ALS und WIE bei der Komparation der Adjektive

ALS - WIE

Vor einiger Zeit wurde hier über den Gebrauch von als und wie beim Vergleich diskutiert.

Kubi hat damals geantwortet:

Bei Vergleichen zwischen zwei Objekten oder Sachverhalten steht „als“, wenn das Vergleichskriterium bei beiden Objekten verschieden ist, und „wie“, wenn das Vergleichskriterium gleich ist.

Ein paar Beispiele:

„Er ist so groß wie sie“, aber „Er ist größer als sie“.
„A verdient genauso viel wie B“, aber „C verdient weniger als D“.
„Heute habe ich das gleiche Problem wie gestern“, aber „Gestern hatte ich ein anderes Problem als vorgestern“.
„Ich habe es so gemacht wie Du gesagt hast“, aber „Ich habe es anders gemacht als Du gesagt hast“.

Dazu noch einige Ausführungen:

Im Grammatik-Duden heißt es klipp und klar:

=> nach Positiv (Grundform des Adjektivs): wie
Beispiele: so groß wie du; so alt wie Methusalem, schön wie Schneewittchen

=> nach Komparativ (erste Steigerungsform): als
Beispiel: keine ist schöner als Ihr, Frau Königin, aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr

In der Duden-Grammatik wird aber weiterhin darauf hingewiesen, das beim Positiv in besonderen Fällen auch „als“ verwendet werden kann:

Beispiele:
So wenig als, so bald (schnell, gut, viel, weit, lange, usw.) als möglich.
Bei Th. Mann findet sich: … so günstig als möglich; bei Frisch: … ich füllte unsere Gläser so gerecht als möglich.

Die bei Goethe zu findende Form: … und bin so klug als wie zuvor … wird als veraltet bezeichnet.

Schließlich wird noch darauf hingewiesen: „dass nach doppelt oder dreimal so (groß) wie oder als stehen kann, je nachdem, ob die (formalgrammatische) Gleichheit (so groß wie) betont wird, was häufiger ist, oder aber die (sachliche) Ungleichheit (doppelt so … als):
Die Ernte war doppelt so groß wie (seltener: als) im vorigen Jahr.“

Ebenso erwähnt die Duden-Grammatik beim Komparativ, dass
die Verwendung von „denn“ als veraltet gilt und nur noch in formelhaften Wendungen vorkommt.
Sie sind jünger denn je, Miss Sophie! Younger than ever! Bei Th. Mann: … mehr aus Klugheit denn aus Überzeugung.

Und wieder wird „wie als“ als veraltet bezeichnet, wie etwa bei Th. Mann: Es ist anders als wie zu Hause. Oder bei Immermann: … geschwinder als wie der Wind.

Also noch heute ist in Ausnahmefällen
Positiv + als und Komparativ + wie
möglich.

Damals schon wies ich darauf hin, dass diese Regel erst seit etwa hundert Jahren, seit auch die Rechtschreibung normiert wurde, als allgemein verbindlich betrachtet wird. Leider ist es mir nicht gelungen, in der grammatischen Literatur einen Nachweis für diese meine Behauptung zu finden.

Aber ich habe nun einen Text, oder besser eine Textgruppe gefunden, in der der Gebrauch von
wie, als, als wie, denn
noch sehr frei und ungeregelt stattfindet, und zwar

Nataly von Eschstruth (1860 – 1938),

eine Autorin von Mädchenbüchern, die wie die Marlitt oder Courths-Mahler idealtypische Entwicklungslinien für träumende pubertierende und spätpubertierende Lieschen Müllers erzählte. Dabei bleiben Eschstruths Romane im – damals noch tonangebenden und wirklich regierenden – aristokratischen Raum, was sie von heutigen Adelsromanen wohltuend unterscheidet. Ihre Sprache ist kapriziös, durchsetzt von französischen Fremdwörtern und Fremdworten, auch englischen mischen sich drunter. Die Heldinnen haben stets bloß „reizende Köpfchen“, die Helden „markige Stirnen und Kinne“, die Großmütter „weise und mild blickende Augen“, die Großväter „Ehrfurcht gebietendes silbernes Haupthaar“, kurz es ist eine herrlich dämlich kurzweilige Lektüre.

