Schöpferische Steigerungen

Liebe Sprecher, liebe Hörer,

gestern in den Nachrichten: „…die vielbefahrenste Wasserstraße“, kurz darauf in Panorama „…unser meistverkauftestes Buch“. Was mir da noch fehlt, ist die vielstbefahrenste Autobahn - kann wohl nicht mehr lang dauern.

Nu aber die Frage: Wie kommt es zu solchen Missbildungen? Versucht der Sprecher, die Steigerung ("…ste") möglichst nahe an das zu steigernde Wort zu bringen? Jetzt beim Schreiben fällt mir auf, dass ich den falschen Begriff verwende - nicht von der Steigerung, sondern vom Maximum(?) ist die Rede. Egal: Was passiert da im Kopf des Sprechers? Irgendwelche nebelhaften Regeln scheinen da zu ziehen, immerhin passiert das verschiedenen Leuten völlig unabhängig voneinander. Wer weiß was?

Danke für jede Antwort!

so was ähnliches
Hallo

Vorhin las ich in der Zeitung von „hochaltrigen“ Menschen. Dazu fällt mir auf, das Leute in den Medien niemals als alt beschrieben werden. Ist es so schlimm alt zu sein, daß die Redakteure dies Wort scheuen wie der Teufel das Weihwasser?
Oder ist das nur ein „Geschwalle“ wie es ab und zu vorkommt?

Mit freundlichen Grüßen in die Runde

Der Wanderer

Hallo, Wanderer,

Vorhin las ich in der Zeitung von „hochaltrigen“ Menschen.
Dazu fällt mir auf, das Leute in den Medien niemals als alt
beschrieben werden. Ist es so schlimm alt zu sein, daß die
Redakteure dies Wort scheuen wie der Teufel das Weihwasser?

‚Jeder will es werden, keiner will es sein‘ - schlimm finde ich vor allem, dass einen das hohe Alter heute bereits in vergleichsweise jungen Jahren ereilen kann … will sagen: Solange sich in deutschen TV-Sendern, Redaktionen usw. der Begriff der ‚werberelevanten Zielgruppe im Alter von 14 bis 49‘ hartnäckig hält, darf man sich spätestens mit 49 Jahren zum alten Eisen zählen. Was natürlich ein ebenso großer Unfug ist wie dieses ‚hochaltrig‘ (das wahrscheinlich ein Synonym für ‚50 oder drüber‘ vorstellen soll).

Oder ist das nur ein „Geschwalle“ wie es ab und zu vorkommt?

Ja! Vor allen Dingen ist für mich solch sprachlicher Unfug, insbesondere wenn er mir in schriftlicher Form begegnet, ein Ausdruck von der Borniertheit und Faulheit dessen, der ihn verbrochen hat. Es ist schlimmm genug, wenn jemand, der sich Redakteur oder Redakteurin zu nennen beliebt, solche dämlichen Worthülsen produziert - dass dann aber offenbar auch nicht genug Problembewusstsein auf Seiten der Betreffenden vorhanden ist, als dass mal zu Wörterbuch, Rechtschreibe-Duden und Thesaurus gegriffen würde, finde ich noch sehr viel bedenklicher.

Mit besten Grüßen,
Frank

Hallo,

ein Beispiel wie „vielbefahrenst“ weist meines Erachtens auf mangelnde Grammatikkenntnisse hin. Der Sprecher/Schreiber behandelt das „viel“ wie ein eigenständiges Wort und steigert nur das seiner Meinung nach wichtigere zweite Wort.

Das „meistverkaufteste Buch“ ist eine Überreaktion, eine Doppelmoppelei, um auch ja ganz sicher zu gehen.

Aber grundsätzlich frage auch ich mich, was in den Köpfen von Leuten vorgeht, die so sorglos mit Sprache umgehen. Dabei meine ich nicht den berühmten „einfachen Mann auf der Straße“, sondern eben die Leute, die tagtäglich beruflich Meinungen und Sprache verbreiten und letztendlich keine Ahnung von ihrem „Handwerkszeug“ haben. Fehler macht jeder, aber schlimm ist es, wenn es einem egal ist, dass und was für welche man macht.

