Beweggrund für Bewerbung zweifelhaft?

Hallo liebe Gemeinde,

ich habe mal eine Frage zum Thema Bewerbung. Da ich bisher seit dem Studium immer selbstständig war (oder für Nebenjobs zumindest nie in einem „üblichen“ Bewerbungsprozess gesteckt habe), brauche ich eure Hilfe. Die Bewerbung an sich bekomme ich schon hin (hab auch ein bischen bei jova-nova gestöbert).

Aber (und jetzt werde ich ausholen):

Ich möchte mich als tiermedizinische Fachangestellte bewerben. Ich bin zwar schon reeelativ alt für eine Ausbildung (28) und meine Selbstständigkeit liegt in einem anderen Bereich - aber das würde mir dennoch unheimlich liegen.
Mein Langzeitziel ist es, Tierheilpraktikerin zu werden. Ich weiß, dass man dafür die Ausbildung nicht bräuchte, aber ich will einfach Tierpraxis-Erfahrung. Meine Selbstständigkeit könnte ich während der Ausbildung runterfahren und später, so ich denn dann tatsächlich eine Praxis aufmachen will, wieder reaktivieren. Denn der Tierheilpraktiker an sich verdient in den meisten Fällen ja nicht so furchtbar viel.

Die Frage: Soll ich im Anschreiben mein Langzeitziel erwähnen (nicht so ausführlich wie oben *g)?
Einerseits ist das nun mal einer meiner Hauptbeweggründe, vermitelt dem Ausbilder vielleicht den Eindruck von Verantwortungsbewusstsein (dass man sich erst „grundausbildet“, obwohl man nicht müsste) und zeigt evtl. auch Zielstrebigkeit (weil es ein Plan ist, der auf mehrere Jahre angelegt ist).
Andererseits könnte der Arzt sich als Durchgangsstation empfinden, möchte lieber jemanden, der auch langfristig dabei bleibt. Außerdem besteht die Gefahr, dass er befürchtet, sich eigene Konkurrenz heranzuzüchten.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Den Plan im Anschreiben erwähnen oder nicht?

Liebe Grüße
Lockenlicht

Noch ein Pro-Argument
Ich noch mal,

ich möchte noch ein Pro-Argument anfügen, weil ich glaube, dass das relevant für die Beurteilung meines Problems ist:

Ich habe Deutsch und Biologie auf Lehramt studiert und auch abgeschlossen. Während des Studiums habe ich bereits meine Selbstständigkeit begonnen - eher im Bereich Sprache, also Germanistik.
Ein Arbeitgeber würde sich fragen, warum ich nun plötzlich eine Ausbildung machen möchte. Da würde meiner Meinung nach die Begründung („Grundstein für die Selbstständigkeit im tierischen Bereich“) die Schlüssigste sein.

Mit dieser Zusatzinformation - wie sieht die Einschätzung aus?

Liebe Grüße
Lockenlicht

Hallo,

Ich habe Deutsch und Biologie auf Lehramt studiert und auch
abgeschlossen. Während des Studiums habe ich bereits meine
Selbstständigkeit begonnen - eher im Bereich Sprache, also
Germanistik.
Ein Arbeitgeber würde sich fragen, warum ich nun plötzlich
eine Ausbildung machen möchte. Da würde meiner Meinung nach
die Begründung („Grundstein für die Selbstständigkeit im
tierischen Bereich“) die Schlüssigste sein.

Mit dieser Zusatzinformation - wie sieht die Einschätzung aus?

ganz ehrlich: Als potentieller Ausbildungsbetrieb würde ich Zweifel haben, ob ein Bewerber dieses Alters, mit einem solchen Lebenslauf und einer zur Ausbildung parallel laufenden Selbstständigkeit der richtige wäre. Das klingt für mich doch eher danach, dass der Bewerber mehr auf seine eigenen Interessen als die des Betriebes wert legt. Stellt ein Unternehmen jemanden ein, der zuvor selbstständig war, birgt das bekanntermaßen gewisse Risiken. Handelt es sich dann auch noch um eine Ausbildung und hat der Kandidat zuvor noch nie weisungsgebunden gearbeitet, bedarf es schon sehr guter Argumente, warum der Betrieb sich genau für diesen Kandidaten entscheiden sollte.

PS: Auf die Selbsteinschätzung, dass man schon wüsste, wie das mit den Bewerbungen so geht und das man das zur Not auf einer Internetseite nachlesen könnte, würde ich mich nicht verlassen.

