Geschichte - Nation

Liebe/-r Experte/-in,

Bräuchte eine Erklärung mit eignen Worten des Begriffs „Nation“ im folgenden Text:

Die Idee der Nation hat ja zwei Seiten: Die dunkle eines militanten und gegenüber allen Andersdenkenden intoleranten und expansivem Nationalismus und diejenige, die darauf zielt, die verschiedenen Gruppen einer Gesellschaft über gemeinsame Ideen zusammenzuführen, sie in einem gemeinsamen Willensbildungsprozess zu einem freien Gemeinwesen zu vereinigen

( Das ganze wird in einem Text zur Revolution 1848 erwähnt, evtl hat das eine Bedeutung?! )

Ich bedanke mich schon im vorraus für die Antwort!!

Lg,Kathi

danke, dass Du mich ausgewählt hast. Ichantworte Dir und hoffe, dass Dir die Antwort weiterhilft. Ich bin gerne bereit einen Dialog aufzubauen und einige Zeit zu diskutieren:

Die Revolution von 1848 ist nicht denkbar ohne die Prozesse, die zu ihr geführt haben. Nach der Napoleonischen Zeit wurde auf dem „Wiener Kongress“ die Zeit der Restauration und des Biedermeiers eingeläutet. Dies bedeutet im Groben eine Rückkehr zu den staatlichen und nationalen Verhältnissen in Europa zu der Zeit vor der Französischen Revolution. Während einige europäische Staaten den Weg von einer regionalen zu einer nationalen Bildung gefunden haben, ist dies in Deutschland nur bedingt der Fall. In der Nationalhymne und in der - inzwischen verbotenen, ersten Zeile kommt die romantische Sehnsucht des Vormärz nach der Bildung einer einheitlichen Nation zum Ausdruck. Von den Nationalsozialisten wurden diese Zeilen dann umgedeutet als Anspruch von Hegemonie bzw. als Machtanspruch als Vorrang vor anderen Nationen. Dies ist Quatsch! Daher scheiden sich die Geister an der Idee des „Nationalen“ und der „Nation“, soweit es die Deutsche Nation betrifft. Die Idee des „Nationalen“ führte zur Revolution von 1848 in der Hoffnung, den vereinten deutschen Territorien unter dem Dach einer Verfassung eine nationale Heimat zu geben. Leider endete dies schon von Beginn an, in einem Desaster. König Friedrich Wilhelm IV. sagte, als ihm die Krone des Kaisers angeboten wurde: „Das Volk ist mir zum Kotzen“. 1871 wurde dann die „Deutsche Nation“ „von oben“ gegründet, von Adel und Militär - und nicht vom Volk. So wurde im späteren Verlauf die „Idee der Nation“ diskreditiert und von den Nationalsozialisten schließlich ins Groteske verdreht. Die Zeit des Vormärz (März 1848), grob gerechnet von 1815 bis 1848 wird als Zeit der Unterdrückung und des Rückschritts, der Reaktion betrachtet, weil etliche Territorien zusammengelegt wurden und zum großen Teil auch verschwanden. Aber das „System Metternich“ (Kanzler des Habsburgerreiches, aus Koblenz stammend) war auf Unterdrückung und Restauration ausgerichtet. Wenn man sich die staatliche Entwicklung Deutschlands über lange Zeit anschaut ca. 800 bis 1949, so fällt eben immer die verspätete Bildung einer Nation auf. Einen guten, schnellen und einfachen Einstieg, biete das Buch „Preußen“ von Christopher Clark. Ich selbst habe einen Vortrag darüber gehalten und kann das Buch daher nur empfehlen. Ansonsten auch die Begriffe „Vormärz“, Metternich mal bei Wikipedia eingeben.

Gerne stehe ich für weitere eine Diskussion zur Verfügung.

Gruß

Dipl.-Soz.-Wiss.
Thomas Kochem
Kirchstr. 42
56410 Montabaur
Tel.: 02602-9 4 7 8 7 61
Mobil: 0177-5 33 04 44

Vielen Dank für die schnelle Antwort !
Echt sehr ausführlich und sehr interressant.

Schreibe am Freitag eine Kursarbeit zu dem Thema Deutsche Verfassungstradition - Grundkurs!
Dh. Ich bräuchte auf meine Frage hin, eig nur eine kurze Erläuterung was in dem gegebenen Text unter dem Bergiff Nation zu verstehen ist.

