Phasengang

Huhu,

also ich hab am Donnerstag mündliche Diplomprüfung. Ein kleiner Bestandteil meiner Prüfung wird der Bereich Elektronik sein. Dabei geht es hauptsächlich um OPs und Transistoren. Ich muss dabei ein Bode Diagramm und den dazugehörigen Phasengang lesen können. Das mit dem Bodediagramm funktioniert einigermaßen Nur hab ich keine Ahnung was das mit dem Phasengang auf sich hat. Was genau ist denn der Phasengang? Die dazugehörigen Formeln hab ich hier, kann aber nichts damit anfangen.
Kann es mir jemand leicht und verständlich erklären? Im Internet hab ich nur sehr tiefgründige und ausführliche Infos gefunden, die meist ein profundes Fachwissen voraussetzen. wer kann weiterhelfen???

grüße

Iris

Hallo Iris,

Kann es mir jemand leicht und verständlich erklären? Im
Internet hab ich nur sehr tiefgründige und ausführliche Infos
gefunden, die meist ein profundes Fachwissen voraussetzen. wer
kann weiterhelfen???

Nicht nur die Spannungsverstärkung ist Frequenzabhängig, sondern auch die Phasenlage zwischen Ein- und Ausgang.

Vielleicht solltest du einmal unter „Allpass“ nachsehen. Diese Schaltung hat theoretisch immer eine konstante Spannungs-Verstärkung, dreht aber die Phase je nach Frequenz.

MfG Peter(TOO)

Hallo Iris,

also ich weiss nicht, inwieweit du mit Uebertragungsfunktionen, LTI-Systemen und Laplace-Trafo vertraut bist. Jedenfalls ist ein LTI-System ein beliebiges System, das seinen Eingang linear auf den Ausgang abbildet. Das kann z.B. eine OP-Schaltung mit Widerstaenden, Kondensatoren, Spulen sein. Bei Transistoren musst du schon wieder aufpassen, dass sie im linearen Bereich betrieben werden, sonst hat man keine lineare Abbildung mehr vom Systemeingang zum Systemausgang.

Wenn Du nun irgendein Signal an den Systemeingang gibst, z.B. einen Sinus, und du willst wissen was am Ausgang fuer ein Signal rauskommt, musst du den Systemeingang mit der Impulsantwort des LTI-Systems „falten“ (nur im Zeitbereich). Da Faltungsintegrale relativ aufwendig zu berechnen sind, kannst du auch das Eingangssignal und die Impulsantwort des Systems zuerst Laplace-transformieren, und dann anstatt zu falten musst du die beiden Funktionen im Lapclace Bereich multiplizieren. Das Ausgangssignal, dass du dabei erhaeltst,ist natuerlich auch im Laplace-Bereich, und wenn du das Signal im Zeitbereich haben willst, musst du vorher inverse Lapclace-Trafo machen.

Und jetzt kommts. Die Laplace-Transformierte der Impulsantwort des LTI-Systems ist die „Uebertragungsfunktion“. Und die ist komplex. D.h. es handelt sich um eine gebrochen-rationale Funktion mit reellen und imaginaeren Groessen in Zaehler und Nenner. Diese komplexe Variable bezeichnet man meistens mit dem Buchstaben „s“. s kann man durch jw ersetzen. w („omega“) ist dabei die Frequenz, die im Bodediagramm auf der x-Achse aufgetragen ist, und zwar in logarithmischem Massstab. Und von dieser (reellen) Variable w haengt der komplexe Wert der Uebertragungsfunktion ab, wie bei „normalen“ Funktionen x von y abhaengt. w kannst du uebrigens als (Kreis)Frequenz des Sinussignals interpretieren, das du an den Eingang des LTI-Systems gibst. Und solange bei LTI-Systemen ein Sinussignal an den Eingang kommt, kommt auch ein sinusförmiges Ausgangssignal raus, welches die gleiche Kreisfrequenz, aber meistens eine andere Amplitude und Phasenlage als der Eingangssinus hat. Diese Phasenverschiebung gegenueber dem Eingangssinus, aufgetragen ueber alle moeglichen Frequenzen (in einem bestimmten Bereich) des Eingangssinus, ergibt dann den sogenannten ÄPhasengang". Die Amplitude des Ausgangssinus, die sich ebenfalls gegenüber der des Eingangssinus in Abhängigkeit von w ändert, wird im „Amplitudengang“ dargestellt. Dieser wird wird logarithmisch (in dB) aufgetragen. Der Phasengang wird linear aufgetragen. Die w-Achse wird ebenfalls logarithmisch dargestellt.
Phasengang und Amplitudengang zusammen auf einer w-Achse aufgetragen werden dann als „Bodediagramm“ bezeichnet.

