Stadt, Land, Fluss

Hallo!

Ich habe ein paar Fragen, die recht wenig miteinander zu tun habe, außer dass sich alles um Geografie dreht:

  1. Städte: Warum gibt es sehr viele italienische Stadtnamen, die eingedeutscht sind (Rom statt Roma, Mailand statt Milano, Neapel statt Napoli, Venedig statt Venizia, …)? Warum gibt es das weder in Frankreich noch in England? (Genf und Lisabon sind die einzigen westeuropäischen Städte, die mir einfallen). Im Osten gibt es wiederum auch sehr viele, aber das könnte an den für unsere Zungen schwierigen slawischen Sprachen liegen.

Eine spezielle Frage zu Städtenamen: Wie heißt eigentlich St. Petersburg auf russisch?

  1. Geschlecht von Flüssen: Mir ist aufgefallen, dass fast alle deutsche Flüsse weiblich sind, mit ganz wenigen Ausnahmen (Rhein, Main, Neckar). Im europäischen Ausland verhält es sich ähnlich, wobei mir dort schon ein paar männliche Flüsse mehr einfallen (Ebro, Tejo, Tiber, Po, Don). Im außereuropäischen Ausland fallen mir ausschließlich männliche Flüsse ein (der Mississippi, der Amazonas, der Nil, der Kongo, der Ganghes, der Jangtse, …) Gibt es dafür einen Grund?

  2. Flüsse/Berge: Die deutschen Eigennamen haben für mich keine mehr erkennbare Bedeutung, während man bei Namen von Bergen meist noch erahnen kann, was sich der Namensgeber dabei gedacht hat (Zugspitze, Nebelhorn, Feldberg, Wasserkuppe, Schneekoppe, Jungfrau, …). Nur wenige Berge haben ähnliche myteriöse Eigennamen wie Flüsse: Eiger, Ifen, Belchen, … Daraus schließe ich jetzt mal ganz naiv, dass die Namen der Berge in der Regel jünger sind als die der Flüsse. Ist das richtig? Wenn ja, warum ist das so? Wenn nein, welche andere Erklärung gibt es dann?

Michael

Hallo!

Zur ersten Frage:

Im 11. und 12. Jahrhundert gab es eine deutsche Ostkolonisation. Deshalb sind im Osten viele Ortsnamen deutschen Ursprungs.
Für Italien kann ich den Grund nur vermuten: Teile Italiens gehörten auch mal zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Für Mailand und Neapel würde das zutreffen (gehörte den Habsburgern).
In Rom wurden zB die deutschen Kaiser gekrönt.
Mit den westeuropäischen Ländern hatte Deutschland nicht soviel zu tun, dass sich da deutsche Namen durchsetzen konnten.

Zur zweiten Frage:

  1. Geschlecht von Flüssen: Mir ist aufgefallen, dass fast alle
    deutsche Flüsse weiblich sind, mit ganz wenigen Ausnahmen
    (Rhein, Main, Neckar). Im europäischen Ausland verhält es sich
    ähnlich, wobei mir dort schon ein paar männliche Flüsse mehr
    einfallen (Ebro, Tejo, Tiber, Po, Don). Im außereuropäischen
    Ausland fallen mir ausschließlich männliche Flüsse ein (der
    Mississippi, der Amazonas, der Nil, der Kongo, der Ganghes,
    der Jangtse, …) Gibt es dafür einen Grund?

Die meisten deutschen Namen für Flüsse kommen aus den alten Sprachen (Latein, keltisch etc.)
zB: Der Rhein hieß früher einmal reinos. Dieses germanische Wort ist männlich und heißt „großer Fluss“.
Der Neckar bekam seinen Namen von einem alten Wort „nik“, das losstürmen bedeutet. Dann bekam er noch die männliche Endung „-ros“ angehängt. Aus nickros wurde im Laufe der Zeiten Neckar.

Bastian Sick hat in seinen Zwiebelfisch-Kolumnen auch einen Artikel darüber verfasst. Daraus hab ich auch diese Beispiele entnommen. Du findest diesen Artikel in „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2“ auf Seite 87 ff.

