Schlanker Staat - warum?

Hallo liebe Community,
warum wünschen sich reiche Menschen denn einen schlanken Staat - was bringt das für Vorteile? Danke

Hallo,

nun ja, ein „schlanker“ Staat soll zunächst einmal weniger Kosten verursachen. Da ein „schlanker“ Staat weniger Ausgaben hat, braucht er auch weniger Einnahmen, auch Steuern genannt.

Auf der anderen Seite ist ein „schlanker“ Staat natürlich auch ein „schwacher“ Staat. Je weniger Schranken der Staat setzt, desto freier kann sich die Wirtschaft „entfalten“.

Dies sind meine Erklärungsmuster, die nicht unbedingt korrekt sein müssen. Ich persönlich halte den „schlanken“ Staat allerdings für einen neoliberalen Irrweg.

Gruß,
Steve

Auch hallo,

woher nimmst Du die Erkenntnis, dass sich „reiche Menschen“ einen schlanken Staat wünschen? Offenbar muss dies ja nach Deiner Ansicht wenigstens die Mehrheit der Reichen sein.

vdmaster

Hallo!

warum wünschen sich reiche Menschen denn einen schlanken Staat

Definiere „schlanker Staat“ oder befrage Wikipedia und du wirst darauf kommen, dass nicht nur reiche Menschen eine leistungsfähige, effiziente Verwaltung und Verzicht auf entbehrliche Bürokratie für sinnvoll halten.

  • was bringt das für Vorteile?

Gegenfrage: Welchen Vorzug hätte eine in effiziente Verwaltung?

Beispiel: Beschaffung eines Müllsacks anno 2002:
Der Bürger begibt sich zur Gemeindeverwaltung. Eine Müllsackdienststelle o. ä. ist auf der Wegweisertafel im Eingangsbereich nicht aufgeführt. Also klopft der Bürger an eine Tür mit einem Schildchen „Ordnungsamt“. Tatsächlich, da ist er richtig. Der Bürger trägt der Ordnungsamtsmitarbeiterin sein Anliegen vor. Die Ordnungsamtsmitarbeiterin geht daraufhin zu einem Rollschrank und entnimmt ihm einen Formularsatz, geht zu einem weiteren Rollschrank und greift dort zu weiteren Formularen. Sodann begibt sie sich wieder an ihren Schreibtisch und füllt ein Formular „Laufzettel“ aus, außerdem ein Formular „Entnahmeschein“ mit mehreren Durchlägen sowie ein Quittungsformular, ebenfalls mit mehreren Durchschlägen. Der Bürger bekommt nun einen Stapel Papiere in die Hand gedrückt, oben drauf der abzuarbeitende Laufzettel.

Also los in den 2. Stock zur Kasse. Dort warten, weil die Kasse gerade nicht besetzt ist. Nach nur wenig mehr als einer Ewigkeit kommt jemand den Gang entlang geschlurft. Aha, die Kassenbesetzung. Der gibt der Bürger den Stapel Quittungsformulare. Nach Zahlung von 3 € für den Müllsack erhält der Bürger den abgestempelten und um ein Exemplar dünner gewordenen Stapel Quittungen zurück. Nächste Station des Laufzettels, auf dem korrekt das anzusteuernde Stockwerk nebst Zimmernummer vermerkt ist. Am Tresen warten, bis sich eine der Damen bemüht, näher zu kommen. Sie - ganz Fachfrau - sieht den Stapel Papier in der Hand des Bürgers, weiß sofort Bescheid und verlangt die verbliebenen Quittungen und den Formularsatz „Entnahmeschein“. Der Bürger hat inzwischen den Überblick verloren und fragt nach dem weiteren Gang der Dinge. Ihm wird beschieden, dass nun mit dem Entnahmeschein das Materiallager angewiesen wird, einen Mitarbeiter zu beauftragen, einen Müllsack in das von mir zuerst besuchte Zimmer zu der Dame, die bienenfleißig die Formulare zusammengestellt und ausgefüllt hatte, zu bringen.

