Totales differential, jakobimatrix

Hallo!!
Kann mir jemand erklären was das totale differential ist, wie ich es berechne und was die jakobimatrix mit dem ganzen zu tun hat?
Ich habe hier eine rießige mathematische formel vor mir und kann beim besten willen nichts damit anfangen.

In der vorlesung habe ich mir notiert, dass die jakobimatrix das totale differential darstellt! stimmt das?

danke schonmal!!!

Hossa :smile:

Kann mir jemand erklären was das totale differential ist, wie
ich es berechne und was die jakobimatrix mit dem ganzen zu tun
hat?

Das kommt in der Physik sehr oft vor, daher wähle ich zur Erklärung auch ein Beispiel aus der Physik. Den aktuellen Aufenthaltsort eines Teilchens kann man durch seine 3 Koordinaten angeben: x, y und z. Die Energie, die das Teilchen hat, kann dann z.B. eine Funktion des Ortes und der Zeit t sein:

E=E(x,y,z,t)

Wenn sich das Teilchen bewegt, ändert sich der Ort. Die Koordinaten x, y und z sind also zeitabhängig:

x=x(t)\quad,\quad y=y(t)\quad,\quad z=z(t)

Nun kann man fragen, wie sich die Energie eines Teilchens im Laufe der Zeit ändert. Dazu gibt es zwei Berechnungsmethoden.

  1. Methode:

Im Ausdruck für die Energie ersetzt du x durch den Audruck für x(t), y durch den Ausdruck für y(t) und z durch den Ausdruck z(t). Als Ergebnis hängt die Energie nur noch von der Zeit t ab, und du kannst die Funktionsgleichung E(t) einfach nach t ableiten:

E^\prime(t)=\frac{dE}{dt}

Das ist die totale Ableitung von E nach der Basisgröße t. Total heißt hier, dass alle Veränderlichen auf eine Basis-Veränderliche zurückgeführt wurden.

  1. Methode:

Oft ist die 1. Methode sehr aufwändig und man möchte sich diese Ersetzung sparen. Das Problem ist nur, dass E(x,y,z,t) von vier Variablen abhängt. Das kannst du zunächst nicht ableiten. Du kannst aber so tun als wären y, z und t überhaupt keine Variablen, sondern feste Werte, und die Funktion nur nach x ableiten. Das ist dann die partielle Ableitung von E nach x. Diese schreibt man zur Unterscheidung von der totalen Ableitung mit einem geschwungenden d. In unserem Beispiel existieren 4 partielle Ableitungen:

\frac{\partial E}{\partial x}\quad,\quad\frac{\partial E}{\partial y}\quad,\quad\frac{\partial E}{\partial z}\quad,\quad\frac{\partial E}{\partial t}

Mit Hilfe dieser partiellen Ableitungen kann man nun die totale Ableitung berechnen, es gilt:

\frac{dE}{dt}=\frac{\partial E}{\partial x},\frac{dx}{dt}+\frac{\partial E}{\partial y},\frac{dy}{dt}+\frac{\partial E}{\partial z},\frac{dz}{dt}+\frac{\partial E}{\partial t}

Hinter der partiellen Ableitung von E nach t müsste eigentlich noch dt/dt stehen, was aber 1 ist und daher weggelassen werden kann.

Die totale Ableitung führt also die abzuleitende Funktion immer auf eine Basis-Variable zurück. Eine Funktion, die nur von einer Variablen abhängt, kann daher nur total abgeleitet werden. Hängt eine Funktion von mehreren Variablen ab, kann man diese Variablen auf eine Basis-Variable zurückführen (Zeit t geht eigentlich immer) und mit Hilfe der partiellen Ableitungen dann die totale Ableitung berechnen.

In der vorlesung habe ich mir notiert, dass die jakobimatrix
das totale differential darstellt! stimmt das?

Nein. Die Jacobi-Matrix enthält alle partiellen Ableitungen. Du kannst sie z.B. verwenden, um bei der Integration die Variablen zu substituieren (etwa von Kartesischen zu Kugel-Koordinaten).

Viele Grüße

Hasenfuß


––––––––––
MOD (Martin): Variabenbuchstabe-Vertippser korrigiert.