Könnten sie nochmal konkret darauf eingehen?

Schönen Abend noch & Dankeschön!

Hallo Kathi!

Bin nicht sicher, ob ich deine Frage richtig verstanden habe, aber ich will es mal versuchen.
Eigentlich bin ich eingetragen als Experte für die Geschichte der Rockmusik, aber vielleicht kann ich dir trotzdem helfen (auch wenn ich ein wenig das Gefühl habe, dass du es dir mit irgendwelchen Hausaufgaben leicht machen möchtest…).

Entscheidend bei den beschriebenen Definitionen der Nation ist m.E. das Interesse, welches als staatstragender Gedanke hinter dem jeweiligen Verständnis von Nation steht.

Auf der einen Seite geht es um Erhalt, Festigung und Ausweitung der Macht der Führung der Nation. Hier ist das verbindende Element der Nation der Machtapparat. Dieses Verständnis von Nation ist beispielsweise mit einer Diktatur gleichzusetzen.

Die Macht wirkt hier von oben nach unten: Die Führung gibt vor, das Volk gehorcht.

Auf der anderen Seite gibt es eine Gemeinschaft, die sich aufgrund gemeinsame Attribute (Kultur, Sprache, Wertesystem,…) dafür entscheidet, eine Nation zu bilden. Das Gemeinwesen steht im Mittelpunkt, das heißt, die Verfolgung von Interessen und Zielen, die der Gemeinschaft der Menschen dienen, und nicht allein einer herrschenden Klasse. Dies war auch der Geist, der die Menschen 1848 antrieb, die Bildung einer Deutschen Nation zu fordern.
Dieses Verständnis von Nation deckt sich mit unserer Vorstellungen der Demokratie. Die Macht wirkt hier von unten nach oben: Die Menschen entscheiden darüber, wer regiert und was die Regierung tun soll.

Viele Grüße

Andreas

Hallo Kathi,

die deutsche Verfassungstradition beginnt mit dem deutschen Kaiserreich 1871 - 1918, wo vor allem die Nation und nicht das Individuum eine Rolle spielt. Das Individuum spielt erst mit dem Grundgesetz von 1949 in Deutschland eine Rolle. Es ist eben das Problem oder die Tatsache, dass die Deutschen erst mit dem Ende des dreißigjährigen Krieg langsam anfinden so etwas wie „Nation“ zu denken. Deutschland besteht bis heute aus verschiedenen Territorien und Ländern, was sich in dem föderalen Aufbau unseres Landes widerspiegelt. Im Deutschen lässt es sich eben endlos über den Begriff „Nation“ und wie sie moralisch zu bewerten ist debattieren. Nutze Deine beiden Kontrapunkte als Diskussionsgrundlage. Der Staat ist ein Regelwerk, der den Rahmen für das Zusammenleben setzt und dabei auch Gewalt einsetzt (Gewaltmonopol des Staates). Ob der Staat mit der Nation identisch ist - wunderbar, über dies lässt sich trefflich diskutieren und es gibt keine abschließende Antwort. Denke an das „Heilige Reich Deutscher Nationen“, wozu früher viel mehr gehörte, als nur die BRD. In dem Wort „Nationen“ kommt die unendliche Vielfalt der deutschen Stämme zum Ausdruck, die bis heute nicht viel kleiner geworden ist. Der Begriff „Nation“ lässt sich einfach definieren z. B. in Wikipedia nachzuschauen. Aber versuche vielmehr die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und diese dann mit der Verfassung/Grundgesetz zu vergleichen. So einfach ist der Begriff „Nation“ nun mal nicht und es wäre zu einfach ihn über Gewalt und/oder Gemeinsamkeiten. Der Nationalismus kommt aus der Revolution von 1848 und stellt die Überhöhung und Negation des Wunsches nach der Forderung nach einer selbstgewählten Regierungsform dar. Das System „Metternich“ hatte durch den Mangel an Reformen keine Ventile für die Veränderungen in der Gesellschaft und so explodierte der Kessel ausgerechnet - durch die dynastischen Systeme bedingt, unter dem Banner des Nationalismus und später des Nationalistischen. Diese Überhöhung und Negation betraf vor allem den Wunsch, einen eigenen Staat (z. B. Böhmen, Mähren, Slowakei = Tschechoslowakei) wider. Mit der Revolution 1848 war dieses Ziel fast erreicht, wurde aber mit Bajonetten und Scheinparlamenten niedergekämpft und endete in den Katastrophen des 20. Jahrhundert.

