Re: Und noch ein Arbeitszeugnis
Hallo,
hab’ mich aus gegebenem Anlaß über Arbeitszeugnisse schlau gemacht (gute Adresse: www.arbeitszeugnis.de) und gebe folgendermaßen meinen Senf dazu:
_Zeugnis
XXX XXX
geb.am: xx.xx.xxxx in: xxx
war vom:xx.xx.xxxx bis xx.xx.xxxx
als Nightauditor am Front Office
in unserem Hause beschäftigt.
Unser Hotel der Luxuskategorie mit 139 Zimmern, 8 Bankett- und
Konferenzräumen (mit eine Kapazität bis zu 180 Personen),
einem Restaurant (130 Sitzplätze), einer Sommerterrasse, einem
Fitneßbereich liegt im Medienhafen in direkter Nachbarschaft
zu TV Sendern und Modefirmen. Es beherbergt nationale und
internationale Tagungs- und Seminarteilnehmer, aber auch
Geschäftsreisende und Touristen._
Hier beweihräuchert man sich selbst - unüblich und ein Indiz daß der Zeugnisschreiber kein wirklicher Profi ist, aber kein wirkliches Problem. Mann kann das ja so verstehen daß Du in einem Haus gearbeitet hast, in dem anspruchsvolle Kundschaft absteigt und Du deswegen einem gewissen Qualitätsanspruch genügen konntest.
Herr XXX begann seine Tätigkeit am xx.xx.xxxx als
Nightauditor.
Zum vielseitigen und verantwortungsvollen Aufgabengebiet von
Herrn XXX gehörte in dieser Position insbesondere:
-Sicherstellen eines reibungslosen und rationellen
Arbeitsablaufes,
-Überwachung aller Reservierungen und Kontrolle der
Zimmersituation der laufenden Nachtschicht,
-Tagesabschluß incl. Kontrolle aller Bewegungen im
Kassenbereich und Überwachung aller Buchungen und eine
Sicherstellung der optimalen Zimmerbelegung,
-Kreditkartenkontrolle, sowie Klärung der Kreditwürdigkeit,
-Nachtduty, Beantwortung von Telefonaten und Telefaxen,
Unterstützung der Hausdame bei Spät- oder Frühanreisen,
-Weckrufe eingeben und auslösen,
-Kontrolle der An- und Abreiseliste, Zuteilung der Zimmer,
-Abrechnung der Tageserlöse und Erstellung der notwendigen
Berichte für die Buchhaltung,
-Erstellen des Managerreport und Nachtlauf im MFPOS System
Verwaltung des …Rewards Programmes.
Soweit OK - wenn Du der Meinung bist daß Deine Aufgaben korrekt wiedergegeben sind.
Herr XXX erledigte die ihm übertragenen Aufgaben
schlecht. „Die ihm übertragenen“ wird als Umschreibung von Passivität gesehen - er „tat nur das, was ihm befohlen wurde“. Ggf. solltest Du das ändern lassen in „Er erledigte alle Aufgaben…“
stets zu
unserer vollen Zufriedenheit und arbeitete jederzeit
sorgfältig, gewissenhaft und selbständig.
„Stets“ und „jederzeit“ sind Vokabeln, die das Zeugnis aufwerten. „Volle Zufriedenheit“ entspricht einer 2, was auch überdurchschnittlich ist da man beim 08/15-Mitarbeiter eine „Nullinie“ im Bereich einer 3 ansetzt. „Vollste Zufriedenheit“ wäre Ausdruck einer 1.
Nun wird Deine Selbstständigkeit betont - eigentlich ein Widerspruch zu der Formulierung davor „die ihm übertragenen…“ Im Gesamtkontext nicht weiter schlimm, man merkt daß man Dich insgesamt tendentiell positiv darstellen will, es wirkt nur unglücklich weil die Formulierung, isoliert betrachtet, eher negativ gesehen wird und auch solche Widersprüche tendentiell eher als Abwertung betrachtet werden.