Gruß Alex

Hallo Michael,

  1. Städte: Warum gibt es sehr viele italienische Stadtnamen,
    die eingedeutscht sind (Rom statt Roma, Mailand statt Milano,
    Neapel statt Napoli, Venedig statt Venizia, …)? Warum gibt
    es das weder in Frankreich noch in England? (Genf und Lisabon
    sind die einzigen westeuropäischen Städte, die mir einfallen).
    Im Osten gibt es wiederum auch sehr viele, aber das könnte an
    den für unsere Zungen schwierigen slawischen Sprachen liegen.

Deine Beobachtung kann ich nicht nachvollziehen.
Die meisten deutschen und schweizer Städte haben in englisch und italienisch auch eingedingste Namen.

  1. Geschlecht von Flüssen: Mir ist aufgefallen, dass fast alle
    deutsche Flüsse weiblich sind, mit ganz wenigen Ausnahmen
    (Rhein, Main, Neckar). Im europäischen Ausland verhält es sich
    ähnlich, wobei mir dort schon ein paar männliche Flüsse mehr
    einfallen (Ebro, Tejo, Tiber, Po, Don). Im außereuropäischen
    Ausland fallen mir ausschließlich männliche Flüsse ein (der
    Mississippi, der Amazonas, der Nil, der Kongo, der Ganghes,
    der Jangtse, …) Gibt es dafür einen Grund?

Die Namen stammen meist noch von den Kelten.
Die Römer haben diese dann einfach übernommen.

  1. Flüsse/Berge: Die deutschen Eigennamen haben für mich keine
    mehr erkennbare Bedeutung, während man bei Namen von Bergen
    meist noch erahnen kann, was sich der Namensgeber dabei
    gedacht hat (Zugspitze, Nebelhorn, Feldberg, Wasserkuppe,
    Schneekoppe, Jungfrau, …). Nur wenige Berge haben ähnliche
    myteriöse Eigennamen wie Flüsse: Eiger, Ifen, Belchen, …
    Daraus schließe ich jetzt mal ganz naiv, dass die Namen der
    Berge in der Regel jünger sind als die der Flüsse.

Eigentlich nicht, auch hier haben die Kelten die meisten Namen vergeben und es ist fraglich ob du die Urssprünliche bedeutung der Namen erkennst (Ich bin da jetzt auch nicht besser als du).

MfG Peter(TOO)

Hallo,

hier der angesprochene Zwiebelfisch-Artikel:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,364…

Gruß,
Christian

Moin,

  1. Städte: Warum gibt es sehr viele italienische Stadtnamen,
    die eingedeutscht sind (Rom statt Roma, Mailand statt Milano,
    Neapel statt Napoli, Venedig statt Venizia, …)? Warum gibt
    es das weder in Frankreich noch in England? (Genf und Lisabon
    sind die einzigen westeuropäischen Städte, die mir einfallen).

Da gibt’s noch mehr: Kopenhagen, Nizza, Leiden, Lüttich, Brüssel, Athen,…es gibt dazu keinen festen Grund. Eingedeutscht werden oft Städte, die für uns schwierig auszusprechen sind. Und oft haben Städte im Deutschen noch ihren alten deutschen Namen statt des heutigen in der Landessprache. Auch werden größere Städte häufiger eingedeutscht als kleine. Aber sonst gibt’s da keine festen Regeln oder generelle Gründe.

Eine spezielle Frage zu Städtenamen: Wie heißt eigentlich St.
Petersburg auf russisch?

Санкт-Петербург, also „Sankt Peterburg“ :smile:

  1. Geschlecht von Flüssen: Mir ist aufgefallen, dass fast alle
    deutsche Flüsse weiblich sind, mit ganz wenigen Ausnahmen
    (Rhein, Main, Neckar). Im europäischen Ausland verhält es sich
    ähnlich, wobei mir dort schon ein paar männliche Flüsse mehr
    einfallen (Ebro, Tejo, Tiber, Po, Don). Im außereuropäischen
    Ausland fallen mir ausschließlich männliche Flüsse ein (der
    Mississippi, der Amazonas, der Nil, der Kongo, der Ganghes,
    der Jangtse, …) Gibt es dafür einen Grund?

Vermutlich, aber ich weiß ihn nicht.

Daraus schließe ich jetzt mal ganz naiv, dass die Namen der
Berge in der Regel jünger sind als die der Flüsse. Ist das
richtig? Wenn ja, warum ist das so? Wenn nein, welche andere
Erklärung gibt es dann?

Auch da bin ich überfragt.