Der Bürger müsse jetzt nur noch einen Moment im Wartebereich Platz nehmen. Der brave Bürger tat, wie ihm geheißen, ging also wieder ins Erdgeschoss und wartete. Tatsächlich öffnete sich alsbald die Tür des Zimmers, die der Bürger schon als erste Anlaufstation kannte. Und - oh Wunder - auf dem Schreibtisch der Sachbearbeiterin lag unter allerlei ausgefüllten und abgestempelten Formularen ein säuberlich zusammengefalteter Müllsack. Voreilig wollte der Bürger schon zum Gegenstand seiner Begierde greifen. Aber ganz so einfach gestaltete sich der Sachverhalt denn doch nicht. Erst musste er die abgestempelten Papiere vorlegen, die mit dem Papierstapel auf dem Müllsack verglichen wurden. Sodann wurden Name und Anschrift des Bürgers aktenkundig gemacht und er hatte eine Unterschrift über den Erhalt von 1 (in Worten. eins) Stück Müllsack zu leisten.

Im Verlaufe reichlich einer Stunde beschäftigten sich mindestens 4 öffentlich Bedienstete mit dem Vorhaben, einem Bürger einen Müllsack zu verkaufen, der in Farbe und Aufdruck so gestaltet ist, dass die Müllabfuhr der Gemeinde den ordnungsgemäß gefüllten (über diese Kunst gab es natürlich ein Merkblatt, seltsamerweise ohne Durchschrift und ohne Unterschrift zum Nachweis der Kenntnisnahme) und verschlossenen Müllsack beim nächsten Abfuhrtermin vom Straßenrand mitnimmt.

Satire? Nein! Übertreibung? Ich schwöre, nein. So lief es ab. Es ist aber schon eine Weile her, so dass es durchaus möglich ist, dass der Laufzettel noch etwas länger war.

Der Vorgang ist 13 Jahre her. Inzwischen gibt es das alte Amt mit dem Charme eines Bahnhofspissoirs nicht mehr. Auch die vielen Mitarbeiter, mit Blaupapier hantierend und auf Schreibmaschinen aus der Zeit der Bauernkriege hämmernd, gibt es nicht mehr. Die Müllsäcke gibt es noch, aber sie werden vom örtlichen Konsum verhökert, gehen über die Kasse wie Kaugummi und Käse. Das neue Amt ist ein Vorbild an Bürgerfreundlichkeit und übrigens auch guter Gestaltung. Man wird nicht mehr von Zimmer zu Zimmer geschickt. Eine Mitarbeiterin erledigt alles per EDV und ruckzuck. Ähnlich erfreuliche Veränderungen fallen auch beim Finanzamt auf. Dort gibt es eine Vitrine mit Fotos und fossilen Arbeitsgerätschaften (z. B. eine mechanische Tischrechenmaschine) aus einer anderen Zeit, die aber noch gar nicht lange zurück liegt.

Muss man Vor- und Nachteile effizienter Verwaltung wirklich noch erklären?

Zum Schluss die Anmerkung, dass man ein schlanke, also effizient arbeitende öffentliche Verwaltung nicht mit einem Gemeinwesen verwechseln sollte, das seine Aufgaben privatisiert. So kann man zwar auch zur Verschlankung kommen, gibt aber lebenswichtige Bereiche privatem Gewinnstreben anheim. Irgendwer muss die Gewinne finanzieren und das sind am Ende immer die Bürger. Wer auch sonst?

Gruß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

in einer anderen Zeit, die aber noch gar nicht lange zurück liegt.

war es immerhin auch schon ein erheblicher Schritt zur Verschlankung (im Vergleich zum vorigen Zustand), wenn zweimal die Woche ein Lastwagen die Lochstreifen von den Mainzer Finanzämtern nach Koblenz zur Verarbeitung im Rechenzentrum brachte. Die letzte dieser Fahrten hat wohl etwa 1992 stattgefunden.

