Nachvollziehen kann ich beide Seiten - die der Nichtraucher, die sagen, dass es Köperverletzung sei und die der Raucher, die sich nicht „belehren“ lassen wollen.
Was hier aber in der Diskussion nicht auftaucht, ist die Tatsache, dass Rauchen eine Sucht ist - und nicht nur eine psychische Abhängigkeit. Dass es dem einem gelingt aufzuhören und dem anderen nicht, liegt nicht an einem Grad x der Willensstärke allein, viele andere Faktoren beeinflussen den Erfolg oder eben Nicht-Erfolg des Aufhörens.
Nikotin ist ein Gift, das die Blut-Hirnschranke überwindet und die Neurotransmission verändert, d.h. also Neurotransmitter, die der Körper eines Nichtrauchers selber produziert, produziert ein Raucher deutlichst weniger, weil das Niktoin von außen kommt und die Rezeptoren belegt. Beim Aufhören mit dem Rauchen fehlt dem Gehirn dann tatsächlich etwas und er muss lernen diese Transmitter wieder selber zu produzieren und das dauert ziemlich lange.
Ob jemand diese Zeit nun durchsteht oder nicht liegt nicht nur daran, ob er Willenstark ist, sondern auch daran, wieviel Willen im Einzelfall gebraucht wird. Beim Einen ist die körperliche Abhängigkeit größer, beim anderen niedriger, das gleiche gilt natürlich für die psychische Abhängigkeit, der eine hat in der Pubertät angefangen zu rauchen, der andere als Erwachsener, der eine hat ein stabiles Umfeld und „sonst keine Sorgen“, der andere kämpft mit Permanent-Stress und damit stärkerer Gegenwehr vom Gehirn, der eine wird durch eine Schwangerschaft mit Glückshormonen duchflutet, die das Fehlen von Nikotin kompensieren, der andere landet nach der Geburt in einer Wochenbettdepression und dann wird wieder mehr Willen verlangt als beim Ersten.
Ich denke nicht, dass es Eltern egal ist, dass Rauchen schädlich ist - das kann mir niemand erzählen. Und wenn Befragungen durchgeführt werden, kommt immer wieder heraus, dass die Mehrheit der Raucher lieber nicht rauchen würde. Natürlich sind die Unterschiede und die Prozesse im Körper den wenigsten Rauchern bekannt, aber jeder kennt die Beispiele „meine oma hat auch nach 40 Jahren einfach so aufgehört“ oder „der hats nach 10 Versuchen nicht geschafft, der wills eben nicht“.
Wie soll nun eine rauchende Mutter / ein rauchender Vater reagieren, wenn ihn/sie jemand anspricht, dem das Rauchenaufhören relativ leicht gefallen ist und ihn belehrt, dass das schädlich ist, was er/sie tut?
Er/sie weiß das selbst und fast jeder von ihnen würde sagen, dass er/sie schon versucht hat aufzuhören und bei den meisten kommt dieser Versuch in der Zukunft auch wieder.
Leider ist Rauchen als tatsächliche Sucht nicht wirklich akzeptiert. Ich denke jedenfalls, dass einem nicht nur die Kinder leid tun sollten, sondern auch die Eltern - denn helfen kann man ihnen nicht dabei, davon loszukommen und mit Worten auf dem Spielplatz, die sie nur daran erinnern, dass sie bisher nur nicht Willensstark genug waren, schon gar nicht.
Ein Blick in www.ohne-rauchen.de eröffnet einmal Blicke in Tagebücher von Rauchern, die Nichtraucher werden wollen - mit allen Gedanken, Gefühlen, Geschehnissen, Rückfällen und Willensstärke - und warum sie es zum Teil eben doch nicht schaffen und wieder versuchen. Ich persönlich finde diese Tagebücher beeindruckend und eigentlich sollte ein Nichtraucher, der natürlich vollkommen zu Recht vom Raucher erwartet, sich in seine Lage zu versetzen, auch einmal hier rein sehen, wenn er sich von der Masse der Stammtischparolenschreier distanzieren möchte.
die Mücke