trotzdem und trotz
Auch einmal Hallo!
Da ist mir auch lange immer ganz schlecht geworden dabei (ich
meine, wozu gibt’s das Wort „obwohl“ denn…) - inzwischen
habe ich diese Formulierung aber so oft in der Literatur
gelesen (auch bei Fontane z.B.), dass ich mir denke,
vielleicht ist es nicht falsch, sondern einfach nur hässlich?
Weder falsch, noch hässlich, nur ungewohnt.
Dazu eine längere Ausführung:
Zu dem Satz:
„Trotzdem meine Schwester jünger ist wie* ich, raucht sie viel mehr als ich.“
* Dass es zu „wie“ und „als“ beim Komparativ die [FAQ:673] gibt, habe ich schon gesagt.
Wer sich an dieser Formulierung stößt, verrät damit, dass ihm ein Bewusstsein für die geschichtliche Dimension von Sprache, hier der deutschen Sprache, abgeht.
Dass „trotzdem“ als Einleitung nur für Hauptsätze verwendet werden darf, ist eine recht junge Regel und keineswegs im ganzen deutschen Sprachraum zur Regel geworden. Vor allem in den „nichtreichsdeutschen“ deutschen Sprachregionen, wie Böhmen, Österreich und der Schweiz wurde „trotzdem“ immer schon und immer noch auch als Nebensatzkonjunktion benutzt.
Ich habe einige Zitate aus älteren Duden zusammengestellt, die zeigen, dass das „trotzdem“ eine längere Entwicklung hinter sich hat.
Ich habe auch noch „trotz“ dazu genommen, das auch schon einige Entwicklung hinter sich hat.
Bitte mit Nachsicht lesen!
Fritz
_ trotz
Vorwiegend mit Wemfall (trotz dem Regen) oder Wesfall (trotz des Regens); trotz alledem
trotzdem ;
trotzdem und alledem; trotzdem [daß] du nicht rechtzeitig eingegriffen hast.
Rechtschreibduden 12. Auflage 1942_
Hier kann man sehen, dass das „trotzdem“ ausschließlich als Nebensatzkonjunktion bekannt ist.
_ trotz
heute fast immer mit Wesfall: trotz des Regens; aber auch noch mit Wemfall: trotz dem Regen; trotz alledem;
trotz|dem
trotzdem ist es falsch
trotzdem (älter: - daß) du nicht rechtzeitig eingegriffen hast;
Rechtschreibduden 15. Auflage 1961_
Hier ist das Hauptsatz-„trotzdem“ dominant geworden, die Nebesatzkonjunktion wird als ältere Form betrachtet.
_ trotz (Präp. mit Gen.
trotz des Regens, trotz vieler Ermahnungen;
auch, bes. südd., schweiz. und österr., mit Dat.
trotz dem Regen;
mit Dat. auch, wenn der Artikel fehlt, und immer, wenn der Gen. Plur. nicht erkennbar ist:
trotz nassem Asphalt, trotz Atomkraftwerken;
ebenso in: trotz all[e]dem, trotz allem;
ein stark gebeugtes Substantiv im Sing. ohne Artikel und Attribut bleibt oft schon ungebeugt: trotz Regen [und Kälte], trotz Umbau;
trotz|dem
- trotzdem ist es falsch;
- auch als Konj.: trotzdem (älter trotzdem dass) du nicht rechtzeitig eingegriffen hast;
Rechtschreibduden 21. Auflage 1997_
S. o.
_ trotz
Präp. mit Genitiv, seltener mit Dativ> [aus formelhaften Wendungen wie »Trotz sei …«, »zu(m) Trotz«]: obwohl eine Person oder Sache einem bestimmten Vorgang, Tatbestand o. Ä. entgegensteht, ihn eigentlich unmöglich machen sollte; ungeachtet; ohne Rücksicht auf: trotz aller Bemühungen; trotz heftiger Schmerzen; trotz Beweisen; sie traten die Reise trotz dichten Nebels/trotz dichtem Nebel an; trotz Frosts und Schnees/trotz Frost und Schnee; trotz des Regens gingen wir spazieren; trotz allem/alledem blieben sie Freunde; trotz der/den Strapazen ihrer Tournee waren die Akteure quicklebendig.
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001
trotz|dem
[II entstanden aus: trotz dem, dass …]:
I. ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dessen ungeachtet: sie wusste, dass es verboten war, aber sie tat es trotzdem; es ging ihm schlecht, trotzdem erledigte er seine Arbeit.
II. (ugs.) obwohl, obgleich: er kam, trotzdem (standardsprachlich: obwohl) er krank war.
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch 2001_
Hier wird die Nebesatzkonjunktion nicht als veraltet , sondern als umgangssprachlich charakterisiert.
Kein einziges Mal aber wird „trotzdem“ als Nebensatzkonjunktion als falsch gekennzeichnet.
_Und schließlich der gute alte Grimm:
TROTZDEM ,
adv., noch recht jung.