Schöne Grüße

MM

Hallo, Steve,

Ich persönlich halte den „schlanken“ Staat allerdings für einen neoliberalen Irrweg.

Nicht notwendigerweise. Neoliberaler Irrweg ist der „magersüchtige Staat“, der seine proprietären Aufgaben in private (und damit profitorientierte) Hände legt.

Hier wie überall gilt es den richtigen Mittelweg zwischen den Extremen zu finden. Ob Post, Telefon, Wasserversorgung oder ÖPNV in staatlicher Hand dem Bürger besser und effizienter dienen als in privater Regie muss sehr genau überlegt werden.
Gruß
Eckard

Hallo,

Ob Post, Telefon, Wasserversorgung oder
ÖPNV in staatlicher Hand dem Bürger besser und effizienter
dienen als in privater Regie muss sehr genau überlegt werden.

ein privater Anbieter muss neben allen Kosten eine Rendite erwirtschaften.
Eine staatliche Institution muss das nicht, auch wenn es vielleicht wünschenswert ist.

Allein diese Differenz macht es, aus meiner Sicht, für einen privaten Anbieter sehr
schwer, bei gleichen Kosten (Arbeitsverhältnissen, Regularien, etc.) einen besseren
Service oder ein besseres Produkt zu liefern.

Gruß,
Steve

Allein diese Differenz macht es, aus meiner Sicht, für einen privaten Anbieter sehr
schwer, bei gleichen Kosten (Arbeitsverhältnissen, Regularien, etc.) einen besseren
Service oder ein besseres Produkt zu liefern.

Muss das den wirklich immer sein?

vor 25 bis 30 Jahren konnte man mit der Deutschen Bahn für etwa 25,00 Mark , in einer Gruppe von (ich glaube es waren) 4 Personen, (von hier aus) nach Köln und wieder zurück fahren.

Gut, die Wagons sowie die Bahnhöfe haben immer irgendwie nach Pisse gerochen und die komplette Infrastruktur war etwas „abgeranzt“…

Dafür gab es aber noch Ticketschalter, Schaffner (*) und vorallem ein Raucherabteil!

(*) Infofeld: "Schaffner"
Dort konnte man früher im Zug Fahrkarten kaufen; nicht zu verwechseln mit dem heutigen 1-Euro-Job-Leiharbeitszugpersonal aus dem offenen Strafvollzug, dass einen erstmal festnimmt und zusammenknüppelt, wenn man versucht eine Fahrkarte im Zug zu kaufen!

Heute gibt es dafür zwar moderne Züge, aber das war es dann auch. Die Fahrkarten gibt es nur noch aus scheiß Fahrkartenautomaten, die zum Teil sogar explodieren…

http://www.wz-newsline.de/lokales/duesseldorf/nach-e…

…und die einfache Fahrt kostet dafür nun etwa 25,00 EUR!

Ach ja - recherchieren, ob die Lokführer gerade zufällig arbeiten oder wieder mal streiken musste man damals auch noch nicht!

Früher war halt alles manches besser!

Darum fahre ich lieber mit dem Auto; das kostet dann für max. 5 Personen, hin und zurück, nur etwa 15,00 EUR (+ Zigaretten und Bier natürlich)

Gruß _unplugged

vor 25 bis 30 Jahren konnte man mit der Deutschen Bahn für
etwa 25,00 Mark , in einer Gruppe von (ich glaube es waren) 4
Personen, (von hier aus) nach Köln und wieder zurück fahren.

Und das bestimmt auch zu jeder beliebigen Tages-, Nacht- und Jahreszeit, oder?

Hallo!

