Bedeutung des Nationalismus

Hallo,

ich bereite mich gerade auf mein mündliches Abi in Geschichte vor und habe noch eine Frage. Und zwar meinte unserer Lehrerin, dass wir uns mit Nation und Nationalismus beschäftigen sollen… Ich habe mich versucht zu informieren, weiß aber nicht, ob das, was ich mir jetzt darunter vorstelle, richtig ist:

Die Ursprünge des Nationalismus liegen in der französischen Revolution. Das Motto der französischen Revolution war: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Während die ersten beiden Begriffe den Idealen der Aufklärung entsprechen, deutet der dritte „Brüderlichkeit“ auf eine neue Idee hin. Ein vertrauensvoller Umgang, wie er in einer Dorfgemeinschaft alltäglich ist, wurde nun auch auf Personen projiziert, die nicht in direktem Kontakt miteinander stehen mussten. Diese Gruppe bezeichnete man als Nation und jeder, der sich zu den Werten der Revolution bekannte, konnte an der französischen Nation teilnehmen.
Der Gedanke der Nation hat allerdings einen Doppelcharakter: Während er einerseits die politische Gleichheit einer Nation betonte, erfolgt gleichzeitig der Ausschluß der nicht zur Nation gehörigen Gruppen. Dieser Ausschluß erreichte während des 3. Reiches der Nationalsozialisten seinen Höhepunkt mit dem Versuch der vollständigen Vernichtung der Juden.

Danke, für andere Ideen, Verbesserungen, Ergänzungen, Korrekturen :wink:
nepomuk

Hi,

nur ganz kurz: Ich kann mir nicht vorstellen, dass DAS reicht, um eine Abi-Prüfung in Geschichte halbwegs ordentlich zu bestehen. Das ist ja nur ein Aspekt von einer Million, und im Übrigen scheint mir das eine zwar vertretbare These zu sein, aber doch nicht unbestreitbare Wahrheit. Es klingt ein wenig abgeschrieben oder auswendig gelernt.

Levay

jaja :wink: aber wo findet man dazu mehr? und so viel müssen wir dazu auch nicht wissen, wir müssen ja auch: Weimarer Republik, Machtergreifung, 2. Weltkrieg, Nachkriegsordnung, Blockbildung und so können, das kann ich gottseidank schon, jetzt fehlt noch der Nationalismus…

Hallo Nepomuk,

was Du beschreibst, ist „moderner“ Nationalismus. Die Wurzeln liegen ja wohl doch im Mittelalter, worauf schon das lateinische Wort nation hinweist. Schon damals gab es so etwas wie nationale Gefühle. Z.B. erregte sich im 11. Jh (?) ein englischer Mönch darüber, dass der deutsche Kaiser (der sich ja eigentlich als ein römischer Kaiser verstand) über die anderen europäischen Nationen erhaben fühlte.

Wichtig ist für die erste Phase des neuzeitlichen Nationalismus dessen Gleichklang mit dem Liberalismus. Dies ändert sich in Deutschland erst mit Bismarck, der die nationale Idee für Konservative entdeckt und ausnutzt.

Der Gedanke der Nation hat allerdings einen Doppelcharakter:
Während er einerseits die politische Gleichheit einer Nation
betonte, erfolgt gleichzeitig der Ausschluß der nicht zur
Nation gehörigen Gruppen. Dieser Ausschluß erreichte während
des 3. Reiches der Nationalsozialisten seinen Höhepunkt mit
dem Versuch der vollständigen Vernichtung der Juden.

Hier würde ich sagen, dass der Satz erst ab 1848 gilt, als die tschechischen Abgeordneten aus Böhmen ihr Mandat zur Paulskirche nicht annehmen, weil es eben eine deutsche Nationalversammlung sei. Trotzdem hielten auch danach Liberale-Nationale noch international zusammen, als z.B. die polnischen Aufstände von den Russen niedergeschlagen wurde und fast ganz Europa die Freiheit (und damit Unabhängigkeit) Polens forderte.

