Verlief die Reichspogromnacht nach Hitlers Vorstellungen?

Guten Tag!

Es ist auffällig, wie Görings Aussagen bei den Nürnberger Prozessen zur Reichspogromnacht und Schilderungen von Hitlers engsten Bediensteten inhaltlich übereinstimmen.

Demnach habe Goebbels die Aktion ohne Hitlers Mitwissen initiiert. Hitler sei, nachdem er von den Synagogenbränden gehört habe, im ersten Moment sehr überrascht und auch zornig gewesen.

Görings Schilderung bei den Nürnberger Prozessen:

„Am 9. November wurde der Marsch auf die Feldherrnhalle gefeiert, dadurch, dass dieser
Marsch jedes Jahr wiederholt wurde. Und hierzu kamen auch die entscheidenden Führer der Bewegung zusammen. Dies meinte Körner, als er sagte, dass alles nach München kam. Nachdem der Marsch vorbei war, trafen sich die meisten im Münchener Rathaus zu einem Essen, an dem der Führer ebenfalls teilnahm. Ich habe an diesen Essen an keinem Jahr teilgenommen, da ich den Münchener Aufenthalt an diesem  Tage benutzte, um nachmittags andere Dinge zu erledigen. […] Wie ich später erfahren habe, bei der Untersuchung, hat bei diesem Essen, nachdem der Führer es verlassen hat, Goebbels bekannt gegeben, dass der schwerverwundete Gesandtschaftsrat in Paris diesen Verwundungen erlegen sei. Es gab eine gewisse Erregung. Und daraufhin hat Goebbels scheinbar dann Worte über Vergeltung gesprochen und in seiner Art - er war vielleicht der allerschärfste Vertreter des Antisemitismus - hier die Auslösung zu den Ereignissen sicherlich gegeben, nachdem der Führer weg war. Ich selbst erfuhr von den Dingen tatsächlich bei Ankunft in Berlin."

http://youtu.be/AeqGANa7xRU?t=1h51m16s

Bedienstete über Hitlers erste Reaktion auf die Synagogenbrände:

https://www.youtube.com/watch?v=vmDC_az7maw

Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Hitler seinen Bediensteten diese Bestürztheit nur vorspielte und dass er über die Vorgänge insgeheim im Bilde war.

Servus,

Göring hat bei seinem Lügengeschichtlein vor Gericht nicht bedacht, dass Ereignisse, die am 7, November 1938 begannen, nicht gut von etwas veranlasst sein konnten, das am 9. November 1938 stattgefunden hat. Es ging Göring bei dieser Aussage darum, die erst Jahre später durch viele zusammengetragene Einzelheiten klar widerlegte Legende vom „Vorllckszorn“ noch ein wenig am Leben zu halten und davon abzulenken, dass es sich um eine schon länger geplante Aktion handelte, die angesichts der mal wieder drohenden Zahlungsunfähigkeit des Staates dringend geworden war.

Wenn Hitler bestürzt war, dann über das Ausmaß an Zerstörung von Gegenständen, die als Beute viel nützlicher gewesen wären und dem Staatshaushalt und den Kriegsvorbereitungen ein klein wenig Luft hätten verschaffen können.

Schöne Grüße

MM

Aha. Vielen Dank!

Interessant ist auch, wie Göring im Kreuzverhör den Kriegsausbruch rechtfertigen wollte:

_„Nur einmal versuchte er auch das Recht auf seine Seite zu bringen, indem er den Einmarsch in Polen mit dem ,Bromberger Blutsonntag’ begründete. Mehrere hundert Deutsche hätten damals ihr Leben gelassen, konnte da das Reich untätig zusehen?

Das rechtliche Intermezzo endete tragisch: Der Ankläger wies Göring im Kreuzverhör nach, dass jene blutige Auseinandersetzung in Bromberg, bei der auf beiden Seiten viele ihr Leben lassen mussten, drei Tage nach Beginn des deutschen Einmarsches in Polen stattgefunden hatte."_

http://www.zeit.de/1946/06/nuernbergs-zweite-phase/s…

Hallo,

man sollte auch berücksichtigen, dass Göring sicherlich bestrebt war, seine Ehre wiederherzustellen, oder zumindest im schlechtesten Fall einer Verurteilung zu entgehen. Einige seiner Mitangeklagten hatten mit hartnäckigen Lügen (oder Revisionismus) ja auch Erfolg. Zum anderen ist in den Jahren ja auch viel passiert, so dass einige Dinge auch durchaus mal unabsichtlich durcheinander geraten oder verdrängt sein konnten. Sicherlich aber fühlten die Verbrecher auf allen Ebenen einen großen Rückhalt für die von ihnen verübten Verbrechen in ihrer Zeit, selbst wenn sie wussten, dass dieser oft objektiv (öffentlich) nicht gerechtfertigt war.

Gruß
achim

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