Dafür gab es aber noch Ticketschalter, Schaffner (*)

Die vielen Nasen mussten aber auch bezahlt werden. Auch deren Altersversorgung. Alles aus dem Staatssäckl. An diesen Altlasten von Post und Bahn knabbern wir alle bis heute.

und vorallem ein Raucherabteil!

Deren Abschaffung hat mit Privatisierung nichts zu tun. Es waren schlichtweg unhaltbare Zustände. Unerträglicher Gestank, zum Schneiden dicke Luft, angesengte Klamotten, da musste man auch als Raucher mit vollkommener Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Gesundheit ausgestattet sein, um daran irgendwas Schönes zu finden. Außerdem bildeten Bier und Zigaretten für viele Leute eine zwingende Kombination. Überall Bierlachen, durch die Waggons rollendes Gefläsch und klebrige Sitze. Gut war nur dran, wer zwischendurch in ein Nichtraucherabteil flüchten konnte. Aber da war alles besetzt, gab es doch schon damals Leute mit weniger Todesverachtung.

Überall hat es hinsichtlich Rauchen und Alkohol einen spürbaren Wandel gegeben. In Amtsstuben und Büros wurde gequalmt und überall wurde Alkohol konsumiert. Viele tranken schon zum Frühstück Bier und es war weithin üblich, sich heftig angetrunken ans Steuer zu setzen. Das blieb nicht folgenlos. Es gab mehr Arbeitsunfälle als heute, brennende Papierkörbe und Putzlappenbehälter und im Straßenverkehr kamen die Leute trotz geringer Verkehrsdichte bis zu 17.000 Menschen p. a. zu Tode.

Die Rücksichtslosigkeit zog sich durch alle Lebensbereiche. Überall wurde hartnäckig zum Trinken animiert und wer keinen Alkohol wollte, galt als kein richtiger Mann, mindestens als Spaßbremse. Zigarrerauchend ein Krankenzimmer zu betreten oder sich Rauchschwaden ausstoßend über einen Kinderwagen zu beugen, gehörte zur Normalität. Dazu überall volle Aschenbecher und ausgetretene Kippen.

In den früheren Zeiten gab es (nicht nur deshalb) wenig Schöneres als heute.

Gruß
Wolfgang

Nato-Reserve
Hallo Wolfgang,

Die vielen Nasen mussten aber auch bezahlt werden.

ein Eisenbahner hat mir mal gesteckt, dass der Apparat der Bundesbahn so aufgezogen war, dass sie ohne wesentliche Einschränkung hätte weiterfunktionieren können, wenn alle Reservisten im Alter zwischen zwanzig und vierzig Jahren mobil gemacht worden wären - der Personalbestand also von heute auf morgen etwa halbiert worden wäre.

Der teure Preis von Bundesbahn und Bundespost demnach dafür bezahlt, dass 200.000 Mann Kanonenfutter das morgendliche Aufstehen nicht verlernten?

Absurderweise war mit der „NATO-Reserve“ von Dampf- und Diesellokomotiven sogar dafür gesorgt, dass man hätte weiterfahren können, wenn die russischen Sprengköpfe freundlicherweise bloß die Oberleitungen weggeblasen hätten…

Schöne Grüße

MM

Hallo,

Die vielen Nasen mussten aber auch bezahlt werden.

ein Eisenbahner hat mir mal gesteckt, dass der Apparat der Bundesbahn so aufgezogen war, dass sie ohne wesentliche Einschränkung hätte weiterfunktionieren können, wenn alle Reservisten im Alter zwischen zwanzig und vierzig Jahren mobil gemacht worden wären - der Personalbestand also von heute auf morgen etwa halbiert worden wäre.

Halte ich mal für ein Gerücht, dass bei der Beamtenbahn irgendwas passiert wäre, wenn da tatsächlich von heute auf morgen die Hälfte weg gewesen wäre, zumal dass dann ja ausgerechnet noch die leistungsfähigste Hälfte gewesen wäre. Wenn dann nur noch die Alten und Versehrten dagewesen wäre, dann hätte da mehr stillgestanden als heute bei einem Streik.