Vor allem aber würde ich in obigen Zitat von Dir die Judenfrage aus der Nationalismusdiskussion herausnehmen und der Rassismusdiskussion zuordnen. Andernfalls argumentiert man im Geist der Nürnberger Gesetze und nimmt den jüdischen Deutschen von damals ein zweites Mal ihre Zugehörigkeit zur deutschen Nation.

Grüße,
Andreas

Danke, für andere Ideen, Verbesserungen, Ergänzungen,
Korrekturen :wink:
nepomuk

Hallo,

nur mal ein paar Denkanstöße am Rande:

Eine Nation kann ja nicht per Verordnung gegründet werden.
Dazu gbt es einige Merkmale. Eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Geschichte gehört in der Regel dazu, ein staatlicher Rahmen und bestimmte kollektive Schlüsselerlebnisse.
Inofern ist die Idee mit der frans. Revolution irrig. Die Franzosen haben sich schon viele ehr als Nation begriffen, stätestens seit der Jungrau von Orleans und dem hundertjährigen Krieg gegen England.

Natürlich dedingt die Tasache, daß jemand zur eigenen Nation ngehört automatisch, daß andere nicht dazu gehören.
Aber Nationalismus beginnt wohl erst dann, wenn die eigene Nation über andere gestellt wird, wenn sie als etwas Besonderes gesehen wird.
In dem Zusammenhang stimmt übruigens auch der Vergleich mit dem 3. Reich nicht. Denn gerade die Juden gaben ja da einige Probleme auf, weil der Nationalsozialismus den Begriff Nation durch den Begriff Volk ersetzen wollte - und das ist nicht deckungsgleich. Was macht man dann mit eventuellen anderen Völkern und Nationalitäten innerhalb der Nation? Damals hat man den tollen Begriff des deutschen Staatsangehörigen erfunden, der z.B. die Juden bezeichnte als nicht zum Volk gehörig aber trotzdem staatsangehörig… na ja.
Ist halt alles nicht so einfach…

Gernot Geyer

Ich bin auf eine Definition gestoßen, die ich (der davon keine ahnung hat :wink: gut finde:

„Eine Nation ist eine Seele, ein geistiges Prinzip. Zwei Dinge, die in Wahrheit nur eins sind, machen diese Seele, dieses geistige Prinzip aus. Eines davon gehhrt der Vergangenheit an, das andere der Gegenwart. Das eine ist der gemeinsame Besitz eines reichen Erbes an Erinnerungen [Kultur, Sprache etc.], das andere ist das gegenwärtige Einvernehmen, der Wunsch zusammenzuleben, der Wille, das Erbe hochzuhalten, welches man ungeteilt empfangen hat.“

das ist von Ernest Renan… was sagt ihr?

Wenn sich Menschen aus sozialen oder sonstigen politischen Gründen, zu einer größeren Gruppe zusammenschließen, als es die Familie, die Sippe oder der Stamm ist, könnte man dies als die Geburt einer Nation bezeichnen. Die europäischen Nationen sind auf diese Art und Weise zustande gekommen.

Die Verlagerung der persönlichen Interessen auf dieses größere Ganze, ist Nationalismus. Die Nation wird hierbei zum Über-Ich, dem sich der Einzelne unterzuordnen hat oder der er einen allgemeinen Beitrag pflichtet.

gruß
rolf

Hi.
Der Begriff Nation ist bei Deutschland nur mit Vorsicht zu genießen.
Zwar gab es über Jahrhunderte ein Hl. Röm: Reicht dt. Nation, jedoch kann man zu der Zeit nicht von einem vereinten Deutschland sprechen und schon gar nicht von einer deutschen Nation…
Diese entwickelte sich erst im Zweiten Reich. (Wilhelminisches Reich)
Somit ist die Nation etwas sehr junges in Deutschland und etwas das noch im Begriff war aufzukeimen, als mit dem Untergang des Wilhelminischen Reiches, auch sie wieder schwand.
Die Deutschen waren nun keine Nation mehr im ideologischen Sinne sondern nur noch Bürger einer Republik.
Ich galube, es ist besonders wichtig in einer Abiturprüfung darauf zu verweisen, dass die Menschen sich nach einem König sehnten und wieder das Gefühl der Zusammengehörigkeit, die in der Weimarer Republik durch die vielen verschiedenen politischen aber auch sozialen Meinungen fast nicht mehr da war, erlangen wollten.