Jetzt bleibt noch die Frage, wie man auf Amplituden- und Phasengang vom LTI-System kommt. Das macht man anhand der Übertragungsfunktion. Diese ist ja wie gesagt komplex. Und komplexe Zahlen haben Real- und Imaginärteil. Man kann sie aber ebenso in Polardarstellung angeben, und da besteht eine komplexe Zahl dann aus Betrag und Phase. Und dabei ist die grafische Darstellung des Betrag in Abhängigkeit von s bzw. w (s = jw) der Ampliutdengang und die graf. Darstellung der Phase in Abh. von s, bzw. w der Phasengang.

Insgesamt sagt dir das Bodediagramm also, welche Amplitudenverstärkung (=Amplitudengang) und welche Phasenverschiebung (= Phasengang) das Ausgangssignal gegenüber dem Eingangssignal bei LTI-Systemen hat, vorausgesetzt es handelt sich um sinusförmige Signale.

Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.
Wenn du Fragen hast, melde dich einfach.

Viele Grüße,

Stefan

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Hallo Iris,

Laplace hätte ich in der Diplomprüfung auch können müssen, kann ich aber heute noch nicht. Ich mache mir das Leben einfacher.

Wenn Du ein „System“ mit einer Übertragungsfunktion hast (Spannungs/Stromverhältnis bei einem passiven Bauteil, Ein-/Ausgangspannung bei einem 4-Pol, Schalldruck/Spannung bei einem Schallwandler - egal), und schickst ein Sinussignal als Eingangssignal hinein, kommt am Ausgang auch ein Sinussignal heraus (zumindest bei linearen Systemen). Aber der Ausgangssinus unterscheidet sich in 2 Punkten vom Eingangssignal:
1.) Die Amplitudenänderung in Abhängigkeit von der Signalfrequenz: Das ist der Amplitudengang.
2.) Die Nulldurchgänge von Ein- und Ausgangssignal sind nicht gleichzeitig, d. h., es gibt eine Phasenverschiebung. Diese Phasenverschiebung ist auch abhängig von der Signalfrequenz: Das ist der Phasengang.

Ohne Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit zu erheben: Im Bodediagramm wird der Amplitudengang vereinfacht dargestellt. Horizontale Linien: Die Amplitude ist in diesem Bereich (in erster Näherung) unabhängig von der Frequenz, steigende oder fallende Linien: Die Amplitude steigt bzw. fällt in diesem Bereich (in erster Näherung) mit der Frequenz. Dabei ist nicht jede Steigung möglich: Es gibt nur +/-1:1, 1:2, … 1:n.

Jeder Knick im Bodediagramm wird durch ein Blindelement im System verursacht und bedeutet eine weitere positive oder negative Phasendrehung von 90°. Es geht also nur +/-90, 180, 270 … n x 90°.

  • In den Bereichen, in denen die Linie im Bodediagramm konstant ist, ist die Phasendrehung (in erster Näherung) 0°.

  • In den Bereichen, in denen die Linie im Bodediagramm 1:1 steigt, ist die Phasendrehung (in erster Näherung) +90° (vorlaufend).

  • In den Bereichen, in denen die Linie im Bodediagramm 1:1 fällt, ist die Phasendrehung (in erster Näherung) -90° (nachlaufend).

Allgemein: In den Bereichen, in denen die Linie im Bodediagramm 1:n steigt, ist die Phasendrehung (in erster Näherung) n x 90°.

Das Verhalten in den Übergangsbereichen, also der Unterschied zwischen der Realität und der ersten Näherung, ist nicht unwichtig und sollte auch bekannt sein, es geht aber zu weit, es hier zu erklären.

Und noch etwas Wichtiges: Das alles gilt _nicht_, wenn Allpässe oder Laufzeitglieder eine Rolle spielen! Es geht nur um Übertragungsfunktionen, die sich aus Blindelementen (und natürlich realen) ergeben.

Grüße

Uwe

sollte

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Hu Uwe,

danke für diese ausführliche und einleuchtende Erklärung. Mir ist doch das ein oder andere Licht aufgegangen.

Grüßle

Iris

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