Der teure Preis von Bundesbahn und Bundespost demnach dafür bezahlt, dass 200.000 Mann Kanonenfutter das morgendliche Aufstehen nicht verlernten?

Halte ich für Käse. Mit Sicherheit wären da viele uk-gestellt gewesen, so dass die Reservisten, die sofort gezogen worden wären, niemals nicht die Hälfte des Personalbestandes ausgemacht hatten. Da hat sicher jemand die falsche Antwort auf die richtige Frage gefunden, warum da soviel sowenig bewegt haben.

Absurderweise war mit der „NATO-Reserve“ von Dampf- und Diesellokomotiven sogar dafür gesorgt, dass man hätte weiterfahren können, wenn die russischen Sprengköpfe freundlicherweise bloß die Oberleitungen weggeblasen hätten…

Da hatte wohl auch jemand nicht ganz zugehört. E-Loks fahren nun mal nach einem Atomschlag tatsächlich nicht mehr so richtig, und das auch vollkommen unabhängig, ob es der Lokführer überlebt hat ;o) Die eventuell nicht vorhandene Oberleitung ist da das geringste Problem, da sie wohl selbst bei Vorhandensein keinen Strom geführt hätte. Aus dem gleichen Grund übrigens, weshalb die E-Lok trotz Lokführer, Oberleitung und Strom drauf nicht gefahren wäre.

Was an der Geschichte dran ist, und womit wir zum Thema zurückkommen, ist der Umstand, dass auch da ein erheblicher Teil an Personal durchgeschleift worden ist, das man nicht gebraucht hätte. Dieses Personal kostet in der Tat bis heute und noch eine ganze Weile Alters- und Krankenversorgung, ohne dass dies damals in den Ticketpreis einkalkuliert worden wäre. Insofern hinken solche Vergleiche schonmal erheblich. Wird dann noch die allgemeine Preisentwicklung berücksichtigt, war es wahrscheinlich damals nicht wirklich viel billiger als heute. Einzelbeispiele wird es immer geben, wo es dann doch anders ist, aber im Durchschnitt wird man heute mehr Leistung für das Geld bekommen. Die Frage ist vielleicht noch, ob es dem Kunden nun etwas wert ist, dass die Post nicht mehr drei Tage braucht, sondern zum größten Teil am nächsten Tag ankommt oder das Züge und Bahnhöfe nicht mehr ganz so muffig aussehen und riechen.
Der Staat kann es halt nicht immer besser. Daher heißt schlanker Staat wohl nicht nur, dass das was er macht auch effizient gemacht werden sollte, sondern auch, dass er nicht alles machen sondern sich möglichst raushalten sollte und nur den Rahmen vorgibt. Wer sich etwa die intensivst staatlich bearbeiteten Märkte Landwirtschaft, Wohnen und Arbeit ansieht, bekommt eine Ahnung, was gemeint ist.

Grüße

Guten Abend, Martin!

Der teure Preis von Bundesbahn und Bundespost demnach dafür
bezahlt, dass 200.000 Mann Kanonenfutter das morgendliche
Aufstehen nicht verlernten?

Hört sich skurril an, aber auch nicht ganz abwegig. In Deutschland gibt es bis heute abertausende in der Nachkriegszeit gebaute Bunker aller Größen. In den 60ern gab es für Bauherren sogar einen Zuschuss für die Anlage eines Privatbunkers mit stabiler Decke, Vorräten und Radio, dazu ungezählte Bunker des zivilen Bevölkerungsschutzes. Diese Organisation gab es damals wirklich. Langjährige Mitgliedschaft befreite wie ein Wohnsitz in Berlin vom Wehrdienst. Immerhin war Deutschland von den damaligen Supermächten als Ort des ultimativen nuklearen Schlagabtauschs auserkoren. Für diesen Fall wurde dergestalt fürsorglich vorgesorgt, dass wenigstens ein paar Leute einige Wochen überleben und einige elementare Funktionen gewährleistet blieben. Die Rettung größerer Teile der Bevölkerung gehörte aber nicht dazu. Statt dessen gab es Kurse für Sanitäter, wie sie aus Massen verbrannter und verstrahlter Menschen noch wenigstens kurzfristig brauchbares Menschenmaterial aussortieren konnten.