Hoffe, ich habe Dir geholfen.

Mit Nation ist hier ein Volk (in diesem Falle das deutsche Volk) gemeint, das eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Kultur hat, ein zusammenhängendes Territorium bewohnt und sich in einem gemeinsamen Staatswesen organisieren will. 1884 lebten die Deutschen noch in vielen verschiedenen Ländern (Fürstentümern, Königreichen). Ein Ziel der Revolution war es, alle Deutschen unter dem Dach eines eines gemeinsamen Nationalstaates zu vereinen. Bei anderen Nationen war das schon vorher geschehen. Dort stimmten die Grenzen des Staates im wesentlichen mit den Grenzen des Siedlungsraum des entsprechenden Volkes überein(z.B. Frankreich).

Viele Grüße
Reinhard

Nochmals Vielen Dank - eine Frage noch -
Was halten sie von meinem Lösungsvorschlag?
Gibt es etwas wichtiges, welches ich evtl ergänzen sollte?

Entscheidend bei den beschriebenen Definitionen der Nation ist m.E. das Interesse, welches als staatstragender Gedanke hinter dem jeweiligen Verständnis von Nation steht.

Auf der einen Seite geht es um Erhalt, Festigung und Ausweitung der Macht der Führung der Nation. Hier ist das verbindende Element der Nation der Machtapparat. Dieses Verständnis von Nation ist beispielsweise mit einer Diktatur gleichzusetzen.

Die Macht wirkt hier von oben nach unten: Die Führung gibt vor, das Volk gehorcht.

Auf der anderen Seite gibt es eine Gemeinschaft, die sich aufgrund gemeinsame Attribute (Kultur, Sprache, Wertesystem,…) dafür entscheidet, eine Nation zu bilden. Das Gemeinwesen steht im Mittelpunkt, das heißt, die Verfolgung von Interessen und Zielen, die der Gemeinschaft der Menschen dienen, und nicht allein einer herrschenden Klasse. Dies war auch der Geist, der die Menschen 1848 antrieb, die Bildung einer Deutschen Nation zu fordern.
Dieses Verständnis von Nation deckt sich mit unserer Vorstellungen der Demokratie. Die Macht wirkt hier von unten nach oben: Die Menschen entscheiden darüber, wer regiert und was die Regierung tun soll

Lg

Hallo Kathi,
Du bist auf dem richtigen Weg. Allerdings war die Revolution von 1848 keineswegs eine Revolution von unten, sondern - wie bei vielen Revolutionen üblich, der der bürgerlichen Schicht. Studenten etc. gehörten schon fast der besitzenden Klasse an bzw. standen dieser aufgrund ihrer Perspektive dieser fast an. Die Revolution von 1848 enttäuschte dann auch deshalb, weil das Bürgertum keine Rechtssicherheit durch eine Verfassung bekam. Geradezu grotesk mutet es an, dass das Parlament dem preußischen König dies Kaiserkrone anbietet und dieser dann auch noch ablehnt. Ärmer geht es nicht mehr!
Die Verbindung Nation und Macht gibt m. E. nicht, da jedes System seinen Machtapparat entweder öffentlich legitimieren lässt, wie in unserer Demokratie, bzw. nach 1848 gab es keine Kontrolle des Machapparates. Dies hat aber nichts mit Nation zu tun. Die verbindenden Element einer Nation wie Sprache, Kultur etc. kann man nehmen. Aber denkt man Deutschland, dann gibt es zahlreiche Kulturen und in fast jedem Dorf einen anderen Dialekt. Der Bayer versteht den Friesen nicht und umgekehrt. Also was könnte das verbindende Element sein. Bedenke auch, dass eine Strophe lautet: Von der Etsch bis an den Belt, von der Maas bis an die Memel! Wenn man heute nachdenkt, so kann in diesem riesigen Gebiet von einer einheitlichen Nation garantiert nicht die Rede sein. Was würden die Niederländer sagen, würden wir heute diese Strophe noch laut(hals) singen?

Bedenke: Es gibt keine endgültigen Antworte und die Diskussion ist noch immer offen.