Rüben läutern

Hallo!
Irgendwo habe ich kürzlich über Landwirtschaft „von früher“ gelesen, da wurde erzählt, wie man die Rüben geläutert habe, im Sinne von auslesen oder vereinzeln …? Dann würden sie in Büscheln zusammengefasst und verkauft.

Leider weiß ich nicht mehr, wo genau ich das gelesen habe, bin aber immer auf der Suche nach Fachausdrücken und Methoden aus früher Landwirtschaft. Weiß hier jemand darüber Bescheid?

Gruß,
Eva

Servus,

Vereinzeln von Rüben war vor der flächendeckenden Einführung von Monogerm-Saatgut (= ein Keim aus jedem Samen) eine sehr ausgedehnte Beschäftigung, die je nachdem wie genau mans machte von Mai bis Juli viele Leute in Trab hielt. Das hat damit zu tun, daß bei Runkelrüben und Zuckerrüben mehrere Samen zu einer Sammelfrucht zusammengefasst sind, so daß man sie ohne Vereinzeln gar nicht kultivieren kann. Steckrüben, Herbstrüben und ähnliche (die bloß vom Wort her mit Runkelrüben verwandt sind, botanisch aber ganz was anderes) werden viel dichter gesät, als die erntereifen Pflanzen später stehen, weil man bei der Saat noch nicht wissen kann, welche der Pflanzen die optimalen Bedingungen finden und richtig stark werden.

Mindestens die ersten zwei Durchgänge beim Vereinzeln macht man von Hand mit der Hacke. Erst, wenn die Rüben bereits angesetzt haben und nicht mehr sehr dicht stehen, kann man die Überzähligen ausjäten.

Wenn dabei etwas rauskommen soll, was man zu Markt tragen kann, kann es sich wohl nur um Steckrüben oder Zuckerrüben handeln; Runkelrüben, schon seit je allenfalls in großer Not gegessen, geben da nichts her. Steckrüben wurden aber gern gemischt mit Runkelrüben angebaut, einen Acker mit beidem drauf habe ich noch 1983 gehackt.

Nun, vielleicht hat man irgendwann zwischen Blankenheim und Kaisersesch auch junge Runkelrüben gegessen - von heute aus ist es kaum vorstellbar, wie notig es in der Schneifel noch vor nicht so langer Zeit zugegangen ist. Sie machen allerdings einen ziemlichen Durchmarsch, so daß kaum zu sagen ist, ob man mehr zu sich nimmt oder mehr loswird.

Eine Art Latwerge von jungen Zuckerrüben könnt ich mir vorstellen, aber wissen weiß ichs nicht.

Schöne Grüße

MM

Hallo!
Diese Antwort kriegt selbstverständlich ein Sternchen!

Ich kann mich dunkel erinnern, dass ich als Kind beim SDpielen auf den Feldern am Waldrand ab und zu eine Futterrübe (Runkel-?)ausgebuddelt habe und - da stets stilecht mit einem Messer bewaffnet - auch angeschnitten und davon gegessen. Geht so :smile: Falls sich jemand schüttelt: Meine Schwester und ich haben auf den Weiden, die’s damals rund um Bitburg noch gab (jetzt steht da Bitburg-Ost)auch wilde Möhren ausgegraben und gefuttert, ganz zu schweigen von Walderdebeeren etc. Hat uns nix geschadet, Fuchsbandwurm haben wir auch nicht :smile:

Wahrscheinlich nennt man den Vorgang des Vereinzelns hier in manchen Gegenden „läutern“. Die Frau, die davon berichtete, klang auch nicht sehr begeistert. Sie musste wohl als Kind dabei mithelfen und fand es ziemlich uncool.

Danke & Gruß,
Eva

Habe grade noch mal -

  • bei Wikipedia geschmökert und sehe, die Steckrübe ist erst im 17. Jahrhundert aus Skandinavien nach Mitteleuropa gekommen.

