Bildung in der Philosophie der Aufklärung ?

Liebe/-r Experte/-in,

ich saß heute Morgen in einem Seminar in Erziehungswissenschaft zum Thema Bildungstheorie. Wir kamen auf das Thema Bildung im Zeitalter der Aufklärung zu sprechen. Der Professor fragte, ob jemand Philosophie studiere. In diesem Moment machte ich leider den Fehler und meldete mich. Der Professor bat mich daraufhin den anderen Seminarteilnehmern zu erzählen, welche Rolle der Bildungsbegriff aus der Sicht der Aufklärer spielte insbesondere in Hinsicht auf die Umformung vom Untertanenstaat zum bürgerlichen Rechtsstaat. Leider war ich nicht in der Lage fundierte Aussagen zu machen. Der Professor war äußerst enttäuscht und fragte mich, ob ich mich denn überhaupt nicht mit diesem Thema beschäftigt habe im Rahmen meines Philosophiestudiums. Nach einigen Ausflüchten meinerseits bezüglich der neuen Bachelor-Studiengänge einigten wir uns darauf, dass ich in der kommenden Woche ein kurzes Referat zu diesem Thema halte. Ich habe bereits den gesamten Vormittag in der Bibliothek verbracht und die pädagogischen Schriften Kants zu diesem Thema gelesen. Ich habe mir sein bildungstheoretisches Stufenmodell (Disziplinierung, Kultivierung, Zivilisierung und Moralisierung, vom Untertan bis hin zum Weltbürger und den Unterschied zwischen der praktisch technischen Vernunft und der moralisch praktischen Vernunft) erarbeitet. Ich denke man kann auch etwas über Rousseau sagen. Sollte der Emile nicht auch zum Citoyen hin erzogen werden? Da muss ich nochmal genauer recherchieren. Über weitere Anregungen und Hinweise würde ich mich sehr freuen. Der Dozent wollte glaube ich auch etwas über Schiller hören. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Bitte liebe Experten, es geht hier um meine philosophische Ehre. Ich bin für jede Anregung offen und dankbar.

Beste Grüße Robert.

P.S: Warum musste ich mich auch melden. Hätte ich geschwiegen, wäre ich ein Philosoph geblieben.

Hallo Robert,

wenn ich Deinen Text so lese: Herzlichen Glückwunsch, Du weisst wie das Spiel funktioniert: In die Bib gehen, sich Literatur besorgen, diese verwerten usw.

Ich habe dieses Fachthema nie explizit behandelt und mit Deinem in der Bib verbrachten Vormittag hast Du genau einen Vormittag mehr Zeit in dieses Thema investiert wie ich.

Rosseau und Kant wären auch meine Gedanken zu dem Thema gewesen, diese Stichworte fielen auch schon. Ob Schiller was dazu gesagt hast weiss ich nicht. Weitere Stichworte könnten sein: Alice Miller (moderner Ausblick), schwarze Pädagogik.

Liebe Grüße,
Johannes

Hallo Johannes,

vielen Dank für deine rasche Antwort. Alice Miller? Werde mich mal informieren.

Beste Grüße

Robert

Hallo Robert,

als klassischer Grieche und latenter No-Kantianer war diese Epoche für mich nur Brücke, jedoch niemals Steckenpferd. Spontan kann ich Ihnen deshalb keine ausreichende Antwort geben.

Ich habe Ihnen jedoch zwei Bücher hergesucht, die Ihnen helfen könnten, wieder aus Ihrem Dilemma herauszufinden:
Fritz-Peter Hager, Wesen, Freiheit und Bildung des Menschen, Philosophie und Erziehung in Antike, Aufklärung und Gegenwart, Bern 1989.
Sabine Koloch, Frauen, Philosophie und Bildung im Zeitalter der Aufklärung, Wissenschaftsverlag 2010.

Im Übrigen ist es nicht Ok vom Prof, von Ihnen eine Antwort auf ein unvorbereitetes Philosophiethema zu erwarten.
Wahrscheinlich hat er dies nur getan, weil er sich ausnahmsweise selbst ein bisschen in dieser Epoche auskennt …

Viel Glück!

