Pörkölt + Gulyas in der ungarischen Kochweise

Angeregt durch den Thread weiter unten zum Thema „Gulasch kochen“ möchte ich - einfach nur zur Abrundung des Themas und evtl. Darstellung einer anderen Sichtweise, einen Fachmann der ungarischen Küche (wo ja auch das, was heute bei uns so als „Gulasch“ kursiert, ursprünglich herkommt) hier zu Worte kommen lassen.

Ich zitiere aus:

Elek Magyar: „Kochbuch für Feinschmecker“, Corvinia Verlag Budapest 1962

"…Ein gutes Pörkölt kann nicht ein jeder zubereiten.

Viele Köche, die für die ungarische Küche kein Verständnis haben, glauben, daß man unter die von hier und dort zusammengelesenen Fleischreste haufenweise Zwiebel mischen muß. Sie sind der Überzeugung, daß man auch maßlos viel scharfen Paprika, der den Gaumen, Rachen und die Kehle brennt, mit hineinschütten muß. Sie glauben weiterhin, daß es gut mit Mehl bestreut werden muß, damit es gut dick werde, und mit Tomatensaft übergossen werden muß, damit es rot werde. Zur Entschuldigung dieser Köche muß gesagt werden, daß auch viele Hausfrauen nicht wissen, wie eigentlich ein guter Pörkölt sein soll. Viele Frauen erklären mit Überlegenheit, daß sich ein gutes Pörkölt nur aus dem besten, magersten Fleisch aus dem Schlegel zubereiten lasse. Daraus kann nie ein gutes Pörkölt werden.

Ein gutes Pörkölt wird es erst dann, wenn knorpelige, knochige Stücke, Brust und Bein sowie ein Stück Herz dem Fleisch vom Schlegel beigegeben werden. Diese verleihen ihm erst den richtigen Geschmack und ergeben die feine, sulzartige Dicke des Saftes.

Man nehme als 3/4 kg Schlegel und 3/4 kg der oben erwähnten anderen Zutaten. Zu dieser Menge braucht man nicht mehr als eine kleine Zwiebel, die man fein wiegen, aber auch reiben kann.

Man zerlasse in einer Kasserolle reichlich Fett, hier hinein gebe man die Zwiebel, röste soe schön braun, bestreue sie mit einem kleinen Löffel Paprika, und wenn auch dieser geröstet ist, gebe man in die Kasserolle das in Würfel geschnittene, gut gewaschene Fleisch. Das Ganze läßt man über einem starken Feuer rasch rösten.

Wenn man sieht, daß sich das Fleisch zusammenzieht, übergießt masn es mit 3/10 l Knochenbrühe und zusätzlich etwas süßem Wein (Tokayer o. ä.), salzt es, deckt es zu ünd dämpft es über sehr gelindem Feuer in ca. 2 - 3 Stunden unter zeitweisem Rühren gar. Falls nötig, gießt man sparsam Brühe und Wein nach. Wenn das Fleisch fertig ist, nimmt man die knochigen und knorpligen Stücke heraus. Das übrige serviert man sofort und reicht dazu in heißem, mit saurer Sahne verrührtem Fett geschwungene Spätzle…

…Gulasch oder Gulyas ist eine bekannte ungarische Speise. Das Gulasch gehört zu den Suppen, obwohl es zugleich eine Vorspeise ist. Dies ist etwas so Selbstverständliches, daß es überflüssig ist, Gulasch Gulaschsuppe zu nennen. Das Gulasch ist sehr dünn und suppig, im Gegensatz zu seiner Schwester, dem Pörkölt, dessen Saft dick ist.

Eben darin unterscheiden sie sich voneinander, sonst sind sie in ihrer Eigenart nach gleich, da sie doch, wie wir schon erwähnten, gleichen Ursprungs sind.

Bei beiden wird das Fleisch in Bissen, oder, wenn der Ausdruck besser gefällt, in Würfel geschnitten. Beide werden in Fett mit Paprika und Zwiebeln geröstet. Wenn das Wasser bis auf das Fett verkocht ist, gießt man es mit etwas Wasser, Fleischbrühe oder Wein auf und dämpft es. Darin unterscheidet sich das Gulasch vom Pörkölt, denn während man den Saft des Pörkölts nur auf das Notwendige beschränkt, erhält das Gulasch einen beträchtlichen Zusatz, indem man es mit der Brühe, in der die zum Gulasch unbedingt gehörenden Kartoffeln kochen, auffüllt.

