Wie erhielt man einen Grafentitel?

Hallo,
wie kam es denn nun dazu, dass jemand einen Grafentitel erhielt? Konnte ein Kaiser/ König jemanden zum Grafen ernennen, sodass dieser den Grafentitel dann an seine Erben weitergeben konnte? Und was musste Besonderes passiert sein, um besagten Titel zu erlangen?
Noch mal zur Erbfolge, war die einfach vererbbar oder musste Kaiser/ König diesen immer wieder bestätigen?

Falls jemand einen Hinweis auf einen derzeit noch „echten“ Grafen hat, wäre das natürlich der Clou!!

Danke im Voraus für alle hilfreichen Antworten!

Servus,

bereits seit dem 7. Jahrhundert ist der Grafentitel, der ursprünglich einen Amtsinhaber bezeichnete, erblich.

Grafen gibts heute noch grad genug. In welcher Gegend suchst Du denn?

Schöne Grüße

MM

Hi, dass der Titel erblich ist, habe ich inzwischen auch heraus gefunden. War es denn möglich, zum Graf ernannt zu werden? Ich frage deshalb, da ich an einer Gespenstergeschichte für Kinder arbeite und jetzt herausfinden möchte, ob es möglich war, durch eine besondere Leistung zum Grafen ernannt worden zu sein. Ich sitze übrigens in Thüringen, aber im Grunde tut’s jeder andere Graf auch. Hauptsache, er ist bereit, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern, wie man so schön sagt.
LG, salzi75

Servus,

ab etwa dem 17. Jahrhundet gänzlich unwahrscheinlich, daß jemand zum Grafen ernannt wird. Vorher schon selten.

Erhebung in den Adelsstand bis zum Ende des Kaiserreichs durch Ernennung zum Freiherrn. (in wilhelminischer Epoche ein wenig inflationär: „Schornstein- und Brauereiadel“)

In die Nachbarschaft Thüringens passen z.B. die Grafen von Hardenberg (unter diesem Namen seit 1219 firmierend).

Schöne Grüße

MM

Hallo salzi75,

Hi, dass der Titel erblich ist, habe ich inzwischen auch
heraus gefunden. War es denn möglich, zum Graf ernannt zu
werden?

… unabhängig davon, dass die Erhebung zum Grafen möglich war, wurde das ungefähr in jedem Jahrhundert und von jedem dazu ermächtigten Herrscher anders gehandhabt. Auch die Gründe konnten allerunterschiedlichster Art sein.

Ich frage deshalb, da ich an einer
Gespenstergeschichte für Kinder arbeite

löblich, dass Du versuchst, eine fiktive Erzählung mit Tatsachen zu unterfüttern.
Nur:

und jetzt herausfinden
möchte, ob es möglich war, durch eine besondere Leistung zum
Grafen ernannt worden zu sein.

… die besondere Leistung kann und darf ein Autor erfinden! Sie sollte in einer Kindergeschichte lediglich für Kinder einleuchtend und nachvollziehbar sein …
na ja gut! Wahrscheinlich auch für die vorlesenden Eltern. Vielleicht sollte sie auch moralisch einwandfrei sein.
(Madame Pompadur ist Dir bekannt? Ihre Leistung, die sie zur Gräfin machte, war NICHT moralisch einwandfrei)

Ich sitze übrigens in
Thüringen, aber im Grunde tut’s jeder andere Graf auch.

versuch es mit dem „Gotha“ = Adelsverzeichnis für Deutschland.

Hauptsache, er ist bereit, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu
plaudern, wie man so schön sagt.

Liebe Salzi75 - Adelstitel wurden nach Ende des deutschen Kaiserreichs 1918 nicht mehr vergeben. Vom wem auch? In Republiken oder Diktaturen ist dergleichen nicht üblich. Somit kann Dir kein heute lebender Graf sagen, wie er in den Grafenstand erhoben wurde.
Heute lebende Grafen haben „Graf“ samt sämtlichen Vor- und Zunamen im Personalausweis stehen und das war es.

Ansonsten, ich wiederhole mich: Denk Dir einen Grund für die Erhebung „Deines“ Grafen aus. Irgend ein Verdienst wird er seinem Herrn schon geleistet haben.
Eine Schlacht gewonnen - die Staatsfinanzen geordnet - die schöne Königstocher aus dem Mühlteich gerettet?
Du bist Herr der Story!

viele grüße
Geli

Servus,

hierzu:

Eine Schlacht gewonnen - die Staatsfinanzen geordnet - die
schöne Königstocher aus dem Mühlteich gerettet?

die von Salcia Landmann hinterbrachte Szene aus dem Schnellzugcoupé, zwei Reisende mit dem EK I an der Brust. Um ein Gespräch anzuregen, deutet der eine auf das EK I seines Gegenübers:

  • „Gestatten: Woher?“
  • „Ich habe Speck geliefert.“
  • „So??! Ich habe Schlachten geliefert!“
  • „Nu, denken Sie vielleicht, ich hob Guten geliefert?“

SCNR

MM

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Hallo,

wie kam es denn nun dazu, dass jemand einen Grafentitel
erhielt?

grundsätzlich auf zwei Arten - durch Ernennung oder durch Geburt. Welche Art in Betracht kommt, hängt davon ab, von welcher Zeit wir reden. Ursprünglich - und das heisst hier unter den Merowingern und Karolingern - wurden Grafen als lokale Stellvertreter des Königs ernannt, sie hatten in einem bestimmten Territorium (Gau, später Grafschaft) die Wehrhoheit und die Gerichtsbarkeit.

