Hallo jiliane,
solche Fragen sind schwer zu beantworten. Warum?
Weil zwischen Familienmitgliedern andere Gesetze gelten KÖNNEN, als zwischen Fremden. Klar, die Erbfolge regelt das ja. Aber es gibt immer wieder Fälle, wo man davon abweicht. Dabei spielen verschiedene Dinge eine Rolle. Ich versuche einen Kurzüberblick:
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Vergiss den Einheitswert. Der spielt dabei überhaupt keine Rolle (für die Erbaufteilung - ich lasse Erbschaftssteuer hier unberücksichtigt, um es nicht noch unübersichtlicher zu machen)
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Sagen wir mal, beide Erben sind nicht nur „formal“ gleichberechtigt. Der Erblasser (Verstorbene) hat eben BEWUSST nichts anderes geregelt. Davon ist zunächst einmal als Außenstehender (Notar, Nachlassgericht, Testamentvollstrecker) auszugehen. Es kommt schon mal vor, dass er nichts anderes geregelt hat, aber vielleicht doch andere Ideen hatte, aber man kann vereinfacht sagen, mühsam im Nachhein darüber zu spekulieren (wenn es keine Einsicht dazu gibt - siehe 3.).
Dann ist der Fall ganz klar. Der MARKTWERT ist zugrunde zu legen. Beide Erben sollten GEMEINSAM einen Sachverständigen suchen, ihn GEMEINSAM beauftragen und beide sollten bei der Besichtigung dabei sein. Dann ist ganz klar (andere Vermögen/Schulden hier mal zur Vereinfachung außer acht gelassen), dass der, der das Haus übernimmt, dem anderen Erben die Hälfte des Marktwertes auszahlen muss. Gibt es sonst noch Schulden/Vermögen, ist das natürlich auch zu berücksichtigen.
Gibt es Zweifel an dem Wert, kann man natürlich ein Zweitgutachten anfertigen lassen (kostet wieder). Sich auf Kostenübernahme und auf den endgültigen Wert zu einigen, ist natürlich eine andere Sache (GUTER WILLE gefragt - siehe unten). Ohne Einigung ganz klar wird das Haus eben an Dritte verkauft und beide erhalten die Hälfte. Dann zeigt sich ja der „wahre“ Marktwert…
- Es KANN (muss aber nicht) gute Gründe geben, warum NICHT der Marktwert angesetzt wird. Dies sind aber alles Gründe, die vom GUTEN WILLEN aller Beteiligten abhängen. Fehlt es an diesem, gilt „Regelung 2.“ Welche Gründe könnten das sein? Hier ein paar typische Beispiele (eben ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
3.a. Einer der Erben hat den Verstorbenen über viele Jahre aufopfernd gepflegt - Konnte oder wollte der andere nicht pflegen - dies kann aus familiären, beruflichen oder anderen Gründen vielleicht auch gar nicht für den anderen Erben möglich gewesen sein - oder hat man sich gütlich damals auf diese Vorgehensweise unter allen Beteiligten geeinigt? War der Verstorbene gar nicht mehr in der Lage oder hat nicht daran gedacht, dies testamentarisch zu berücksichtigen? Je nach Konstellation führt dies zu unterschiedlichen Ergebnissen, wie man dies durch einen entsprechenden gesonderten Betrag für den, der gepflegt hat, berücksichtigen könnte (hat also mit dem Hauswert nur indirekt zu tun). GUTER WILLE und Einsicht aller ist gefragt - sonst, wie gesagt gehe zu 2. Außerdem kann man hinterfragen, ob man für die Pflege eines Familienangehörigen etwas Berechnen sollte (wenn auch im Nachhinein der Erbmasse). Eine andere Sichtweise kann sein, dass der, der gepflegt hat, auch große Opfer bringen musste und bei Drittpflege ungeheuere Kosten entstanden wären. Ein Vorschlag für so eine Berücksichtigung sollte, wenn überhaupt, von dem Erben kommen, der nicht gepfelgt hat, um dem, der gepfelgt hat, seine Dankbarkeit zu zeigen.
3.b. Einer der Erben hat außergewöhnlich hohe Eigenleistungen bei der Erstellung des Hauses geleistet. Dies sollte im Nachhinein (wenn leider nicht vorher) angemessen berücksichtigt werden (logischer Weise zugunsten von dem, der die Eigenleistung erbracht hat).