Als Tipp zur Vorbereitung empfehle ich die auch mal bei
http://www.dhm.de/lemo/home.html
vorbeizuschauen.
Dort findest du alles Nützliche zur deutschen geschichte nach Themen sortiert.
Und noch ein Tipp von mir:
Je mehr du über die Weimarer Republik und ihre Hintergründe, Freunde und Feinde sowie ihre Regierung und Auswirkungen hast, desto besser verstehst du den Nationalsozialismus!

Viel Erfolg bei der Prüfung, Oleinka.

Hi Gernot,

Eine gemeinsame Sprache und eine
gemeinsame Geschichte gehört in der Regel dazu, ein
staatlicher Rahmen und bestimmte kollektive
Schlüsselerlebnisse.

Ich möchte Dir widersprechen. Wie Benedict Anderson sehr schön ausführt, sind die gemeinsame Sprache, Geschichte und Schlüsselerlebnisse erst das Ergebnis der Nationbildung. Dazu gehört natürlich auch die Etablierung eines Schulsystems, um diese gemeinsame Sprache und die Geschichtsmythen in die Köpfe der Menschen zu bringén.

Italien ist hierzu ein gutes Beispiel. Es gibt ein sehr bezeichnendes Zitat des italienischen Politikers Massimo d’Azeglio (1798-1866) „Wir haben Italien gemacht, jetzt müssen wir die Italiener machen“. Denn zum Zeitpunkt der Vereinigung Italiens zum Nationalstaat gebrauchten nach Eric Hobsbawm nicht einmal 3% der Bevölkerung Italienisch als Alltagssprache.

Übrigens ist auch der Duden 1880 entstanden, also neun Jahre nach der Reichsgründung, um aus den deutschen Dialekten überhaupt eine einheitliche deutsche Sprache zu machen.

Und noch ein kleiner Hinweis zur französischen Revolution. Tatsächlich war das Vorbild der Franzosen die amerikanische Verfassung. D.h. die republikanische Nationenbildung fand zuerst in den Peripherien statt und wirkte dann zurück ins Zentrum, z.B. auch in den südamerikanischen Kolonien Spaniens.

Liebe Grüße
Burkhard

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Danke!

Also kann man sagern, das der moderne deutsche Nationalismus mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871, der Einigung Deutschlands, beginnt. Die vorhergegangende Revolution von 1848 scheiterte, hatte aber dasselbe im Sinn (konstitutionelle Monarchie)…
der deutsche Nationalismus steigerte sich dann weiter durch die imperialistische Weltmachtspolitik von Wilhelm II…

Später ist man über den Versailler Vertrag entsetzt, denn gerade nach dem durch die wilhelminische Kaiserzeit vermittelten übersteigerten Nationalbewußtsein stellt er eine harte Demütigung dar…

Ich weiß nicht ob das noch relevant für deine Prüfung ist, aber so kann man das auch nicht dastehen lassen.
Natürlich ist das deutsche Volk als Gemeinschaft angegriffen worden, aber ob damals schon ein wie du es nennst „übersteigertes Nationalbewußtsein“ geherrscht hat, ist zweifelhaft!
Viel schlimmer ist die Schmach, da man meint, man hätte den Krieg gewinnen können und die Feinde in den eigenen Rheien sucht (Dolchstoßlegende), und auch dass Deutschland die Alleinschuld zugewiesen wird. Außerdem spielen die hohen Reperationskosten und der Verlust von Elsass/Lothringen eine bedeutende Rolle.
Nicht zu vergessen ist dabei auch der jahrhunderte andauerde Zwist zwischen dem, was man irgendwie deutsch nennen kann und Frankreich.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Literaturempfehlung
Hi nepomuk,

die Frage ist, ob Du etwas über Nationalismus und Nation im Allgemeinen sagen willst, oder die spezifische (geschichtliche) Wirkung in einem bestimmten Land betrachten möchtest.
Bei ersterem wagt man sich in das Gebiet der Sozial- /Kulturwissenschaften vor, die das *Entstehen* von Nationalgefühl und Nationalstaat analysieren, während bei letzterem der Schwerpunkt nicht auf den theoretischen Fragen der Entstehung beruhen, sondern auf dessen empirischen geschichtlichen Auswirkungen.