Das Pörkölt wird in einer Fleischschüssel angerichtet, das Gulasch hingegen in einer Suppenschüssel. Es wird auch, wie Suppe, mit einem Löffel gegessen. Wenn man von Gulasch spricht, meint man im allgemeinen Rindsgulasch.

Häufig gibt man beim Gulasch außer Rindfleisch auch Kalbs- und Schweinefleisch dazu. Aber das Schweinefleisch macht es zu fett bzw. zu schwer, das Kalbfleisch hingegen ist nicht genücend gehaltvoll, weil es während des Kochens seinen Geschmack verliert.

Auch vom Rind - es ist immer vom Mastochsen die Rede - benötigt man verschiedene Teile zu einem Gulasch. Ein solches gutes Stück ist in erster Linie das Lendenstück. Dies ist ein sehr schmackhaftes, kräftiges Fleisch. In das Gulasch gehören aber noch andere Stücke, die den Geschmack heben, wie Innereien, ein bis zwei Stück Euter und etwas Leber, außerdem solche Stücke, die dem Gulasch eine geleeartige Dicke geben, wie z. >B. die schwartigen Teile der Hachse und des Kopfes. Ohne diese würde aus dem Ganzen nur eine wässerige Suppe.

Zwiebeln darf man auf keinen Fall zuviel dazu geben. Denn nicht die Zwiebel bestimmt den guten Geschmack des Gulasch und die Dicke seines Saftes, sondern die gut ausgewählten Fleischstücke und der feine, würzige Szegediner Süßpaprika.

Die Zwiebel soll nur eine Nuance in der Mannigfaltigkeit des Geschmacks sein. Wenn zuviel Zwiebel im Gulasch ist, wird es süß, riecht schlecht und erhöht die Magensäureerzeugung.

Für 1 - 1 1/2 kg Fleisch genügt eine Zwiebel.

Für die genannte Fleischmenge braucht man ca. 1 kg Kartoffeln, die geschält und in kleine Viertel geschnitten werden. Wenn diese fast gar gekocht sind, mischt man sie unter das Fleisch und gießt vom gesalzenen Kochwasser soviel darüber, daß die Güte der Suppe nicht gefährdet wird. Dann läßt man das Fleisch und die Kartoffeln noch eine gute Weile simmern. Wenn alles genügend weich ist, schmeckt man mit Salz und Paprika ab…"

Lang genug ist’s geworden - aber vielleicht bekommt man nach Lektüre ein Gefühl dafür, was die ungarische Küche wirklich meint und daß das hier verbreitete „Gulasch“ mit dem Original nur noch recht wenig zu tun hat - ob allerdings die Veränderung zum besseren oder schlechteren führte, möchte ich jedem selbst überlassen…

Danke für’s Lesen und

herzliche Grüße

Helmut

Hallo Helmut,

DAS ungarisches Pörkölt und Gulasch… ist sicher ebenso eine Sache wie DER deutsche Schweinebraten.
Schon im nächsten Flecken wird anders gekocht.

Grüße von
Tinchen

Hallo Tinchen,

da liegst Du mit Deiner Aussage sicher völlig richtig.

-DEN- Schweinsbraten gibt es wohl genau so wenig wie -DAS- Gulasch…

Mir ging es mit meinem Beitrag darum, für den, den’s interessiert, auf fundierter Basis „zurück zu den Wurzeln“ zu gehen (und vielleicht bei der Gelegenheit noch die eine und andere, sich eingeschliffen habende Kochsünde aufzuzeigen).

Schön, daß es Dich interessiert hat!

Herzliche Grüße

Helmut

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Hallo Helmut,

fehlt eigentlich nur noch der Hinweis, dass die Ungarn kein Szegediner Gulasch wie wir es essen kennen und kein Wort „das“.

Strubbel
G:open_mouth:)

Hallo Herr v. T. ,

fand ich interessant zu lesen. Danke!

LG

Evolution der Rezepte

Mir ging es mit meinem Beitrag darum, für den, den’s
interessiert, auf fundierter Basis „zurück zu den Wurzeln“ zu
gehen (und vielleicht bei der Gelegenheit noch die eine und
andere, sich eingeschliffen habende Kochsünde aufzuzeigen).