Wenn im 14. Jhdt. von einem Rübenbauern gesprochen wird, dann hat der vermutlich Runkeln angebaut?

Gruß,
Eva

Steckrüben, Stielmus, Navets und Konsorten
Servus,

(brauchst nicht alles nochmal zu lesen, ich hab bloß den völlig verknoteten „Wintervorrat“-Satz nochmal bissel aufgebügelt) -

Die Information über die späte Einwanderung von Skandinavien her bezieht sich wohl nur auf die große, runde, gelbfleischige Form der Steckrüben.

Die Brassica rapa - Linie von Rüben, zu der Steckrüben, Herbstrüben, Teltower usw. gehören, auch die schmalen, zarteren Schwestern der Steckrübe „Navets“, die in Frankreich und England noch mehr verbreitet sind als bei uns, ist eine frühe Kulturpflanze (ca. 2 000 vuZ im vorderen Orient kultiviert), die im Mittelalter in ganz Mitteleuropa verbreitet war und viel angebaut wurde:

In nicht zu frostigen Klimaten (in der mittelalterlichen Warmzeit bis ca. 1300 wohl in großen Teilen des heutigen Deutschland, in Frankreich, Benelux und großen Teilen der britischen Inseln auch) kann sie den Winter über draußen bleiben. Das Problem Wintervorrat ist ja eigentlich erst später mit der Kartoffel gelöst worden, vorher hatte man halt neben dem eher raren Getreide sonst Ackerbohnen, Buchweizen, Kastanien und eben auch (Brassica-)Rüben.

Die roten und weißen Rüben Beta vulgaris, aus denen viel später auch die Zuckerrüben entwickelt wurden, sind zwar auch ein altes europäisches Lagergemüse, aber sie spielten keine so große Rolle. Die botanisch ebenfalls zur Beta vulgaris gehörenden Runkelrüben waren meines Erachtens seit je eher Viehfutter. Es gab als bekömmlichere, ebenfalls überwinternde und früh austreibende Form der Beta Vulgaris ja den Mangold, der keine so ausgeprägten Wurzeln macht.

Damit spiele ich den Ball zurück, weil mir keine ordentliche Lösung dafür einfällt, mit welchem deutschen Wort man die wahrscheinlich gemeinte Steckrübenform beschreiben könnte, weil man von Deutschland aus gelesen bei Steckrüben unmittelbar an die Gelben Wilhelmsburger denkt. Möglich wäre vielleicht, von „Rübstiel“ oder „Stielmus“ zu schreiben: Damit merkt der Leser immerhin unmittelbar, daß es sich um etwas handelt, was er nicht 1:1 bei Rewe im Regal findet. Stielmus wurde angebaut, indem man Mairüben und Herbstrüben ziemlich eng säte, so daß sie zwar fleischige Blattstiele, aber keine dicken Wurzeln entwickelten, und von Hand so erntete, daß man beim Vereinzeln den Rübstiel sofort verbrauchen konnte, und in geeignetem Abstand stärkere Pflanzen zum Ausbilden von Rüben stehen ließ.

In der italienischen bäuerlichen Küche, wo ja, wenn man mal die Speisen mit Migrationshintergrund Tomaten und Polenta weglässt, allerhand Mittelalterliches überlebt hat, ist eher Brassica rapa als „Cime di Rapa“ vertreten. Ich glaube aber, daß sich in der ganzen Brassica-Kante die Botaniker keineswegs einig sind, wo die Grenzen zwischen den verschiedenen Arten liegen und in wieweit es sich überhaupt um verschiedene Arten handelt - wenn Botanici mit „ssp.“ = Subspecies anfangen, zeigt sich eine gewisse Weglosigkeit…

Schöne Grüße

MM

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Im Grimmschen Wörterbuch steht unter läutern bei 1e: Im Forstwesen bedeutet läutern den Wald durch aushauen von Bäumen lichten.
Udo Becker

leicht ot
Hallo!
Auch ein Sternchen - ganz klar :smile:
Ich liebe solche Informationen!