Gruß

Kubi

osteuropäische, deutsche Städte
Hallo,

Im 11. und 12. Jahrhundert gab es eine deutsche
Ostkolonisation. Deshalb sind im Osten viele Ortsnamen
deutschen Ursprungs.

Genau. Es gibt einen Haufen osteuropäischer Städte, die deutsche Gründungen waren (z.B. die Hansestädte an der Ostsee wie Reval). Dann gab es eine Menge Städte mit einer starken deutschen Minderheit, so dass ganze Stadtviertel eine geschlossene deutsche Siedlung hatten, z.B. Odessa. Und dann gab es viele alte Siedlungen, die durch die Ostkolonisation deutsch wurden, dann aber ihren ursprünglichen Namen eingedeutscht behalten haben, z.B. Breslau, aber eigentlich fast alle deutschen Städte östlich der Elbe, deren Namen slawischen Ursprungs sind.

Weil es in Osteuropa so viele Bevölkerungsgruppen gab, haben viele Städte verschiedene Namen. Man kann also nicht sagen - wie oft in den Nachrichten gehört -„das frühere Preßburg“, sondern Bratislava heißt auf deutsch Preßburg. Ebenso kann man es mit Breslau/Wroclaw halten. Eigentlich ziemlich unkompliziert, aber leider national aufgeladen, und daher ein Politikum.

Viele Grüße,
Andreas

Hallo Christian,
zu dem Zwiebelfisch könnte man noch hinzusetzen:
Die Flüsse waren bei den Römern deshalb Maskulina, weil jeweils eine männliche Gottheit zuständig war.
So wird z. B. der Tiber im Geschichtswerk des Livius sogar als „pater Tiberine“ (Tiber-Vater) angesprochen.
Für die Kelten scheint mir, dass die Flüsse weiblich waren oder auch sein konnten; z. B. Isère, lat. Isara, wie auch unserE Isar. (Das Wort gilt als keltisch.)
Es wird sogar behauptet, dass die ältesten Wörter, die wir haben, geographische Bezeichnungen sind, die die neuen Einwanderer von der jeweils vorgefundenen Bevölkerung übernommen haben - noch vor den Kelten.
Schöne Grüße!
H.

Hallo Michael,

  1. Städte: Warum gibt es sehr viele italienische Stadtnamen,
    die eingedeutscht sind (Rom statt Roma, Mailand statt Milano,
    Neapel statt Napoli, Venedig statt Venizia, …)? Warum gibt
    es das weder in Frankreich noch in England?

Nizza z.B.

zudem haben viele deutsche Städte einen anderen Namen im Ausland
Munic für München
Aix la chapell oder Aken für Aachen
Cologne für Köln

Gandalf

Hallo,
Vielleicht täusche ich mich. Ich hatte immer den Eindruck, daß

besonders bedeutende Städte und Städte in Grenzregionen Namen in
verschiedenen Sprachen haben. Z.B. Nürnberg Norimberga Nuremberg ,
Lüttich Liège Luik. In beide Kategorien gehört Aix la Chapelle.
Was die Flußnamen und ihr Geschlecht angeht (in der ursprünglichen
Fragestellung), so möchte ich da nur auf Rhone hinweisen. Im
Französischen männlich, im Deutschen glaube ich normalerweise weiblich
verwendet, oder?

Hallo Michael,
zum Thema/Frage 3, Flüsse/Berge zitiere ich mal aus einem Buch von einer Adelbodnerin. (Adelboden liegt im hintersten Ecken eines Tales und hatte bis vor 125 Jahren kaum Touristen. Dann kam der lang ersehnte Strassenbau und dadurch hoffte man auf Erneuerungen, auf Aufschwung.

Nun, weiter im Buch steht dann: „Man durfte endlich auch daran denken, Hotels zu bauen; denn nun würden die Fremden erst so recht das verwunschene Alpenröslein [Adelboden]entdecken […] Die Adelbodner selber begannen die Berge […] nicht mehr bloss nach Kuhrechten zu betrachten. Niemand konnte es ihnen verargen, dass sie es bisher taten, denn ein ganzer Hag von Dornen der Not und des Hungers hatte sich bisher zwischen ihnen und der Schönheit ihres Tales erhoben“
Quelle: Doyon, Josy: Im Schatten des Lohners. Blaukreuz-Verlag, Bern.

