Hallo,
ich bin 15 Jahre alt und besuche seit 8 Jahren die „Förderschule mit Schwerpunkt Lernen“, eine Schulform, die lange Zeit die Bezeichnung „Sonderschule für Lernbehinderte“ trug. Meine Intention diesen Strang zu erstellen, liegt darin, dass ich mir in letzter Zeit zunehmend die Frage stelle, wieso ich überhaupt seit 8 Jahren eine Schulform besuche, die kategorisch zu den Behindertenschulen gehört. Die Förderschule mit Schwerpunkt Lernen ist keine Regelschule, sondern soll angeblich jene Schüler auffangen, deren Fähigkeiten zu lernen so stark beeinträchtigt sind, dass eine Unterrichtung an einer normalen Regelschule nicht möglich ist. Auch wenn der behandelte Stoff der Förderschule inhaltlich am nächsten den der Hauptschule steht (wenn auch auf niedrigeren Niveau); und die Förderschüler von ihrer Wesensart und ihren Habitus von normalen Regelschülern kaum zu unterscheiden sind, herrscht zwischen den Sonderschulen für Lernbehinderte und den Regelschulen (in diesen Fall der Hauptschule) eine strikte terminologische Trennung. Die Sonderschulen gehören eher zu den Behindertenschulen als zu den Regelschulen. In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Sonderschulen irgendwo zwischen den Behindertenschulen und der Hauptschule angesiedelt.
Nach einem in der öffentlichen Wahrnehmung weit verbreiten Klischee kann der Sonderschüler selbst im Erwachsenenalter kaum lesen, beherrscht bestenfalls die einfachsten Grundrechenarten und besitzt eine sehr schlechte Allgemeinbildung. Darüberhinaus liest der „typische Sonderschüler“ noch als Erwachsener hauptsächlich Comics und hat kein Interesse an politischen Themen. Die Wochenmagazine „Der Spiegel“, „Stern“ oder „Focus“ werden am wenigsten in den Händen eines Sonderschülers vermutet. Solche Magazine werden von Gymnasiasten oder Studenten gelesen, aber doch nicht in den von Sonderschülern, oder? Es kommt sogar vor, dass selbst in der Sekundärliteratur die Behauptung aufgestellt wird, Sonderschuler erreichen maximal eine intellektuelle Reife, die 8-12 Jährigen entspricht. Und ich sage dazu: Blödsinn!
Derzeit bin ich in der 9. Klasse einer Förderschule und werde diese ohne Schulabschluss verlassen. Auf Sonderschulen für Lernbehinderte gibt es keine häufig keine Abschlüsse, sondern nur Abgangszeugnisse. Aber einige Förderschulen bieten in der 10. Klasse die Möglichkeit an, zumindest den Hauptschulabschluss zu machen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich verstehe nicht, wieso ich überhaupt eine Schule für Lernbehinderte besuche. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich nicht in der Lage wäre, zumindest die Hauptschule zu besuchen. Ich hab auch nicht das Gefühl, dass ich irgendwelche nennenswerten Lernschwierigkeiten habe. Ich kann, seit ich 8 Jahre alt bin, perfekt lesen, mache bei Diktaten selten Rechtschreibfehler und beherrsche bei Mathematik sogar schon Themen, die auf einer Sonderschule niemals gefordert werden, sondern vom Niveau dem Gymnasium (G-8) entsprechen. Ich bin nämlich auf die clevere Idee gekommen, einfach mir Lernliteratur von Duden zu besorgen. In der Freizeit beschäftige ich mich einfach so aus Spaß mit Lernliteratur wie „Duden - Wissen fürs G8“ und muss ganz ehrlich sagen, dass ich – auch wenn ihr es mir nicht abnimmt – mit diesem Stoff kaum Probleme habe. Aber das dürfte doch eigentlich gar nicht sein, schließlich gehe ich auf eine Lernbehindertenschule. Demnach dürfte ich überhaupt nicht in der Lage sein, solch gymnasialen Stoff zu lernen. Wieso gehe ich überhaupt auf eine Förderschule? Ich muss ganz ehrlich sagen, ich weiß es selbst nicht. Der Grundschullehrer damals meinte nur, dass ich nichts lernen würde und deshalb auf eine Sonderschule gehöre. Deshalb musste ich die Grundschule schon nach 6 Monaten verlassen. Also bin ich nun zu dumm für eine Regelschule oder nicht? Mein Intelligenzquotient beträgt übrigens 129. Daran kann es nicht liegen.