Hallo omt3,

vielen Dank für deine Antwort und die Literaturempfehlungen. Werde morgen mal in die Bibliothek gehen.

Beste Grüße

Robert

P.S: Ich hege auch eine große Sympathie für die Antike. Ich bin ein großer Cicero-Fan und mein Lieblingsphilosoph ist Sokrtaes.

Hallo Robert,

ist nicht mein Spezialgebiet. Aber hier eine Quelle:
http://www.textlog.de/32277.html

Ich nehme an, Sie haben gegooglet:
z.B.
http://www.cosmiq.de/qa/show/2431368/Wie-definiert-K…
oder:
http://www.peterbuessers.de/studium/Essay%20-%20Der%…

Ansonsten muss man kein enzyklopädisches Wissen parat haben. Wichtig ist zu wissen, wo es steht und Fug von Unfug trennen zu können.
Einen schönen Tag

Nun ja, keine sonderlich große Antwort von mir. Aber vielleicht hilft es ja trotzdem, zumindest ein bisschen.

Nebenbei, Sokrates war, ist und bleibt auch meine Nummer Eins, dicht gefolgt von seinem Schüler und Biographen Platon.
Mit Aristoteles hingegen habe ich bereits schon wieder meine Probleme …

iebe/-r Experte/-in,

ich saß heute Morgen in einem Seminar in Erziehungswissenschaft zum Thema Bildungstheorie. Wir kamen auf das Thema Bildung im Zeitalter der Aufklärung zu sprechen. Der Professor fragte, ob jemand Philosophie studiere. In diesem Moment machte ich leider den Fehler und meldete mich. Der Professor bat mich daraufhin den anderen Seminarteilnehmern zu erzählen, welche Rolle der Bildungsbegriff aus der Sicht der Aufklärer spielte insbesondere in Hinsicht auf die Umformung vom Untertanenstaat zum bürgerlichen Rechtsstaat. Leider war ich nicht in der Lage fundierte Aussagen zu machen. Der Professor war äußerst enttäuscht und fragte mich, ob ich mich denn überhaupt nicht mit diesem Thema beschäftigt habe im Rahmen meines Philosophiestudiums. Nach einigen Ausflüchten meinerseits bezüglich der neuen Bachelor-Studiengänge einigten wir uns darauf, dass ich in der kommenden Woche ein kurzes Referat zu diesem Thema halte. Ich habe bereits den gesamten Vormittag in der Bibliothek verbracht und die pädagogischen Schriften Kants zu diesem Thema gelesen. Ich habe mir sein bildungstheoretisches Stufenmodell (Disziplinierung, Kultivierung, Zivilisierung und Moralisierung, vom Untertan bis hin zum Weltbürger und den Unterschied zwischen der praktisch technischen Vernunft und der moralisch praktischen Vernunft) erarbeitet. Ich denke man kann auch etwas über Rousseau sagen. Sollte der Emile nicht auch zum Citoyen hin erzogen werden? Da muss ich nochmal genauer recherchieren. Über weitere Anregungen und Hinweise würde ich mich sehr freuen. Der Dozent wollte glaube ich auch etwas über Schiller hören. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Bitte liebe Experten, es geht hier um meine philosophische Ehre. Ich bin für jede Anregung offen und dankbar.

Beste Grüße Robert.

P.S: Warum musste ich mich auch melden. Hätte ich geschwiegen, wäre ich ein Philosoph geblieben.

Hallo Robert, nicht nur zu Deinem P.S.muß ich feststellen: Das Gegenteil ist heute richtig!,-)
Gute Philosophen sollten heute Verantwortungsträger sein, die sich einzumischen haben, wo es um die Beseitigung mangelhafter Aufklärung geht. Zu Deinem speziellen und komplexen Fragestellung empfehle ich Dir Deine Frage in der NG >de.sci.philosophie

Hallo Robert,

ich kann dir diesbezüglich das Buch „Metzlers Philosophie Lexikon“ empfehlen. Es kostet zwar etwas mehr, aber als ich damals philosphie studiert habe, hat es mir schon oft gut weiter geholfen und ist auch eine gute Stütze was Recherchen angeht.

