Hi, Annie!
Am Anfang war Edith ja auch noch halbwegs klar. Ich hatte sie
am späten Abend zuvor in mein Bett genommen, als die Lähmung
schon eingesetzt hatte. Sie hatte ihre Beine nicht mehr
gespürt, war vom Sofa gefallen, hatte sich, ohne es zu
bemerken, ein Hinterbein ausgerenkt, ich renkte es ihr wieder
ein, vollkommen entspannt geblieben, das alte Mädchen dabei.
Oh mein Gott! Ich wüsste gar nicht, wie ich ein Bein wieder einrenken soll. Wie gut, dass Edith davon nichts mitbekommen hat - vermutlich bist Du eine begnadet sanfte Knochenwiedereinrenkerin.
Morgens lag sie neben mir unter der Decke, als ich wach wurde,
stellte ich fest, dass sie sich logischerweise eingenässt
hatte, sie sah mich an und maunzte entschuldigend. Dann ging
ich kurz in die Küche, Kaffe kochen und eine Zigarette
rauchen.
Da muss es ihr wohl noch einigermaßen gut gegangen sein, mit starken Herz-/Lungenproblemen hätte sie sich sonst sicher nicht unter der warmen Decke, wo wohl nicht beste Sauerstoffverhältnisse vorherrschten, wohlgefühlt.
In dieser kurzen Zeit hatte sie es (wie, weiss ich nicht) von
meinem Bett quer durchs Zimmer auf die andere Seite in das
unterste Schubfach des Schrankes geschafft, ob sie mir
rücksichtsvoll den Anblick ersparen oder den Augenblick ihres
Endes für sich allein haben wollte, weiss ich nicht, aber als
ich aus der Küche kam, hatte dieser furchtbare Tanz schon
eingesetzt.
Wie grausam auch für Dich, Du hast das doch sicherlich erstmal gar nicht einzuordnen gewusst.
Wie gesagt, keine Pupillenreaktion und krampfig zuckende,
unwillkürlich-konvulsivische Bewegungen wie ein grauenhafter
lebender Flitzbogen.
Wäre schön, wenn die Ärztin recht behalten hatte, recht
plausibel allemal erscheint mir ihre Erklärung, dass bei
Aussetzen der Lungenatmung recht fix das Gehirn nicht mehr
versorgt wird. Die Pumpe hat halt noch bis zuletzt kräftig
gekämpft, die Ärztin musste zweimal nachlegen bei der
Euthanasie, bis kein Herzschlag mehr zu spüren war. Es hiess,
dieser Tanz hätte noch schlimmstenfalls den ganzen Tag so
gehen können, bis das Herz dann endlich aufzugeben bereit ist
und endlich Ruhe gibt.
Unglaublich, dass so ein vorgeschwächtes Herz noch so kämpfen kann! Wie gut, dass die Tierärztin da war, nicht auszudenken sonst …
Und ich dachte, Nellie hätte lange gekämpft mit ihren 45 Minuten. Gott-sei-Dank hat ihr Herz schneller schlapp gemacht, unsere Tierärztin war ja leider keine Hilfe mehr und hat mir auch schon gar nichts erklärt im Nachhinein oder auch nur ein einziges noch so klitzekleines tröstendes Wort übrig gehabt. Da bin ich dann auch nie wieder hin, da bin ich nachtragend.
Hoffen wir das beste für unsere unvergessenen Gefährtinnen.
Nellie liegt jetzt auf einer Waldlichtung, zu der man sich nur mittels Machete (in meinem Fall Haushaltsschere) durchkämpfen kann. Sehr einsam, nur ein paar Pferde seitlich auf einer Weide. Ich habe sogar schon ein Reh mitten auf ihrem Grab entdeckt, so abgelegen und ruhig liegt sie bestattet. Ich glaube zwar nicht an ein Danach, aber es versöhnt mich ein wenig mit ihrem Ende, dass sie zum Schluss so wahnsinnig friedlich aussah (sie hatte sogar über Nacht bereits selber ihre Augen geschlossen, als ich das eigentlich vornehmen wollte) und so einen schönen Platz in der Natur gefunden hat.
Schön wär’s aber doch, wenn ich mich irrte und wir unsere Fellnasen alle wiedersehen dürften!
Ganz lieben Gruß
Jacqueline