Ihre ersten Bücher scheinen vor der Jahrhundertwende erschienen zu sein und sie scheinen bis in die Weimarer Republik hinein immer wieder aufgelegt worden zu sein. Ich besitze keins mit der Angabe eines Erscheinungsjahres, doch findet sich in einem eine Widmung: Meiner lieben Schwester Weihnachten 1911. Dieser Band ist bereits innerhalb einer Gesamtwerkausgabe erschienen. Die Autorin hatte sich also zu dieser Zeit bereits etabliert. In demselben Band berichtet eine Verlagsanzeige, dass bereits 4 Millionen Exemplare ihrer Bücher in alle Welt verkauft worden seien.

Schon als pubertierender Jungmann las ich diese Ergänzungen zu Karl Mays Abenteuerromanen sehr gern. Nun aber sind sie mir besonders interessant geworden wegen des Gebrauches von „als“ und „wie“ und „denn“ bei der Komparation.

Die Bücher zeigen, dass es um 1900 noch keineswegs die Festlegung, wie wir sie heute kennen, gab.

Hier nun also die Belegstellen aus

Nataly von Eschstruths, Gänseliesel:

S. 391 „Ich weiß, Graf Lehrbach, dass ich mir selber mit diesem Urteil den Stab breche, denn ich reite selber und, wie ich es Ihnen erst vorhin bewiesen habe“ – Josephine erglühte bis unter die Haarwellen – „noch emancipierter wie die Prinzessin, auf ungesatteltem Pferde.“

S. 628 „Dieses tete á tete macht mir nun viel Kummer, lieber Günther, denn die Dame ist bezaubernd und vielleicht noch viel unwiderstehlicher wie du.“

S. 631 „Wohl ist sie mir auch da noch liebreizend und entzückend, im Sinne von Schönheit sogar noch viel anmutender wie früher erschienen, aber ich sehe sie nur noch mit den Augen und nicht mehr mit dem Herzen an, ich war ihr Freund nichts weiter.“

S. 631 „ Du bist eine so unglaublich brave Seele, Reinz, die mir schon mehr wie einmal ein ungeahntes Opfer gebracht hast, dass du mir einen Argwohn in diesem Augenblick nicht übel nehmen darfst.“

Und als Dreingabe:
S. 631f „Lauter Wahrheit, Job Günther, vorläufig nur Worte, aber so Gott will auch bald eine That, welche dir besser denn alle Reden beweisen wird, dass dein alter Freund mit keinem Gedanken mehr an ein Heideröslein denkt, das einzig für den wilden Knaben hier an meiner Seite erblüht ist.“

Und Nataly von Eschstruths, Erlkönigin:
S. 29 „So lange wir auf See waren, gab es genügend Arbeit, um unsere Gedanken zu beschäftigen; es gab Sturm und brausende Wogen, welche gar ernste Psalmen der Ewigkeit singen, und wohl den Sinn auf Höhres lenken als wie ein Vergnügungsregister heitrer Tage! … Was kann schöner, was interessanter, was unterhaltsamer sein, als endlich das ersehnte Land vor Augen haben, als die geträumte Herrlichkeit von tausend und einer Nacht wahr und handgreiflich vor sich zu sehen.“

Ich hoffe, damit habe ich hinreichend belegt, dass ein allzustrenges Rumreiten auf Komparativ + als auch bloß eine Prinzipienreiterei ist und die armen Süddeutschen, die diese Form gerner (sic!) durch Komparativ + wie ersetzen nicht ganz und gar zu verdammen sind.
Fritz