Autoren sind sich dieser Problematik m.E. nie bewusst, wenn sie Mittelalterromane schreiben, die meisten jedenfalls nicht. Man setzt eben einen ins die Gegend und sagt, der ist Rübenbauer oder man findet, jemand sollte eine Gerberei betreiben, aber denkt nicht daran, dass die Gegebenheiten stimmen müssen. Man baut Häuser die mangels Material in dieser Form nicht gebaut worden wären usw. usf.

Ich selbst habe auch einen halb fertigen Roman irgendwo herumliegen, bei dem ich mit dieser Problematik gehadert habe. Leute sollten durch eine schöne grüne Gegend reiten, aus der Kalkfelsen spitzen.* Abends sollten sie Kaninchen fangen und mit Kräutern, die sie im Grünen pflücken braten. Bauen Kaninchen in solchen Kalksteingebieten? Was für Kräuter wachsen auf solchem Boden etc.? Da braucht man für die Recherche länger als für’s Schreiben :smile:))

Gruß,
Eva
*Wenn ich recht überlege, ähnelte die Gegend, die mir vorschwebte, dem Gebiet, in dem man weiland die Karl-May-Filme gedreht hat. Hm. Brauchte ich ja nur mal in der Richtung zu recherchieren und weiß dann, was da wächst und was nicht. Ob ich den Roman noch mal vornehme …?

Danke Dir -

  • ich denke, das kann man auf die Rüben übertragten!

Nochmal Danke & Gruß,
Eva

Hiho,

die schönste grüne Gegend, aus der Kalkfelsen spitzen, ist der Donaudurchbruch in der Gegend von Beuron. Karnickel hat es da keine, aber interessanterweise Gemsen! Es gibt Leute, die meinen, die dortige Population hätte möglicherweise seit der Würmeiszeit keinen Kontakt mehr mit den Schwestern aus den Alpen gehabt.

Wieauchimmer: Wenn man in so einer Gegend Karnickel ansiedeln will, braucht man unterhalb der Kalkfelsen („Schwammstotzen“ genannt) eine Talaue mit höherem Lehm- und Sandanteil, der von talaufwärts hereingetragen ist; geologisch ist das schon (aus)denkbar. Einfacher ists aber, in der Imagination die Kalk- durch Sandsteinfelsen zu ersetzen, etwa wie im Wiesenttal bei Behringersmühle (Wiege der deutschen Romantik!) oder auch im Dahner Felsenland. Oder natürlich auch im Elbsandsteingebirge. Sandstein in seiner gelblichen Ausprägung (vgl. das leuchtende Bamberg, Banz und Vierzehnheiligen) wirkt wärmer und leuchtender als der rote von Dahn.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin,

Einfacher ists aber, in der Imagination die
Kalk- durch Sandsteinfelsen zu ersetzen, etwa wie im
Wiesenttal bei Behringersmühle (Wiege der deutschen Romantik!)…

Wiegen der deutschen Romantik gibt es ja einige, Sandsteinfelsen im Wiesenttal bei Behrigersmühle habe ich allerdings noch nicht gesehen. In dieser Gegend steht Kalk- und Dolomitgestein an.

Gruß

Johnny

Hallo Johnny,

tut mir leid - da sind mir einige Erinnerungsbilder aus Bamberger Ferien durcheinandergepurzelt, und die ziemlich dichte Folge geologischer Schichten in der Region hat ein Übriges gethan.

Es sei angemerkt, daß diese Ferien über dreißig Jahre zurückliegen: Man konnte mit dem Zug noch nach Maroldsweisach, Scheßlitz und Schlüsselfeld fahren. Was vielleicht die Verworrenheit der erinnerten Bilder entschuldigen mag (nicht der Schienenbus nach Scheßlitz, sondern der Zeitabstand).

Schöne Grüße

MM