In diesem Fall soltest Du das Paprika aber ganz weglassen. Denn das kam erst nach der Entdeckung Amerikas dazu, während „Gulyas-hus“ schon im Mittelalter gekocht wurde.

Das Gulasch ist ebenso ein Kind der östereichischen Küche wie der ungarischen; das seit mehr als 150 Jahren überlieferte Rezept für Wiener Saftgulasch (mit reichlich Zwiebel) als Kochsünde zu betrachten, fällt mir schwer. Auch in Ungarn haben sich die Rezepte weiterentwickelt; ob das „original“ Pörkölt/Gulyas dem entspricht, was vor 200 oder 300 Jahren gekocht wurde, lässt sich kaum feststellen, zumal Gulyas als Bauernessen kaum in Rezeptbüchern verzeichnet wurde. Der Aufstieg vom Bauernessen zum Nationalgericht dürfte aber auch an der Herstellung des Gulyas/Pörkölt nicht spurlos vorübergegangen sein. Von welchen Wurzeln sprechen wir also, zu denen wir zurückkehrern wollen, wenn wir „echtes“ Gulasch zubereiten wollen?

Eine interessante Abhandlung über die Geschichte des Gulasch findet man hier:

http://www.petrafoede.de/gulasch.html

Gruß,
Max

Hallo Max,

danke für Deinen Kommentar - auch der von Dir genannte Link ist sehr informativ.

Ich bin bei Dir, was Deine Feststellungen angeht (insbesondere auch beim „Saftgulasch“, denn bei einigen Aufenthalten in Wien liebte ich geradezu das Tellergulasch mit Semmel + die Würsterl im Gulaschsaft…!!!)

Speisenzubereitung ist nach meiner Auffassung in einer ständigen Evolution begrffen - wie Sprache unterliegt sie äußeren Einflüssen, neuen Erkenntnissen, aufgestellten Tabus und insbesondere Moden.

Aber darüber sind schon Bibliotheken geschrieben worden…

Meine Denkgrundlage in diesem Bereich ist: "Beim Zubereiten und Essen hat eigentlich jeder recht, wenn das Ergebnis von ihr / ihm und dem unvermeidlich betroffenen Umfeld positiv aufgenommen wird (politisch korrekt müßte ich jetzt noch anfügen: …und wenn bei verwendeten Substanzen, Zubereitungsmitteln und Zusichnahme-Durchführung keine augenblicklich gültigen globalethischen No-Goes in Verwendung und Ausführung kommen „grins“).

Ich denke, wir sind im großen und ganzen auf einer Linie.

Herzliche Grüße

Helmut

N.S.: Für solchen Wissens- unde Gedankenaustausch war ich in der Vergangenheit bei w-w-w, versuche es für die Gegenwart aufrecht zu erhalten und wünsche mir diese fruchtbaren Diskussionen auch für die Zukunft!

Hi!

http://www.petrafoede.de/gulasch.html

DANKE für diesen Link … noch vor ein paar Wochen bekam ich hier eins über die Rübe, da ich zum Binden des Gulasch Mehl nahm … ich will ja ein Saftgulasch und keine Gulaschsuppe …

Hungrige Grüße,
Tomh

DANKE für diesen Link … noch vor ein paar Wochen bekam ich
hier eins über die Rübe, da ich zum Binden des Gulasch Mehl
nahm … ich will ja ein Saftgulasch und keine Gulaschsuppe

Gerade beim Saftgilasch wird aber NICHT mit Mehl gebunden, sondern ie Sämigkeit entsteht durch die Menge der Zwiebeln.

http://de.wikipedia.org/wiki/Saftgulasch#Wiener_Rind…

Gruß,
Max

Hi!

Gerade beim Saftgilasch wird aber NICHT mit Mehl gebunden,
sondern ie Sämigkeit entsteht durch die Menge der Zwiebeln.

Ich hab mich „nur“ auf die im Link genannten Rezepte bezogen :wink:

Und soviel Zwiebel kann ich nicht reinschmeißen, dass es für unsere „übliche“ Saftmenge reicht :wink:

Ausnahme: Es wird vorgekocht und wieder aufgewärmt … dazu noch ein Zitat aus „Silentium“: „ein Gulasch muß beim Aufwärmen ein bißchen anbrennen, damit es den richtigen Geschmack bekommt“ …

Grüße,
Tomh

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