Nun, das beantwortet die Frage nach dem Alter der Namensgebung von Bergen nicht. Aber was ich auch schon gelesen hatte und das Beispiel oben illustriert ist, dass die Berge nach den Almweiden zu ihren Füssen benannt werden können. Der Name wandert also von der Alm auf den Gipfel.
Dieses Beispel zeigt eher das Verhältnis der Bergbewohner zu ihren felsigen, überhohen Bergen. Heutzutage mag das immer nochähnlich gelten. Wohl geht der Almbetrieb einfacher mit Strassen, Melkmaschinen, etc. Aber es ist immer noch ein jährliches Abringen der Ressourcen, um für ein Jahr gesorgt zu haben.

Viele Grüsse
Albrecht

Hallo,

  1. Geschlecht von Flüssen: Mir ist aufgefallen, dass fast alle
    deutsche Flüsse weiblich sind, mit ganz wenigen Ausnahmen
    (Rhein, Main, Neckar).

das treibt mitunter seltsame Blüten: Normalerweise sind Fließgewässre, die auf
-bach enden (also wie z. B. Schwarzbach, Fischbach, Nesenbach), männlich. Ich
kenne allerdings ein Beispiel aus dem Taunus, wo ein kleines Flüsschen „die
Aarbach“ genannt wird. Konnte mir noch keiner erklären, warum …
Es gibt im übrigen auch kleinere Flüsse, die männlich sind: Der Kocher zum
Beispiel, oder der Regen. Und dann gibt es schon noch mehr: der Lech, der Inn,
der Eisack (und nicht die Eisack, wie man oft hört).

Gruß
Bolo

Hallo, Michael,

aus bekannten Gründen bin ich etwas spät dran. Da ich aber nicht sehe, dass ein anderer dir die folgenden Hinweise gegeben hat …:

Dieter Berger, Geographische Namen in Deutschland, Herkunft und Bedeutung der Namen von Ländern, Städten, Bergen und Gewässern.
Über 1.200 Artikel erklären 1.700 Ortsnamen, Ländernamen, Gewässer- und Gebirgsnamen. Die Entstehungsgeschichte der verschiedenen geographischen Namen wird außerdem erläutert. ISBN 3-411-06252-5 Buch anschauen [Buch anschauen]

Dietmar Urmes, Handbuch der geographischen Namen. Ihre Herkunft, Entwicklung und Bedeutung
Die spannende Entstehungsgeschichte geographischer Namen und Begriffe sämtlicher Kontinente, abenteuerliche Mythen, heitere Anekdoten und haarsträubende Flunkereien, ISBN 3-937715-70-3 Buch anschauen [Buch anschauen]

Du findest diese Bücher in der Literatursammlung, die ich einst mithalf anzulegen, was aber vilen Nutzern nicht mehr bekannt zu sein scheint.

Und wenn man schon die Eindeutschung vor allem italienischer Städtenamen erklären will, sollte man einfach mal ein bisschen historisch denken.

Milano hieß nicht immer so; Napoli ebensowenig.

Beide Stätte sind aber schon in der Antike den „Deutschen“ bekannt gewesen. Und zwar in ihrer damaligen Namensgestalt: Mediolanum und Neapolis.

Aus Mediolanum wurde nach den deutschen Sprachentwicklungregeln Mailand, nach den italienischen Sprachentwicklungsregeln eben Milano.

Aus Neapolis wurde nach der selben Weise einmal Neapel, nach der anderen Napoli.

Weiter:

Es ist ein Fehler zu glauben, Flüsse seien in der Regel feminin und nur in Ausnahmen masculin. Obwohl der statistische Befund dies suggerieren könnte. Man muss da bei jedem Namen die Etymologie ergründen und kann dann - vielleicht - erklären, warum so oder so.
Dies geschieht in den oben genannten Büchern.

Natürlich haben die seltsam klingenden Bergnamen ebenso eine Bedeutung wie die sich selbst aussprechenden.
Der Belchen heißt zum Beispiel so, weil er einen weithin sichtbaren kahlen Berggipfel hat, der von der Ferne hell leuchtet.
Das mhd. Wort „Belche“ bedeutet „einfach heller Fleck“; verwandt damit ist ahd. „belihha“ = Blesshuhn, ebenso das got. „bala“ = Blesse als Wort für ein Pferd mit Stirnblesse.

Soviel fürs erste. Es müssten sich im Archiv weitere Artikel zum Thema finden.
Fritz