Ausserdem bin ich Kassierer in meiner Freizeit und Eichel hat
den ganzen Tag Zeit. Somit kann ich von ihm erwarten, dass
eventuelle Haushaltsprobleme nicht erst just nach dem 22.
Sept. auffallen. Nur darum geht es hier. Vor dem 22. war ja
alles in bester Ordnung…
Hallo Jörg,
schon seit etlichen Legislaturperioden finden Steuerschätzungen aufgrund zu optimistischer Wachstumsannahmen statt. Das so erhoffte Steueraufkommen wird dann bis auf die letzte Mark zuzüglich Neuverschuldung verplant. Selbst bei zutreffender Wachstumsschätzung ist bei solcher Vorgehensweise rein nichts in Ordnung, schließlich wird der Schuldenkarren per Neuverschuldung immer tiefer in den Dreck gezogen.
Nun erweisen sich die Wachstumsschätzungen seit vielen Jahren als blauäugig und ich vermute, die Sache hat Methode. Mit vorsichtigeren Prognosen, etwa in der Art eines solide rechnenden und persönlich haftenden Kaufmanns, würden sich schon bei der Erstellung des Haushalts viele Wünsche und Wohltaten als unbezahlbar entpuppen. Das Leben wäre für die Regierenden deutlich unbequemer, wenn sie sofort allen Interessengruppen sagen müßten, daß die Kasse leer ist. Ruhestandsregelungen für 58-jährige Staatsdiener dürfte es dann nicht geben. Über Beschäftigungsprogramme, nach denen Gewerkschaften unentwegt schreien, dürfte man nicht einmal reden. Manches Beschaffungsprogramm der Bundeswehr wäre indiskutabel usw… Hoch genug angesetzte Steuerschätzungen lassen das alles aber zunächst finanzierbar erscheinen, das Geld wird also verplant, als sei es tatsächlich vorhanden und das dicke Ende kommt später.
Ein vorsichtiger Kaufmann würde das zuletzt tatsächlich erlebte Wachstum (oder auch die Schrumpfung) für die kommende Periode als Planungsbasis ansetzen. Gibt es Handfestes, also Fakten und kein Wunschdenken, das eine bessere Entwicklung wahrscheinlich erscheinen läßt, mag das Wagnis höherer Ausgaben akzeptabel sein. Handfestes könnte z. B. eine Umstrukturierung sein, eine Reorganisation, die bessere Effizienz verspricht. Aber genau daran hapert es. Es wird nicht umstrukturiert. Die Kostenfresser bleiben stets unverändert. Immer noch leisten sich zig tausend Gemeinden einen oder mehrere Mitarbeiter, die nur hinter dem Tresen sitzen und im Stundenabstand eine Gebührenmarke ausgeben. In jedem Arbeitsamt sitzen Leute hinter einer Tür mit der Bezeichnung „Betriebsnummernstelle“. Auch eine einzige Nase in dieser Funktion hätte so gut wie nichts zu tun. Aber es müssen mehrere Nasen sein, weil es jeder Mitarbeiter im öffentlichen Dienst neben dem Urlaub auf rund 15% Ausfallzeit bringt (vermutlich wegen der irrwitzigen Arbeitsbelastung). Mir sind Beispiele aus der Wasserstraßenverwaltung des Bundes bekannt, wo Mitarbeiter regelmäßig ihren Behördensessel verlassen müssen, um vor Ort in 20 km Entfernung etwas zu verrichten. Dafür gibts extra einen Fahrdienst mit Fahrern, die nötigenfalls den ganzen Tag warten, um einmal am Tag 20 km zu fahren. Klar, der Mitarbeiter des technischen Dienstes ist ja schließlich kein Fahrer und um den VW zu fahren, muß man eben als Fahrer beschäftigt sein. Wurde ein Mensch für eine bestimmte Tätigkeit zum Beamten gemacht und wird diese Tätigkeit irgendwann nicht mehr gebraucht, dann … nein, dann muß er eben keine andere Tätigkeit übernehmen, dann hat er für den Rest seines Lebens ausgesorgt und muß keinen Finger mehr rühren. Ein Beispiel sind Lehrer(innen) für Maschinenschreiben. Wird kaum nocht als eigenständiges Fach gelehrt, aber die Lehrkräfte gibts noch. Wer sich von diesen Damen und Herren auf den Standpunkt stellt, mit PCs nichts am Hut zu haben, bleibt bei vollen Bezügen und Pensionsanspruch bis zum letzten Atemzug zu Hause - Beamtenrecht sei Dank.
Wenn also eine Regierung daran ginge, z. B. das Beamtenrecht auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen, wäre das eine Strukturmaßnahme, die Geld frei macht. Mit diesem Geld ließen sich anderweitig initiierende Maßnahmen finanzieren, die wiederum Steuern bringen, statt nur Einnahmen sinnlos zu verpulvern. Mit solcher auf harten Fakten gründenden Hoffnung auf höheres Steueraufkommen läßt sich der Vorgriff auf zukünftige Einnahmen (=Neuverschuldung) rechtfertigen. Bisher aber lassen es alle Regierungen beim Vorgriff auf zukünftige Einnahmen bewenden und vergessen die harten Fakten.
Die Ansprüche sind bescheiden geworden. Immerhin will die Schröder-Regierung sparen. Aber keine Sorge: Das Sparen wird nicht übertrieben. Es wird ja nicht etwa so viel gespart, daß die Einnahmen reichen, um die Ausgaben zu decken. Um Himmels Willen! Wo kämen wir denn hin!? Das wäre ja solide und sowas haben wir noch nie gemacht! Es wird deshalb nur so viel gespart, um mit den neuen Schulden und etwas Glück gerade so am Blauen Brief aus Brüssel vorbei zu schrammen.
Gruß
Wolfgang