Ernennen konnte man da nicht irgendeinen Beliebigen - der Graf musste sich in seinem Gau Respekt verschaffen und sich notfalls auch mit Gewalt durchsetzen können. Und zwar aus eigener Kraft, ohne den König damit zu behelligen. Also wählte man Leute aus dem Reichsadel (schließlich mussten sie vom örtlichen Adel akzeptiert werden), und zwar bevorzugt solche, die in ihrem Amtsbereich bereits entsprechend begütert waren und damit über eine ausreichende Machtbasis verfügten (und die örtlichen Verhältnisse kannten). Der Müllerbursche, der die Königstochter rettet und dafür zum Grafen gemacht wird, gehört ausschließlich in den Bereich der Märchen.

Aufgrund der genannten recht engen Voraussetzungen und der daraus folgenden faktischen Erblichkeit bildete sich im Hochmittelalter zunehmend auch rechtlich eine Erblichkeit des Grafentitels heraus. Damit wurde ‚Graf‘ von einer Amtsbezeichnung zur Bezeichnung eines Rechtsinhabers spezieller Hoheitsrechte in einem bestimmten Territorium. Diese Rechte (und damit auch der Titel) wurden wie privates Eigentum behandelt - d.h. sie konnten vererbt, aber auch verpfändet oder gar verkauft werden. ‚Ernennungen‘ wurden nun sehr selten - wenn z.B. ein Grafengeschlecht ausgestorben war und die Grafschaft an den König als Lehenshalter zurückfiel und neu als Lehen vergeben wurde.

Dem stand nämlich ein anderer Trend entgegen, der sich dann auch durchsetzte, nämlich die Mediatisierung. D.h. dass die unmittelbare Beziehung zwischen Grafen und König zunehmend durch eine mittelbare Graf-Fürst-König ersetzt wurde. Mit dieser Mediatisierung, die sich insbesondere im Spätmittelalter vollzog, gingen weitgehend auch die territorialen hoheitlichen Rechte der Grafen an die Fürsten verloren und ‚Graf‘ wurde in den meisten Fällen zu einem reinen Standestitel, der nur noch die Zugehörigkeit zum Hochadel kennzeichnete.

Von den Grafen deutlich zu trennen sind die vom Grafentitel abgeleiteten Fürsten titel Landgraf, Markgraf und Pfalzgraf. Die Grafengeschlechter, die den oben erwähnten Prozess der Mediatisierung unbeschadet überstanden und weiter reichsunmittelbar ein Territorium regierten, wurden in der Neuzeit i.d.R. ebenfalls gefürstet und trugen dann den Titel Reichsgraf. Als besondere Vergünstigung konnten allerdings auch reine ‚Titulargrafen‘ zum Reichsgraf erhoben werden. Hintergrund ist auch hier eine Ablösung des fürstlichen Titels von einem Herrschaftsterritorium und seine Wandlung in eine reine Standesbezeichnung.

Generell haben wir also beim ‚Graf‘ eine Entwicklungslinie Amtsbezeichnung - Bezeichnung eines Typs reichsunmittelbarer Territorialherren - Standesbezeichnung. Mit allen Zwischenstufen, Überlappungen, regionalen Besonderheiten usw.

Erhebungen (nicht ‚Ernennungen‘) in den Grafenstand gab es auch in der Neuzeit - damit wurde ein Angehöriger des niederen Adels in den Hochadel erhoben (‚Graf‘ ist der unterste Rang des hohen Adels). Bekanntestes Beispiel ist hier Bismarck, der dann später sogar in den Fürstenstand erhoben wurde. Bürgerliche wurden zwar auch in den Adelsstand erhoben, jedoch nicht unmittelbar in einen Rang des Hochadels. Diese sog. Nobilitierung von Nichtadligen gab es seit Kaiser Karl IV. (1316-1378). Auch da waren die Kandidaten weniger Müllerburschen als kaiserliche Beamte oder Kleriker - der älteste bekannte Fall von 1360 betraf Wyker Frosch, den Leiter der Stiftsschule St. Stephan in Mainz.

Abschließend sei noch angemerkt, dass das Thema sehr komplex ist und ich hier nur sehr grob die allgemeinen Entwicklungslinien angedeutet habe.

Freundliche Grüße,
Ralf