Danke! Etwas klarer ist es mir:smile:

\frac{dE}{dt}=\frac{\partial E}{\partial
x},\frac{dx}{dt}+\frac{\partial E}{\partial
y},\frac{dy}{dt}+\frac{\partial E}{\partial
z},\frac{dz}{dt}+\frac{\partial E}{\partial t}

aber was haben diese dx und dt zu bedeuten? was wo kommen die her?

hmm…das mit der Jakobimatrix verwirrt mich, weil auch unser Übungsleiter (zwar noch ein Mathestudent aber schon im 8. Semester) gesagt hat, dass wenn es in einer Aufgabe heißt „berechne das totale Differential“ und ich habe eine Funktion f: R -> R^2, dann heißt dies dass ich die Jakobimatrix mit den 1. partiellen Ableitungen hinschreiben soll!
Und wenn man eine Funktion f: R->R hat, und man soll das totale Differential berechnen muss man nur die 1. Ableitung bilden!

Jetzt bin ich total verwirrt, weil das wiederspricht sich ja alles :frowning:

Tach,

\frac{dE}{dt}=\frac{\partial E}{\partial
x},\frac{dx}{dt}+\frac{\partial E}{\partial
y},\frac{dy}{dt}+\frac{\partial E}{\partial
z},\frac{dz}{dt}+\frac{\partial E}{\partial t}

aber was haben diese dx und dt zu bedeuten? was wo kommen die
her?

dx und dt sind Differentiale und dt wird üblicherweise als Ableitung nach der Zeit verwendet.

Diese Nomenklatur stammt von Gottfried Wilhelm Leibniz, einem der beiden Erfinder der Infinitisimalrechnung.

Gandalf

Hossa :smile:

Sorry für meine Ungenauigkeiten, ich musste gestern schnell weg, da hatte ich keine Zeit mehr, genauer zu schreiben. Daher lege ich hier nochmal etwas nach, in der Hoffnung, dass es dann klarer wird…

Danke! Etwas klarer ist es mir:smile:

\frac{dE}{dt}=\frac{\partial E}{\partial
x},\frac{dx}{dt}+\frac{\partial E}{\partial
y},\frac{dy}{dt}+\frac{\partial E}{\partial
z},\frac{dz}{dt}+\frac{\partial E}{\partial t}

aber was haben diese dx und dt zu bedeuten? was wo kommen die
her?

Die Differential-Nomenklatur (mit dem „d“) ist eine andere Schreibweise für die Ableitung. Nehmen wir als Beispiel die Funktion x=x(t) aus dem Beispiel. Ihre Ableitng nach t an der Stelle t0 lässt sich als Grenzwert des Differenzenquotienten ausdrücken:

x^\prime(t_0)=\lim_{t\to t_0}\frac{x(t)-x(t_0)}{t-t_0}

Anstatt die Subtraktionen im Zähler und Nenner hinzuschreiben, kann man auch die Delta-Schreibweise verwenden:

x^\prime(t_0)=\lim_{\Delta t\to 0}\frac{\Delta x}{\Delta t}\quad\mbox{mit}\quad\Delta x=x(t)-x(t_0);;;\Delta t=t-t_0

Wenn t nun auf t0 zuläuft, werden die Deltas immer kleiner. Bei infinitesimal kleinem Delta schreibt man ein kleines d. Man kann sagen, dass in dem „d“ der Grenzübergang von den Deltas steckt:

\frac{dx}{dt}=\lim_{\Delta t\to0}\frac{\Delta x}{\Delta t}

Die Ausdrücke mit dem kleinen d heißen Differentiale. Daher kommt auch der Name Differential-Quotient für den Grenzwert des Differenzen-Quotienten. Die Ableitung ist ein Bruch mit einem Zähler- und Nenner-Differential.

Das geschwungende d bei den partiellen Ableitng bedeutet übrigens das gleiche, jedoch nur auf eine Variable bezogen. Um in dem Beispiel mit der Energie E=E(x,y,z,t) zu bleiben, wäre z.B.

\frac{\partial E}{\partial x}=\lim_{\Delta x\to 0}\frac{E(x+\Delta x,y,z,t)}{\Delta x}

Diese Differential-Schreibweise ist äußerst praktisch, weil sich viele Ableitungsregeln dann in einfach Bruchrechnung verwandeln.

hmm…das mit der Jakobimatrix verwirrt mich, weil auch unser
Übungsleiter (zwar noch ein Mathestudent aber schon im 8.
Semester) gesagt hat, dass wenn es in einer Aufgabe heißt
„berechne das totale Differential“ und ich habe eine Funktion
f: R -> R^2, dann heißt dies dass ich die Jakobimatrix mit den

  1. partiellen Ableitungen hinschreiben soll!