Die damaligen Vorgänge führten bei mir bis heute zu bestenfalls sehr begrenztem Vertrauen in Regierungen jeglicher Couleur.

Gruß
Wolfgang

Guten Abend!

Wer sich etwa die intensivst staatlich
bearbeiteten Märkte Landwirtschaft, Wohnen und Arbeit ansieht,
bekommt eine Ahnung, was gemeint ist.

Beim Thema Wohnen meinst du bestimmt massenhaft Wohnquartiere in einst kommunalem Eigentum, die teils nach der Privatisierung vergammeln und andernteils luxussaniert werden, um sie als Eigentumswohnungen zu richtig viel Geld zu machen.

Bei manchen vom Staat betriebenen Einrichtungen war die prioritäre Aufgabe eher lästiges Beiwerk; im Vordergrund standen geheizte Stuben und Versorgung für Beamte. Daraus sollte man aber nicht schließen, dass private Betreiber alles besser machen. Es gibt nicht sehr viele Mieter, die glücklich über den nunmehr privaten Eigner sind, für dessen Rendite sie höhere Miete in allmählich verkommenden Quartieren zahlen sollen und damit rechnen müssen, rausgeekelt zu werden.

Gruß
Wolfgang

Servus,

u.a. in „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“ (Hg. Carl Friedrich von Weizsäcker) kann man (mit ein bissel Fleiß und Mühe, es ist recht trockene Kost) nachlesen, wie weit „fahren nicht mehr so richtig“ von dem entfernt ist, was (durchaus im Rahmen der von der NATO geplanten Szenarien) zwischen Rhein und Oder bereits bei einem „begrenzten“ nuklearen Konflikt innerhalb einer Zeit passiert wäre, die nicht reichte, um z.B. von Bonn nach Düsseldorf zu fahren.

Die Sandkastenspielchen, bei denen u.a. in den Bw Kempten und Ulm eine Art „Alpenfestung“ vorgesehen war, „Schutzräume“ für einen winzigen Bruchteil der Bevölkerung geöffnet werden sollten und dergleichen, waren eine Mischung aus Phantasmen mit pathologischen Zügen und trotz besseren Wissens verbreiteter Propaganda.

Insofern waren auch Dinge wie systematisches Vorhalten von Personalüberbeständen dort, wo es einen Krieg vorher am meisten geklemmt hatte, in ihrem Ergebnis für den V-Fall genau so belanglos wie die Förderung des Baus von Familienbunkerchen usw. und können nicht anhand von Plausibilität beurteilt werden.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

Wer sich etwa die intensivst staatlich bearbeiteten Märkte Landwirtschaft, Wohnen und Arbeit ansieht, bekommt eine Ahnung, was gemeint ist.

Beim Thema Wohnen meinst du bestimmt massenhaft Wohnquartiere in einst kommunalem Eigentum, die teils nach der Privatisierung vergammeln und andernteils luxussaniert werden, um sie als Eigentumswohnungen zu richtig viel Geld zu machen.