Aber wie gesagt: man entnimmt diesem Zeugnis insgesamt daß Du positiv beurteilt wirst.
Herr XXX war ein interessierter, pflichtbewußter und
zuverlässiger Mitarbeiter, der jederzeit bestrebt war, seine
guten Fachkenntnisse zu erweitern.
Unglücklich formuliert. Man will vermutlich sagen daß Du wirklich immer bemüht warst, aber „jederzeit bestrebt seine guten Fachkenntnisse zu erweitern“ wird so verstanden daß es Dir bisher an diesen Fachkenntnissen fehlt und noch schlimmer - Du hast VERSUCHT sie zu erweitern (es ist aber nicht gelungen…).
Wahrscheinlich wollte man der Aussage nicht diesen Sinn geben, kritische Personaler könnten das aber herauslesen.
Wir lernten Herrn XXX als fleißigen Mitarbeiter kennen,
„Wir lernten kennen“ klingt distanziert. Ausdruck eines eher nicht so guten Verhältnisses zum Mitarbeiter.
der
bei seinen Vorgesetzten aufgrund seiner vorbehaltlosen
Bereitschaft zur sachlichen Zusammenarbeit gleichermaßen
beliebt und geschätzt war. Sein Auftreten gegenüber unserem
anspruchsvollen Gästekreis war jederzeit höflich, zuvorkommend
und tadellos. Besonders hervorzuheben war sein Engagement, so
daß er uns auch über die normale Dienstzeit hinaus zur
Verfügung stand, wenn es die Situation erforderte.
Hier fehlen die Kollegen. Normalerweise gehören „Vorgesetzte, Kollegen und Kunden“ erwähnt und das auch in dieser Reihenfolge, Abweichungen sind nachteilig. Du hattest Kontakt zu der Kollegin und auch aus Prinzip sollten Kollegen nicht unerwähnt bleiben - man könnte deren Auslassung sonst als nachteilig ansehen („vornehmes Verschweigen von Schlechtem“).
Herr XXX vertrat mit Umsicht und Engagement die Interessen
unseres Hauses. Die Loyalität der Geschäftsleitung gegenüber
wollen wir an dieser Stelle selbstverständlich nicht
vergessen.
„Wollen nicht vergessen“ ist auch eher mittelprächtig. Solche Selbstverständlichkeiten sollten besser ohne solche Zusätze stehen.
Wir bedauern, Herrn xxx aus krankeitsbedingten Gründen nicht
weiter beschäftigen zu können.
Ganz ungut. a) sagt es daß Dir gekündigt wurde und b) wird es mit Krankheit erklärt. Beides sind Minuspunkte. Da sollte entweder stehen daß Du auf eigenen Wunsch ausscheidest oder es sollte neutral formuliert sein („scheidet zum xx.xx.xxxx aus unserem Unternehmen aus“).
Ausdruck von Bedauern fehlt ganz - ein deutliches Minus.
Wir wünschen ihm für seinen weiteren Berufsweg viel
Erfolg.
Ebenfalls schlecht. Diese Formulierung unterstellt daß Du bislang keinen Erfolg hattest und bei einem wirklich guten Zeugnis hätte man auch gute Wünsche für den Lebensweg beigefügt - erst recht wenn man die Krankheit erwähnt. Ein guter Abschlußsätz wäre „Wir wünschen ihm für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg viel Erfolg und alles Gute“.
Insgesamt also gut gemeint aber im Detail nicht besonders gut gemacht, dieses Zeugnis - oder so gemeint, dann aber ein eher mittelprächtiges Zeugnis.
Ich vermute aber daß man Dich durchaus positiv darstellen wollte - hat sich dann aber bei ein paar Formulierungen verhauen. Ich würde grundsätzlich versuchen noch etwas „rauszuholen“ und die ungünstigen Formulierungen ändern lassen.
Gruß,
MecFleih