Da hat dein Übunbsleiter dir nicht die ganze Wahrheit erzählt. Die Jacobi-Matrix enthält nur alle partiellen Ableitungen. Was zur totalen Ableitung noch fehlt ist die Rückführung auf eine einzige Veränderliche.

Aber mir fällt gerade noch eine Feinheit auf. Die totale Ableitung der Beispielfunktion E(x,y,z,t) ist, wie ich oben geschrieben habe:

\frac{dE}{dt}=\frac{\partial E}{\partial x},\frac{dx}{dt}+\frac{\partial E}{\partial y},\frac{dy}{dt}+\frac{\partial E}{\partial z},\frac{dz}{dt}+\frac{\partial E}{\partial t}

Wenn nicht klar ist, auf welche Basis-Variable die totale Ableitung bezogen werden soll, kann man zumindest das totale Differential hinschreiben. Dazu lässt man das Nenner-Differential (das ja die Basis-Variable beschreibt) einfach weg:

dE=\frac{\partial E}{\partial x},dx+\frac{\partial E}{\partial y},dy+\frac{\partial E}{\partial z},dz+\frac{\partial E}{\partial t},dt

Wenn du jetzt mal die Jacobi-Matrix J für die E-Funktion aufschreibst:

J=\left(\frac{\partial E}{\partial x},\frac{\partial E}{\partial y},\frac{\partial E}{\partial y},\frac{\partial E}{\partial t}\right)

stellst du fest, dass das totale Differential oben was anderes ist. Du musst die Jacobi-Matrix noch mit dem sog. Änderungsvektor multiplizieren (der aus den Differentialen der einzelnen Variablen besteht):

dE=J\cdot\left(\begin{array}{c}dx\dy\dz\dt\end{array}\right)=\left(\frac{\partial E}{\partial x},\frac{\partial E}{\partial y},\frac{\partial E}{\partial y},\frac{\partial E}{\partial t}\right)\cdot\left(\begin{array}{c}dx\dy\dz\dt\end{array}\right)

Wenn du das jetzt ausrechnest, kommt das totale Differential heraus. Also nochmal, um die Verwirrung zu beseitigen:

\mbox{totales Differential}=\mbox{Jacobi-Matrix}\cdot\mbox{Aenderungsvektor}

Dein Übungsleiter hat also Recht, wenn er euch den Tipp gibt, die Jacobi-Matrix zu berechnen und hinzuschreiben. Um aber auf Nummer sicher zu gehen, solltest du in der Klausur die Jacobi-Matrix mit dem Änderungsvektor multiplizieren. Denn andernfalls hast du nicht das totale Differential, sondern nur die Jacobi-Matrix hingeschrieben.

Und wenn man eine Funktion f: R->R hat, und man soll das
totale Differential berechnen muss man nur die 1. Ableitung
bilden!

Das ist teilweise richtig, weil Funktionen einer Veränderlichen nur total abgeleitet werden können. Allerdings ist es auch wieder nicht völlig richtig. Das ist schon rein sprachlich falsch. Die 1. Ableitung ist ein Differential quotient , also ein Bruch mit Zähler- und Nenner-Differential. Ein Differentialquotient bzw. eine 1. Ableitung kann also kein Differential sein! Zur Erinnerung: Eine totale Ableitung ist bereits auf eine Basis-Variable zurückgeführt, ein Differential noch nicht.

Bleiben wir als Beispiel bei der Ortskoordinate x=x(t). Die erste Ableitung ist der Differentialquotient:

x^\prime(t)=\frac{dx}{dt}

Das Differential der Funktion x ist also:

dx=x^\prime(t),dt

Jetzt bin ich total verwirrt, weil das wiederspricht sich ja alles :frowning:

Ich hoffe, es ist jetzt klar geworden?

Viele Grüße

Hasenfuß

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Hallo Hasenfuß, habe nicht gefragt, doch mit Gewinn gelesen, zum Dank den Stern. Gruß, eck.