- rückweisend auf etwas voraufgehendes, dem das nachfolgende entgegensteht:
- es ist mir trotzdem sehr leicht geworden FÜRST PÜCKLER briefw. 1, 385; es sollt trotzdem doch ein rechter aus ihm werden O. LUDWIG ges. schr. 2, 182; aber dasz trotzdem höhere und niedere arbeit selbst nicht auszer allem zusammenhange mit geburt und familie steht, wird wohl kein ruhiger beobachter bezweifeln W. H. RIEHL die dtsche arbeit 32; trotzdem war es nicht der rede wert, was der gast bis jetzt zu sich genommen G. KELLER ges. w. 5, 18; trotzdem war von anhänglichkeit … nicht die rede TREITSCHKE dtsche gesch. 1, 363; subst.: glauben ist immer das gleiche trotzdem, das gleiche unerhörte, das gleiche wagnis K. BARTH Römerbrief (1926) 74; erweitert trotzalledem, vgl. oben trotz allem unter trotz, präpos. sp. 1087:
doch wars um meinen armen hut
trotz alledem geschehen
HEBBEL w. 6, 381 W.;
ob armuth euer loos auch sei,
hebt hoch die stirn, trotz alledem!
FREILIGRATH ges. dicht. 3, 42;
das war ne heisze märzenzeit,
trotz regen, schnee und alledem!
nun aber, da es blüthen schneit,
nun ist es kalt, trotz alledem!
trotz alledem und alledem –
ein schnöder scharfer winterwind
durchfröstelt uns trotz alledem!
3, 176;
Bd. 22, Sp. 1115
er ist naiv trotz alledem F. TH. VISCHER ausgew. w. 6, 296 K.; den alten mann scharf heranzunehmen, widerstrebte Kriebow trotzalledem W. V. POLENZ Grabenhäger 2, 119. ungewöhnlich die präpositionale verbindung: trotz alles dessen ist er der beste gesellschafter KOTZEBUE schausp. 3 (1797), bruder Moritz 142.
- hinweisend auf einen nachfolgenden conjunctionalsatz und damit sich einer conjunction nähernd:
trotz dem dasz der Christus so tiefschneidendes wehthum daraus prophezeiht BETTINE dies buch gehört dem könig 1, 239; trotzdem dasz ich mir wahrhaftig nichts abgehen … liesz GAUDY s. w. 2, 64; trotzdem, dasz unsere ansichten über viele dinge fast diametral entgegengesetzte sind GEIBEL bei C. LITZMANN Emanuel Geibel (1887) 206; trotzdem dasz er den ganzen tag noch keinen tropfen getrunken hatte O. LUDWIG ges. schr. 2, 234; älter, aber anscheinend singulär: ich, der so niemals weisz wie wir in der zeit leben, und trotz dessen dasz ich selbst einen almanach stelle, keinen kalender im hause hatte (1771) GÖKINGK an Bürger bei STRODTMANN 2, 35.
- die entwicklung zur conjunction geht noch weiter, entweder bis zum einfachen trotzdem (s. u.) oder gelegentlichem trotz dasz:
Napoleon muszte den ort beschieszen, trotz dasz er ein eigenes haus darin hat HEBEL 2, 398 B.; trotz dasz sie im prinzip verschieden sind GERVINUS, s. briefw. zwischen Grimm, Dahlmann und Gervinus 2, 297, oder auch zu alleinstehendem trotz: trotz dies mein freund ist, so ist … doch VARNHAGEN V. ENSE Rahel 1 (1834) 574; trotz ihrs wehret HOFFMANN V. FALLERSLEBEN mein leben 4, 213; trotz ich dir dafür allen schimpf und schand angethan ANZENGRUBER ges. w. 1, 202; mundartlich: trotz är mirsch viel mol wisz (wies) MÜLLER-FRAUREUTH 1, 254. schon bei LUTHER steht ein vereinzeltes trotz dasz, entwickelt unmittelbar aus der interjection: szo sprech ich, das alle drei stuck … an keinem ort der schrift steht trotz das sie es anzeigen 6, 625 W.
TROTZDEM ,
conj., entstanden aus dem adverb trotzdem (dasz), aus dem sich auch trotz dasz und einfaches trotz als conjunctionen entwickelt haben,
s. trotzdem (adv.) 2 u. 3: sprang, trotzdem (sie) ihn am mantel festzuhalten strebten … aus dem (wagen)schlag GAUDY s. w. 2, 73; trotzdem will ich nicht gesagt haben 2, 64; trotzdem würde es derselbe gelehrte … als ein wahres majestätsverbrechen achten W. H. RIEHL d. dtsche arbeit 40; nachrichten …, die des alten Rochus herz, trotzdem es den Schweden zuneigte, mit stolz … erfüllten FONTANE ges. w. I 1, 15; trotzdem er eigentlich möchte I 1, 300; I 2, 11; I 5, 117; I 5, 118; I 5, 147; I 5, 155; I 6, 8; wie gering ist trotzdem (d. i. trotz der leichten zugänglichkeit), und trotzdem bereits in alpinen zeitschriften auf diese landschaften aufmerksam gemacht wurde, ihr besuch! H. V. BARTH nördl. Kalkalpen 397; trotzdem nun mensch und scholle … am Bramwaldhange beieinander sind HANS GRIMM volk ohne raum 1, 11; trotzdem das eine sich aus dem andern entwickelt P. ERNST tageb. (1934) 7._
Das nur zur Kenntnisnahme.