Guten Morgen!
Der Denkansatz der DDR zur Studienförderung war folgender:
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Die Auslese für die akademische Laufbahn erfolgte nicht mit dem Abitur sondern prinzipiell in der 8. Klasse. Der Wechsel auf die erweiterte Oberschule (EOS) zur 9. Klasse stellte die eigentliche Hürde dar und trennte die höhere Bildung von der Berufsbildung ab.
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Die Zulassung zur erweiterten Oberschule hieß, daß für den Schüler mit 100%iger Garantie mindestens 1 Studienplatz vorgesehen wurde.
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Der Besuch der erweiterten Oberschule schloß die Möglichkeit zur Berufsausbildung oder zum Fachschulstudium nach dem Abschluß des Abiturs zu 98% aus. Wer auf die EOS gehen durfte, hatte zu studieren.
Die Argumentation des Regimes kann ungefähr so umrissen werden:
Die Gesellschaft hat in Dich und Deine Schulausbildung viel investiert. Du konntest eine fachlich hervorragende und ausgezeichnet ausgestattete Volksbildungseinrichtung besuchen, mit dem Ziel, die Reife zum Hochschulstudium nachzuweisen. Um diese besondere (!!) Zugangsberechtigung zu erhalten und Dir ungestörtes, sorgenfreies und zielorientiertes Lernen zu ermöglichen, wurdest Du durch die Einheitsschule von sämtlichen infrastrukturellen und materiellen Problemen befreit. Eine Berufsausbildung oder ein Fachschulstudium wäre nach dem Abschluß der erweiterten Oberschule reinste Verschwendung.
- Um die Schüler auf der EOS den Lehrlingen in der Berufsausbildung gleichzustellen und den Besuch der EOS konkurrenzfähig und attraktiv zu halten, wurde ab 1981 für den Besuch der EOS in den Klassen 11 und 12 Ausbildungshilfe gezahlt.
Nach dem gleichen Gedankengang wurde die Förderung der Studenten landesweit systematisch auf- und ausgebaut. Die Studenten sollten erstens keinesfalls auf Grund materieller Sorgen ihr Studium vernachlässigen, sondern es sollte konzentriert und zügig studiert werden, und zweitens mußte die akademische Laufbahn Attraktivität ausstrahlen, um ein Gegengewicht zur lukrativen Facharbeiter- und Meisterausbildung zu schaffen.
Alle Studenten erhielten das Grundstipendium. Die Summe schwankte über die Jahre, ich erhielt damals 200,- Mark pro Monat.
Einige Studenten erhielten Leistungstipendien und Prämien , z.B. für solide Studienergebnisse, Familiengründung während des Studiums usw.
Bei mir sah die Rechnung (1967-1972, Ingenieurwesen) so aus:
Grundstipendium 200,- Mark
+ Prämie 50,- Mark
herausragende Leistungen auf der EOS
(Lessing-Medaille in Silber)
+ Leistungsstipendium 200,- Mark
sehr gute Studienleistungen (mind. 1,5)
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**= staatliche Unterstützung je Monat 450,- Mark**
Zu DDR-Zeiten ziemlich viel Geld.
Da meine Freundin bzw. Frau ebenfalls studierte, erhielten wir wegen ihrer Förderung keine sonstigen Zuschläge auf unsere Stipendien, z.B. Prämien für unsere Kinder. Aber für junge Familien, und Akademikerfamilien im speziellen, gab es anderweitige Unterstützung, die nichts mit dem einheitlichen sozialistischen Bildungssystem zu tun hatten.
Gab es in der DDR soetwas wie BaföG oder die Studienstiftung?
Nein. Kein BaföG, keine Stiftungsvereine.
Im Gegensatz zum BaföG, was Studenten mit 10 000 Euro Schulden belastet, brauchten die Stipendien nicht zurückgezahlt werden. Und Studienstiftungen wären ohnehin total überflüssig gewesen. Die staatliche Förderung war sehr gut und viel besser als sämtliche heutigen Quellen - der Student wurde von seiner gesellschaftlichen Herkunft komplett losgelöst, so daß völlig sorgenfrei studiert werden konnte. Insbesondere talentierte und begabte Schüler/Studenten profitierten von vielen Sonderwegen.
Grüße
reinerlein