3.c. Die „Familie“ (man geht dann davon aus, das war auch der Wille des Verstorbenen) möchte UNBEDINGT, dass das Haus in der Familie bleibt! Bei dieser Konstellation gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten:
3.c.a. KEINER will das Haus (scheidet hier wohl aus - aber dann wird verkauft und der wirklich erzielbare Marktwert kommt zum Tragen)
3.c.b. Beide Erben wollen das Haus, aber es kann nur einer bekommen. Dann zieht wieder Regelung 2. der Marktwert wird zugrunde gelegt. Wenn beide stur bleiben, würde es ja an Dritte verkauft und es bliebe dann eben NICHT in der Familie!
3.c.c. Es war - schon zu Lebzeiten des Verstorbenen - eigentlich immer klar, dass nur EINER der Erben an dem Haus interessiert war. Der andere eigentlich nie. Da die Familie wollte, dass das Haus innerhalb der Familie bleibt, KANN der Erbe, der das Haus nie übernehmen wollte, nun dem Erben, der das haus übernehmen wollte/will einen Abschlag auf den Marktwert zugestehen.
Das ist aber rein GUTER WILLE von dem, der das Haus nicht übernimmt! Er muss das nicht. Auch dann sollte zunächst der Marktwert mit einem Gutachten ermittelt werden und danach liegt es an dem Erben, der das Haus nicht übernimmt, welchen Abschlag er zugesteht. Er muss ja auch für seine eigene Zukunft sorgen.
Auch die Vermögens- Einkommensverhältnisse beider Erben kann er (muss er aber eben nicht) dabei berücksichtigen. Bei Multimillionären sieht alles etwas anders aus. Und wieder anders, wenn der eine sehr Vermögend ist und der andere vielleicht bettelarm. Aber auch dann hängt das alles vom GUTEN WILLEN ab.
Er könnte natürlich auch stur bleiben, sagen (oder vortäuschen) jetzt sehr wohl an dem Haus interessiert zu sein oder auch offen eingestehen, dass er eben die Hälfte des Marktwertes will und dazu muss es notfalls (keine Einigung auf den Marktwert) an Dritte verkauft werden. Also wenn er stur bleibt, geht es raus aus der Familie und beide Erben erhalten die Hälfte des Verkaufspreises.
Abschließend einen Rat (aus Erfahrung mit diversen Erbschaften):
A. Ich empfehle, soweit wie möglich Dritte (auch Ehepartner) aus den Erbschaftsverhandlungen heraus zu halten. Das bedeutet natürlich NICHT, dass Ehepartner bei so wichtigen Entscheidungen, wo man künftig leben will, einzubeziehen sind und zur Information kommt es logischer Weise sowieso in einer normalen Ehe, aber die Verhandlungen über die Wertfeststellung und Aufteilung empfehle ich weitestgehend unter den Erben alleine auszuhandeln. Die hier beschriebenen Zugeständnisse sind freiwilliger Art aufgrund besonderer familiärer Umstände der Familie des Erblassers und daher sollten sie auch nur von diesen Familienmitgliedern überlegt und unter Umständen berücksichtigt werden.
B. Es ist eine Binsenweisheit, dass nicht jeder vom Temprament und Durchsetzungsvermögen gleich gestrickt ist. Gewachsene Rollen wie ältere, dominantere oder verwöhntere Geschwister spielen da eine Rolle, vermeintlich oder wirklich - je nach dem. Wie oben beschrieben, ist bei Abweichungen vom Marktwert (2.) GUTER WILLE gefragt. Das kann kein Notar und kein Testamentsvollstrecker erreichen. Die gehen stur auf Lösung 2. Also vorher vernünftig miteinander reden und besprechen, ob so eine Abweichung, wie oben unter 3. ausgeführt in Frage kommt. Wenn nicht, sollte das auch von allen akzeptiert werden, denn es gibt nunmal KEINEN Anspruch darauf. Lösung 2 ist der Normalfall. Dies sollte KEIN Grund für Erbschaftsstreitigkeiten sein (ist es aber leider immer wieder)
Aus den genannten Gründen kann die Ablösesumme niedriger werden (Deine 2. Frage). Auch bei der Zahlung KANN es zu Zugeständnissen kommen (alles freiwillig), wenn Gründe zu 3. ziehen und man sich darauf geeinigt hat. Zahlungszeitpunkt und Verzinszung bis dahin sind Möglichkeiten. Dies ist aber auch steuerlich zu beachten und auch Immobilienbesicherung und Bankdarlehen mit dem entgegen stehenden Sicherungsinteressen sind dann Thema.
Hoffe das hilft!
Schönen Gruß und viel Glück wünscht
ikarusfly