Da es sich um das Prüfungsfach Geschichte handelt kann ich nur empfehlen, mehr Wert auf die empirische Betrachtung zu legen.
Dafür ist die bpb (Bundeszentrale für politische Bildung) sehr geeignet. Deren Veröffentlichungen sind definitiv als Quellen für ein Abitur anerkannt.

Dossier über „Nation und Nationalismus“ (Aus Politik und Zeitgeschichte (B 39/2004)):
http://www.bpb.de/publikationen/F2VZ9X,0,0,B_392004…

(dort finden sich aber unzählige andere Publikationen zu dem Thema)

Bei anderen (gerade Internetquellen) wäre ich *extrem* vorsichtig!

Grüße,
Phil

Schön hier von Anderson zu hören :smile: (OT)
.

Hi,

ich finde das Buch „Imagined Communities“ einfach genial! Es ist so klar und einleuchtend geschrieben, dass man sich anschließend fragt, warum man nicht gleich darauf gekommen ist bzw. warum immer noch Leute mit dem Nationalismus rumhüsern.

Außerdem finde ich es phantastisch, dass er sich nicht nur auf den klassischen europäischen Bereich bezieht, sondern seine Beispiele aus aller Welt nimmt.

Liebe Grüße
Burkhard

Hi Burkhard,

ich finde das Buch „Imagined Communities“ einfach genial! Es
ist so klar und einleuchtend geschrieben, dass man sich
anschließend fragt, warum man nicht gleich darauf gekommen ist
bzw. warum immer noch Leute mit dem Nationalismus rumhüsern.

das ging mir auch so. Allerdings stösst gerade das Konzept der Künstlichkeit von Nation bei sehr vielen Menschen auf Unverständnis.
(Habe mal den Versuch unternommen bei der letzten Fußball-EM darüber zu diskutieren :smile: )

Außerdem finde ich es phantastisch, dass er sich nicht nur auf
den klassischen europäischen Bereich bezieht, sondern seine
Beispiele aus aller Welt nimmt.

Ja, allerdings sehe ich bei Anderson, wie auch schon zuvor bei McLuhan und Ong, das Problem der Fixierung auf Technologie, als entscheidender Motor der Bewußtseinsveränderung. Sicherlich hat Andersons These, daß der Buchdruck grundlegend für die Ausbreitung des Gefühls für eine „vorgestellte Gemeinschaft“ ist, und zur Etablierung von Grapholekten und Nationalsymbolen führt, seine Berechtigung (Technologie verändert auf jeden Fall unser Bewußtsein). Jedoch folgten darauf unendlich viele technoide Untersuchungen, welche die verwendete Technologie vollkommen in den Vordergrund stellten (und das ist eine ethnozentristische Perspektive der Modernität).

Mit Andersons These ist es allerdings unmöglich vorhergehende gemeinschaftliche Staatengebilde zu erklären, die teilweise über ähnliche Mechanismen verfügten, wie die moderne Nation, da Anderson den Begriff ja ausschließlich der Moderne zuschreibt. Für alles vorhergehende benutzt Anderson den Begriff „culture“, welcher so schwammig ist, daß man damit kaum arbeiten kann. Und versucht man den Begriff „Ethnie“ stattdessen zu verwenden, wird die Sache nicht einfacher.
Erklär das mal jemandem, der sich nicht in den Wirrungen ethnologischer Theorien verkantet hat :smile: und versuche klar zu machen, daß die Historizität der Nation, die dann als Gegenargument gegen diese These angebracht wird, nur ein Mythos ist.

Viele Grüße,
Phil

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