Eigentlich gehört deine Frage mal ins Psychologie-Brett. Vielleicht weiß da jemand über die tieferen Beweggründe solcher „Ausrutscher“ Bescheid.

Gruß

Irene

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

hallo,

ich habe auch schon des öfteren von " der optimalsten lösung" im fernsehn hören müssen … . . manchen leuten scheint einfach ein normaler komparativ noch nicht genug zu sein.

gruß
linda

Hi!

Nu aber die Frage: Wie kommt es zu solchen Missbildungen?
Versucht der Sprecher, die Steigerung ("…ste") möglichst
nahe an das zu steigernde Wort zu bringen? Jetzt beim
Schreiben fällt mir auf, dass ich den falschen Begriff
verwende - nicht von der Steigerung, sondern vom Maximum(?)
ist die Rede. Egal: Was passiert da im Kopf des Sprechers?
Irgendwelche nebelhaften Regeln scheinen da zu ziehen,
immerhin passiert das verschiedenen Leuten völlig unabhängig
voneinander. Wer weiß was?

Das ist schlicht Sprachschlamperei, die leider immer mehr um sich greift, insbesondere in der Werbung und im Journalismus (z.B. kennt heute kaum mehr ein Journalist den Unterschied im Deutschen zwischen „Administration“ und „Regierung“). In dem Zusammenhang kann ich dir die Bücher von Wolf Schneider empfehlen, „Deutsch für Kenner“ oder „Deutsch für Profis“. Schneider hat schon vor Jahren auf die zunehmende Sprachschlamperei gerade in Fernsehen und Printmedien hingewiesen.

Grüße
Heinrich

Ironie des Schicksals?
Hallo Irene!

Fehler macht jeder, aber schlimm ist
es, wenn es einem egal ist, dass und was für welche man macht.

:wink:

Mich fasziniert, wie oft ich „so schnell als möglich“ höre, auch in den elektronischen und Print-Medien. Früher gab es noch Redakteure, die ihrer Muttersprache mächtig waren…

Gollum

Hallo, lieber Ralf,

das ist eine der vielen Sprachklippen, an denen die Sprechschiffer scheitern

Ich höre noch die bekannte Grüne-Abgeordnete, die verkündete: Wir sind die bestgebildetste Frauengeneration in der Geschichte Deutschlands …
Dies verrät auch historische Unkenntnisse. Aber lassen wir das.

Es gibt im Deutschen zusammengesetzte Adjektive, deren Vorderteil oder Präfix steigerbar ist, wie: viel, gut, hoch, weit. Das sind Wörtlein, die eine Quantität oder Qualität ausdrücken und sie sind wie schon gesagt steigerbar, der zweite Teil besteht aus Partizipien: fliegend, tragend, schallend, gebildet, gekauft, angezogen.

Parallel zur prädikativen (das Adjektiv steht beim Verb) verbalen Aussageform:
Er spring weit, sie springt weiter, und der Ball springt am weitesten,
wird bei diesen Adjektiven auch in der attributiven Stellung (wenn das Adjektiv vor dem Nomen steht) der erste Teil gesteigert.

Der höchstfliegende Ball, das meistgekaufte Buch, die bestgekleidete Frau, der meistgemachte Fehler.

Nun kann man, wenn man der Regel hier nicht sicher ist, mehrere Fehler machen.

höchstfliegender Ball: man steigert beide Teile.
hochfliegendster Ball: man steigert den falschen, hinteren Teil.

Das sind schon mal zwei Fehlermöglichkeiten.

Nun kommt aber noch hinzu, dass die obige Regel umgestoßen wird, wenn die Adjektive metaphorisch gebraucht werden. Auch dazu ein Beispiel.

Das Flugzeug fliegt am höchsten, es ist das höchstfliegende Flugzeug.

Die konkrete Höhe ist gemeint.

Der Politiker hat hochfliegende Absichten, sein Kollege hat hochfliegendere Pläne, und Möllemann hatte (vielleicht) die hochfliegendsten Pläne.

