlich (wenn auch nicht prosodisch neutral) ist, während der 1. zumindest leicht unüblich erscheint.

Vielleicht könnte das damit zu tun haben?

Gruß,

  • André

Hallo Christopher,

(4) Frisch gepressten Saft trinke ich immer.
(5) Saft trinke ich immer frisch gepressten.

Satz (4) OK, aber Satz (5) würde ich schlichtweg für
ungrammatisch halten.

Dem würde ich vehement widersprechen… aber vielleicht habe ich mich auch mit diesen Sätzen zu lange beschäftigt, so dass sie mir zu gewohnt erscheinen.

Beispielsituation:
A: „Ist Milch aus dem Tetrapak okay?“
B: „Ja.“
A: „Und Saft?“
B: „Saft trinke ich immer frisch gepressten.“

Ich frage mich, ob Menschen, die sich gar nicht mit Linguistik oder der Deutschen Sprache groß beschäftigen, sich in so einer Situation über den letzten Satz wundern würden oder ob sie überhaupt bemerken würden, dass er komisch ist.

Grüße,

  • André

Moin,

Eine Freundin von mir äußerte einst den Satz „Wasser hol
ich dann noch frisches!“
— das bezog sich auf Trinkwasser
für einen Hasen.

Als Linguist fiel mir dieser Satz sofort auf.

Ich kenne viele solche Sätze und höre sie oft. Ich benutze sie
sogar manchmal.

Als
Deskriptivist und Bastian-Sick-Verachter hüte ich mich aber
davor, den Satz gleich als „falsch“ abzustempeln.

Da liegst Du vermutlich auch richtig mit :smile:

Hehe, und als Nicht-Bastian-Sick-Fetischist darf man auch Präpositionen stranden. Da bin ich auch für! =)

Der Satz ist schon interessant, wenn man ihn mit parallelen
(und denkbar möglichen) Äußerungen vergleicht:
• Saft trinke ich immer frisch gepressten.
• Eier kauf ich dann noch neue.
• Fahrräder haben wir nur noch alte.

Mit dem Singular würde ich solche Sätze nicht durchgehen
lassen. Sowas wie *Trieb hat die Pflanze einen jungen.
sind meiner Meinung nach definitiv ungrammatisch.

Das klingt tatsächlich falsch, hat aber nichts mit dem Numerus
zu tun.
Der Saft oben ist auch Singular, und beim Fahrrad kann man
sagen:
„Fahrrad hab ich nur ein altes.“

Hmm… Beim Saft würde ich in dem Fall von einem Massennomen sprechen, wie bei Wasser. Es handelt sich also nicht um einen konkreten Referenten (ein Glas oder so), sondern allgemein um eine Substanz. Wie beim Wasser eben.
„Fahrrad hab ich nur ein altes.“ find ich allerdings komisch — das würde ich nicht so sagen und vielleicht auch nicht als richtiges Deutsch empfinden.

So. Ich habe nur eine konkrete Frage: Ist der obengenannte
Satz grammatisch?

Ich sage: ja.

Gut. Vielleicht sollte ich auch eine Umfrage machen, einen „Poll“ — weiter unten im Thread fand jemand ja auch „Äpfel ess ich keine.“ ungrammatisch, wobei ich den ja nun völlig ohne Zweifel als grammatisch und üblich einstufen würde.

Ich interpretiere den Satz als Ellipse, in dem in der zweiten
Satzhälfte „und zwar“ getilgt wurde:

„Wasser hol ich dann noch, und zwar frisches“.

Sollte man da nicht eine kleine Pause erwarten? Wenn man die Sätze mit einem Negationsquantor benutzt, kann man dort auch gar keine Ellipse hinerklären:
Äpfel ess ich keine.
*Äpfel ess ich, und zwar keine.

Ich sehe das als eine Art der Betonungserzeugung, die
einerseits das wasser in den Fokus stellt, und andererseits
präzisiert/einschränkt, daß es um frisches solches geht.

Ähnlich auch die anderen Beispielsätze.

Ja, das denke ich auch. So hat’s Christopher auch erklärt, Topikalisierung in dem Fall, wobei das zu topikalisierende Element ins Vorfeld bewegt wurde.

Gruß

Kubi

Gruß,

  • André

Hallo André

Dem würde ich vehement widersprechen… aber vielleicht habe
ich mich auch mit diesen Sätzen zu lange beschäftigt, so dass
sie mir zu gewohnt erscheinen.

Beispielsituation:
A: „Ist Milch aus dem Tetrapak okay?“
B: „Ja.“
A: „Und Saft?“
B: „Saft trinke ich immer frisch gepressten.“

Ich frage mich, ob Menschen, die sich gar nicht mit Linguistik
oder der Deutschen Sprache groß beschäftigen, sich in so einer
Situation über den letzten Satz wundern würden oder ob sie
überhaupt bemerken würden, dass er komisch ist.

Das mag durchaus norddeutscher Sprachgebrauch sein. Sowas habe ich tatsächlich von Norddeutschen auch schon gehört. Zu missbilligen bleibt dieser Spracxhgebrauch dennoch, da es ohne Schnörkel (Flexion) ja auch einfacher geht.

Wenn schon, dann müsste es mit flektiertem Prädikativum richtig heißen:

Saft trinke ich immer als frisch gepressten (welchen)/in seiner frisch gepressten Form.

Aber es geht ja -wie gesagt- auch einfacher, gottseidank!

Gruß Gernot

Das mag durchaus norddeutscher Sprachgebrauch sein. Sowas habe
ich tatsächlich von Norddeutschen auch schon gehört. Zu
missbilligen bleibt dieser Spracxhgebrauch dennoch, da es ohne
Schnörkel (Flexion) ja auch einfacher geht.

Du billigst ihn miss, okay… aber warum? Weil du ihn unüblich findest, in deiner Region? Ich denke, man sollte hier nicht pauschalisieren, wenn es nicht direkt gegen eine Grammatikregel verstößt.
Solche Sätze sind m.M.n. allenfalls grenzwertig, aber niemals definitiv falsch oder ähnliches.

Gruß,

  • André