Meine ich nicht. Aber die Frage wäre doch berechtigt, warum sie der Staat verkauft anstatt sie selber als Eigentumswohnungen zu richtig Geld zu machen, um dann von dem Geld neue Wohnungen für Bedürftige zu bauen. Das wäre doch das allereinfachste. Bekommt der Staat aber offenkundig nicht hin.
Das Beispiel können wir dann auf Krankenhäuser oder die Müllabfuhr erweitern. Rein theoretisch müsste es der Staat mindestens genausogut können. Die Methoden der Privatwirtschaft sind ja kein Zauberwerk oder geheimes Expertenwissen und könnten auch vom Staat angewandt werden. Und es gibt auch Kommunen, die das ganz erfolgreich machen. Häufig fehlt da aber einfach nur der Wille rechtzeitig etwas zu verändern.
Bei vielen kommunalen Krankenhäusern kann man ein Lied davon singen. Notwendige Entscheidungen werden dort einfach nicht getroffen, weil das erst mit allen Stadt- oder Kreistagsfraktionen und dort nochmal nach Regionalproporz durchgekaspert werden muss. Das zieht sich ewig hin. Bis dahin laufen als falsch erkannte Entwicklungen kostenträchtig weiter. Irgendwann muss die Reißleine gezogen werden. Der neue, dann private, Eigentümer, setzt dann die notwendigen Maßnahmen innerhalb eines halben Jahres um, zu denen der kommunale Eigentümer jahrelang nicht fähig war. Der neue ist dann der böse, weil er Profit machen will. Dabei bedeutet Profit nicht unbedingt ein positiver Gewinn. Das auch auch schlicht bedeuten, dass das Krankenhaus jetzt nicht mehr 10 Mio. Verlust im Jahr macht, die der Kreis oder die Stadt ausgleichen muss, sondern nur noch 5 Mio. Die muss die Stadt oder der Kreis weiterhin ausgleichen. Aber es sind eben 5 Mio. weniger. Der private Betreiber will logischerweise für seine Arbeit einen Anteil daran.
Eigentlich müsste man die politisch verantwortlich ganz dolle schlagen, dass sie diese Entscheidungen nicht selbst umsetzen konnten. Aber auch für die ist es natürlich jetzt viel bequemer auf den privaten Betreiber zu schimpfen.

Bei manchen vom Staat betriebenen Einrichtungen war die prioritäre Aufgabe eher lästiges Beiwerk; im Vordergrund standen geheizte Stuben und Versorgung für Beamte. Daraus sollte man aber nicht schließen, dass private Betreiber alles besser machen.

Das schließe ich auch nicht. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass das ein Naturgesetz wäre. Ich beobachte eben nur die Praxis. Ein ganz großes Beispiel war bis vor 25 die realexistierende DDR. Dieses Beispiel fehlt uns heute leider ein bißchen.

Es gibt nicht sehr viele Mieter, die glücklich über den nunmehr privaten Eigner sind, für dessen Rendite sie höhere Miete in allmählich verkommenden Quartieren zahlen sollen und damit rechnen müssen, rausgeekelt zu werden.

Genau sowas ist die Folge des staatlichen Eingriffs, wenn der neue Eigentümer beim Kauf versichern musste, dass er niemanden kündigt und die Miete die nächsten x Jahre maximal um y Prozent erhöhen darf.
Man sieht also, dass der Staat gar nicht selber mit Personal tätig werden muss (die Frage der Effizienz dieses Personaleinsatzes stellt sich also gar nicht), um in Märkte nicht nur zu deren Vorteil einzugreifen. Die drei Märkte Wohnen, Landwirtschaft und Arbeit sind da drei gute Beispiel, da sich dort zeigt, wohin diese, sicher oftmals gutgemeinten, Eingriffe führen. Die Wohnungslage hat sich für die Bedürftigen in keiner Weise gebessert, eher das Gegenteil ist der Fall. Auf dem Arbeitsmarkt sieht es genauso aus. In der Landwirtschaft ist in den vergangenen Jahren immerhin Einiges passiert. Subventionen, Quoten usw. fallen weg und siehe da, wir verhungern nicht, obwohl immer mehr Flächen gar nicht mehr landwirtschaftlich im Sinne der Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Waren ja offenkundig sowieso zuviele, wenn da permanent staatlich subventioniert zu viel produziert worden ist.

Grüße