Die Pläne fliegen nicht wirklich.

Hochtrabendste Sprüche, großkotzigste Aussagen, kaltschnäuzigste Behauptung sind andere Beispiele dafür.

Dass bei so vielen zu beachtenden Regeln ein Fehler auftritt, kann dem gut est informiert esten Journal isten passieren.

Ich war hoffentlich nicht zu geschwätzig.

Gruß Fritz

Hallo Gollum,

Mich fasziniert, wie oft ich „so schnell als möglich“
höre, auch in den elektronischen und Print-Medien. Früher gab
es noch Redakteure, die ihrer Muttersprache mächtig waren…

Gollum

mir fällt ständig auf, dass kaum jemand die richtige Anwendung von: „wie“ und „als“ beherrscht (auch in den Medien).

Gruß Rotraut

„so schnell als möglich“

Hallo, Gollum, ich habe sobald als (es mir) möglich (war) auf Deinen Einwurf geantwortet. Es mag eine Verkürzung sein, ich empfinde sie jedoch nicht als falsch, denn eine Steigerung ist (mir) dabei nicht zu erkennen. „Als“ wird hier ganz offensichtlich im zeitlichen Sinne benutzt.
Hingegen wäre ein „wie“ an gleicher Stelle vergleichend und somit auch nicht verkehrt.
Grüße
Eckard.

Hi Gollum,

Mich fasziniert, wie oft ich „so schnell als möglich“ höre,

das kann aber auch mundartlich bedingt sein. Beides wird gesprochen, in manchen Dialekten sogar beides zusammen. Übrigens getreulich nach unserem Dichterfürsten, der da sagte:

Hier steh ich nun, ich armer Tor,
und bin so klug als wie zuvor!

Na - wo steht’s?

Gruß Ralf

Nicht verzagen, FAQ-Liste fragen!
Hallo ihr,

dazu haben wir doch unsere [FAQ:673].

Fritz

Na - wo steht’s?

Beethoven, Neunte!

Fritz

ups

Hallo Irene!

Fehler macht jeder, aber schlimm ist
es, wenn es einem egal ist, dass und was für welche man macht.

:wink:

Mich fasziniert, wie oft ich „so schnell als möglich“
höre und lese , auch in den elektronischen und Print-Medien. Früher gab
es noch Redakteure, die ihrer Muttersprache mächtig waren…

Gollum

Wenn mein Psychiater erfährt, daß ich von Printmediedien höre, erhöht er wieder die Neuroleptikadosis und dann bin ich dauernd müde und sabbere. :wink:

Gollum

Könnte ich davon ein Buch bekommen?

…wenn meine wenigen Literatur- und Grammatikvorlesungen nur halb so informativ und amusant zu gleich gewesen wären…

Grüße von Kim

Die Lösung:

Beethoven, Neunte!

'tüllich nich - in der Bibel kommt das vor: So sprach Pontius zu Pilatus, nachdem er die Folxmeinung ergründet hatte.

Gruß Ralf

Hi Irene,

Eigentlich gehört deine Frage mal ins Psychologie-Brett.

auf dem Weg dahin war ich schon, aber dann dachte ich mir, dass Lern psychologie nochmal was anderes ist. Iregndwo hat’s halt ein Ende mit der Spezialisierung.

Gruß Ralf

Dank an alle
Ich bin überwältigt! Am eigentlichen Thema sind wir wieder mal mit Hurra vorbeigeschrammt, aber das schadet nichts, war auch so sehr lehrreich und amüsant.

Ein schönes Wochenende!
Ralf

Könnte ich davon ein Buch bekommen?
…wenn meine wenigen Literatur- und Grammatikvorlesungen nur
halb so informativ und amusant zu gleich gewesen wären…

Hallo, Kim,

in den FAQs der Sprachbretter findest du einiges aus meiner Tastatur.
Ein Buch gibt es nicht.

Gruß Fritz

Antwort nun als [FAQ:1155]
Hallo, mit einigen Erweiterungen und Korrekturen ist aus meiner Antwort die ? [FAQ:1155] geworden.
Fritz MOD