Gruß

S.J.

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Huhu,

die Befürchtung habe ich natürlich auch. Versuchen werde ich es trotzdem, zu verlieren habe ich ja nichts.

Auf jeden Fall vielen Dank für die Aspekte, die ich bisher noch nicht bedacht habe (z.B. Stichwort „weisungsgebundenes Arbeiten“), diese kann ich dann ggf auch noch entkräften in der Bewerbung:wink:

Zu dem PS: Was würdest du empfehlen, bezüglich meiner Bewerbungsherangehensweise? Es liest sich so, als sollte ich einen Bewerbungsfachmann konsultieren. Ist das tatsächlich nötig? Bzw. heutzutage üblich? Natürlich lasse ich das ganze Ding Korrekturlesen und bitte um Eindrücke - aber bezüglich der Formulierungen und zum Teil auch bezüglich der Inhalte ist ja auch vieles Geschmacks- und Erfahrungssache. Und ICH muss doch dahinter stehen. Oder? Wolltest du auf etwas ganz anderes hinaus?

Liebe Grüße
Lockenlicht

Hallo,

die Befürchtung habe ich natürlich auch. Versuchen werde ich
es trotzdem, zu verlieren habe ich ja nichts.

stimmt.

Auf jeden Fall vielen Dank für die Aspekte, die ich bisher
noch nicht bedacht habe (z.B. Stichwort „weisungsgebundenes
Arbeiten“), diese kann ich dann ggf auch noch entkräften in
der Bewerbung:wink:

Lass es aber nicht so aussehen, dass Du in der Bewerbung nur evtl. auftretende Bedenken zu entkräftigen versuchst. Du musst den Betrieb nicht davon überzeugen, dass sie Dich trotzdem nehmen, sondern warum sie gerade Dich nehmen sollten.

Zu dem PS: Was würdest du empfehlen, bezüglich meiner
Bewerbungsherangehensweise? Es liest sich so, als sollte ich
einen Bewerbungsfachmann konsultieren. Ist das tatsächlich
nötig? Bzw. heutzutage üblich? Natürlich lasse ich das ganze
Ding Korrekturlesen und bitte um Eindrücke - aber bezüglich
der Formulierungen und zum Teil auch bezüglich der Inhalte ist
ja auch vieles Geschmacks- und Erfahrungssache. Und ICH muss
doch dahinter stehen. Oder? Wolltest du auf etwas ganz anderes
hinaus?

Das war schon mein Denkansatz und jetzt hört es sich schon ein wenig anderes an. Eine Bewerbung ist eine ernstzunehmende Sache. Auf jeden Fall andere Meinungen einholen und gegenlesen lassen. Richtig ist, dass es Deine persönliche Bewerbung ist. Insofern gehen die Tipps im Internet manchmal deutlich über das Ziel hinaus. Auf der anderen Seite können aber auch Kleinigkeiten wichtig sein, auf die Internetseiten nicht oder nur unzureichend eingehen.

Vielleicht stellst Du das Anschreiben anonymisiert hier ein. Dann gibt es idR. ehrliches, aber auch kritisches Feedback.

Gruß

S.J.

Das Anschreiben
Huhu,

dann werde ich es nun mal hier einstellen. Wenn auch widerwillig, denn, wie wir schon feststellten, jeder hat einen anderen Geschmack und eine andere Erfahrung. Ich selbst könnte hinter jeden Satz eine negative Interpretation schreiben (in der Form wie das hier oft bei der Interpretation von Arbeitszeugnissen gemacht hat), obwohl ich ganz zufrieden bin. Aber sei’s drum, Input ist gut.

Noch dazu zu sagen ist, dass wir hier von einem Landtierarzt sprechen, der wahrscheinlich sehr viel auf Bauernhöfen unterwegs ist. Wir wohnen hier im tiefsten ländlichen Gebiet. Hier dutzen Doktor und Bauer sich, auch wenn sie noch nie miteinander zu tun hatten:wink:
Und zweitens: Bis auf die Tatsache, dass der Tierarzt vermutlich schon alteingesessen ist, weiß ich nichts über ihn. Es gibt keine Internetseite und nur zwei ziemlich aussageschwache Reviews. Ich kann also nicht besonders auf „warum gerade da?“ eingehen.
Und weil wir hier in konservativen Gefilden sind und der Arzt vermutlich älter ist, habe ich wider den Empfehlungen doch einen Einleitungssatz gewählt. Nützt ja nichts, wenn die Fachleute sagen „das muss aber jetzt ohne“, mein Adressat davon aber gar nichts weiß. :smile:
Dann mal los, und sei(d) lieb! Namen und Orte habe ich ersetzt.

Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Tiermedizinische Angestellte

Sehr geehrter Dr. Who,

über das Jobportal der Arbeitsagentur bin ich auf Ihr Stellenangebot aufmerksam geworden.
Durch mein abgeschlossenes Studium der Biologie besitze ich ein umfangreiches Wissen in den Bereichen Zoologie, Genetik und Verhalten. Elementarer Bestandteil des Studiums war neben den theoretischen Inhalten außerdem die Praxis im Labor, wodurch ich gelernt habe, präzise und steril zu arbeiten.

Praktische Erfahrungen mit Tieren konnte ich bereits vor dem Studium sammeln. Da ich auf einem Bauernhof aufgewachsen bin, habe ich schon früh den Umgang mit Tieren verinnerlicht. Ich behandle Tiere verantwortungsbewusst und (er)kenne ihre Bedürfnisse. Gleichzeitig bin ich unempfindlich bei der Handhabung von Ausscheidungen, Blut und allen praktisch-zupackenden Tätigkeiten.

Da ich selbst Tierhalterin bin, kann ich den Anliegen und Sorgen der Kunden mit Empathie begegnen. Mit den gängigen Haustierarten bin ich vertraut und weiß, sie artgerecht zu behandeln. Auf mir unbekannte Tierarten gehe ich mit Interesse und ohne Berührungsängste zu.
Abgesehen von meiner Studienzeit habe ich mein ganzes Leben auf Krypton verbracht. Ich bin also mit Land und Leuten vertraut, was speziell in diesem Landkreis von großer Bedeutung ist. Wenn erforderlich, kann ich Beratungen auf Klingonisch (*Anm.: der hier gebräuchliche Dialekt*) durchführen, wodurch ich eine besondere Vertrauensbasis zu den Kunden schaffen kann.

Aufgrund meiner bisherigen freiberuflichen Tätigkeit bin ich es gewohnt, übergeordnete Pflichten zu organisieren. Deshalb stellen auch Verwaltungsaufgaben oder die Koordination von Kundenterminen für mich kein Problem dar. Trotz meiner Selbstständigkeit habe ich nicht verlernt, im Team zu agieren und weisungsgebunden zu arbeiten. Diese Eigenschaften kann ich bei meiner Beschäftigung an der Grundschule Hogwarts regelmäßig einsetzen.

Von meiner Motivation und meiner Freundlichkeit möchte ich Sie gerne in einem persönlichen Gespräch überzeugen.

Mit freundlichen Grüßen

Anlagen: Tabellarischer Lebenslauf, Zeugnis über die erste Staatsprüfung, Abiturze

Hallo,

Bewerbung um einen Ausbildungsplatz als Tiermedizinische
Angestellte

Sehr geehrter Dr. Who ,

wenn schon, dann einfach nur „der Doktor“ :smile:

Spaß beiseite. Ich finde es zu lang. Vor allem fehlt aber eine Begründung zur Motivation, warum Du nach den bisherigen Erfahrungen und dem Bildungsweg nun plötzlich etwas komplett anderes machen willst. Der Doktor wird sich fragen: Was will die denn?

Ohne eine schlüssige Begründung, warum sich jemand in dem Alter und mit dieser Ausbildung um einen Ausbildungsplatz bewirbt, wird der Doktor nur verwirrt sein.

Gruß

S.J.

Hallo,

Den Plan im Anschreiben erwähnen oder nicht?

Es gibt durchaus Ausbilder, die sich überhaupt nicht für deine Ziele interessieren. Deren Ziel ist dann: dich nicht übernehmen zu wollen (Azubi sind billiger). Suche nach Argumenten, eine Alte mit eigenem Kopf den vielen Jungen vorzuziehen. Der Wettbewerb ist groß.

Gruß
Otto

Wir werden sehen. Versuch macht kluch und es kommt möglicherweise auch nicht von ungefähr, das „jetzt noch“ jemand zum 1.8.2012 einen Platz zu vergeben hat.

Und zur Not mach ich halt ein Deckblatt und zentriere darauf „Auf alten Schiffen lernt man das Segeln“ :wink: