Bindende Rechtsprechung in Deutschland

Mir ist eins noch nicht ganz klar geworden bzw. ich möchte mir das nochmal bestätigen lassen:

Welche Urteile von welchen Gerichten sind auch für andere Gerichte bindend?
Ich habe schon mal gehört (ob das stimmt, weiß ich nicht genau), dass alle Gerichte an die Urteil aller Bundesgerichte (BGH, BVerfG, etc.) und die der Oberlandesgerichte (bzw. des Kammergerichts) gebunden sind. Stimmt das?

Wenn ich jetzt z. Bsp. in den Medien Übersichten mit Urteilen finde (aktuelle Rechtsprechung), bei welchem Gericht (Instanz vielleicht auch von Relevanz?) könnte ich mich dann auch darauf verlassen, dass mein Gericht bei der selben Sach- und Rechtslage genauso urteilen müsste?

Schon mal danke für die Antworten!

Mathias

Hallo!

Grundsätzlich sind Gerichtsurteile nicht für andere Gerichte bindend.
Eine Bindung besteht nur im Einzelfall, also wenn ein höheres Gericht eine Entscheidung aufhebt und zur neuerlichen Entscheidung zurückverweist, dann ist das unterinstanzliche Gericht an die Rechtsansicht des Obergerichtes gebunden. Ansonsten darf jedes Gericht von der ständigen Rechtsprechung abweichen.

Es gibt eine große und sehr wichtige Ausnahme: Die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg ist eine bindende Auslegung, nationale Gerichte dürfen hievon nicht abweichen.

Gruß
Tom

Hallo!

In der Praxis halten sich die Gerichte meist sinnvollerweise an die höchstrichterliche Rechtsprechung. Es kommt allerdings doch vereinzelt vor, dass manche abweichen und noch seltener ist es, dass das Berufungs- und Revisionsgericht sich der abweichenden Meinung des Erstgerichtes anschließt und seine eigene Judikatur ändert. Es kommt aber vor.

Gruß
Tom

Hallo Mathias,

man muss hier zwischen einer faktischen und einer rechtlichen Bindung unterscheiden. Rein faktisch fühlt sich im Regelfall jedes Gericht an sein Obergericht gebunden, wenn es sich um Fälle mit einem weiteren Rechtsweg handelt, da es einfach nichts bringen würde, eine Berufung zu provozieren, die dann ein klares Ergebnis hätte. Ausnahmen gibt es natürlich da, wo spezifische Fallkonstellationen erwarten lassen, dass das Obergericht die Geschichte im Einzelfall auch anders sehen wird, oder wenn eine Meinung gerade im Kippen ist, damit das Obergericht dann die Chance bekommt eben auch umzuschwenken.

In der Praxis bedeutet dies, dass bei Dingen in der Größenordnung die zum BGH geht, eine recht einheitliche Rechtsprechung in Deutschland gegeben ist, zwischen den OLG-Bezirken aber durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen können. Zudem gibt es auch die Pikanterie, dass im BGH verschiedene Senate teilweise abweichende Meinungen haben, bzw. Rechtsbegriffe zwischen den einzelnen höchsten Gerichten unterschiedlich gesehen werden.

Rein rechtlich gibt es eine Bindung aber nur im Einzelfall bei Rückverweisungen und dann auch nur im Bezug auf die der Rückverweisung zugrunde liegende obergerichtliche Auffassung. Daneben gibt es auch eine Art der Bindung beim BVerfG, wenn diese z.B. Gesetze für Verfassungswidrig erklärt und diese dann natürlich nicht mehr bzw. nicht mehr so wie bisher angewendet werden dürfen.

Gruß vom Wiz

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Hallo Mathias,

die Frage wurde ja schon ausreichend beantwortet.

Wenn ich jetzt z. Bsp. in den Medien Übersichten mit Urteilen
finde (aktuelle Rechtsprechung), bei welchem Gericht (Instanz
vielleicht auch von Relevanz?) könnte ich mich dann auch
darauf verlassen, dass mein Gericht bei der selben Sach- und
Rechtslage genauso urteilen müsste?

  1. Ist die Rechtslage selten exakt die gleiche (ausser wenn AOL, Telekom, Finanzamt mal wieder ein Massenverfahren durchziehen).
  2. Zeitschrift geben nur den Urteilstenor (? korrekt) und nicht die exakte Begründung wieder
  3. Da sich die Gerichte teilweise unterschiedliche Rechtsauffassungen haben, gibt es durchaus Tendenzen von grossen Firmen sich die genehmen zum Verklagen auszuwählen, gerade bei der Internet-Rechtssprechung (Domain - Warenzeichen, Spam, etc.) istz dies weit verbreitet.

Tschuess Marco.