Aber zu deiner eigentlichen Frage „Bildungsbegriff in der Zeit der Aufklärung“.

Die Bildung enthält den Gedanken der Weiterentwicklung, Emanzipation, Mündigkeit, menschlichen Vernunft und kritischen Distanz gegenüber religiösen, politischen oder sozialen Normvorstellungen.
Daher steht der Gedanke der Bildung auch immer im Zusammenhang zur Aufklärung.

Wichtige Philosophen der Aufklärung in England Locke, Berkeley, Hume und Shaftesbury. In Frankreich Diderot, Montesquieu, Voltaire, d’Holbach und Rousseau. Die Aufklärung in Deutschland wird u.a. von Lessing, Wolff, M. Mendelssohn und Kant begleitet.

Diese hatten natürlich alle etwas unterschiedliche Bezüge zur Aufklärung und dementsprechend unterschiedliche Ansichten.

Dennoch spielt eine zentrale Rolle das Erkennen der äußeren Welt, welche durch Bildung und Wissen immer genauer oder feiner wahrgenommen werden kann.
Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Naturwissenschaften, die einem die äußere Welt besser erklären konnte, weil immer weiter erforscht und erfahren wurde.

Der Gedanke, dass ein Gott dahinter stecken könnte, wurde dann nicht mehr so einfach geglaubt, sondern kritisch hinterfragt. Zwar wird Gott als Schöpfer der Welt nicht gänzlich abgesetzt, aber es wurde nicht einfach mehr alles blind geglaubt was einem erzählt wurde.

Das bedeutet, dass durch Wissen und Bildung die Welt besser erfahren und erkannt werden kann. Es entsteht eine Selbstbestimmung und der Mensch kann durch rationale Ordnung den Dingen auf den Grund gehen. Man könnte fast sagen, dass er plötzlich fast selber zum Schöpfer seiner eigenen Welt wird.

Damals waren auch literarische Salons, öffentliche Lesungen oder auch Diskussionszirkel sehr populär. Diese Aktivitäten wurden verursacht von dem Glauben an die Perfektionierung des Menschen durch Erziehung im Sinne der Vernunft.

Ich hoffe ich konnte dir Anregungen oder möglicherweise auch die eine oder andere Antwort zu deinen Fragen geben.
Versuch dich nicht nur auf Kant zu beziehen, sondern schau dir mal den einen oder anderen Philosophen an, den ich dir aufgeschrieben habe, da ist vielleicht sogar mehr Potential vorhanden als bei Kant (nicht das Kant von mir abgewertet werden soll, aber ich möchte vermeiden, dass du dich zu sehr auf die eine oder andere Person versteifst).

Viele Grüße

TheRealGnarf

Sorry, mit dem Thema habe ich mich nie eingehend beschäftigt. In solchen Fällen verweise ich erstmal darauf , dass das ja eine Frage der praktischen Philosophie, also u.a. der Ethik ist. Und da gibt es Philosophieprofessoren, die behaupten, dass es praktische Philosophie als Philosophie nicht gibt.

Es ist zu deinem Thema sicher auch was bei Platon&Aristoteles zu finden - nur wo?. Startpunkt für jede Recherche in akademischer Philosophie ist das Historische Wörterbuch von Ritter & Gründer. Dort findest z.B. unter dem Stichwort „Erziehung“ und „Bildung“ erste Hinweise.

Aber bestimmt gibts auch was in der Bibliothek im Bereich Erziehungswissenschaft zu dem Thema.

Gruß
Nne

Hallo TheRealGnarf,

vielen Dank für deine Antwort. Das waren bereits mehrere gute Anregungen von dir. Ich habe mich tatsächlich ein wenig auf Kant fixiert. Aber seine Schrift über die Aufklärung ist natürlich einer der bedeutendsten dieser Epoche. Durch deine Anmerkungen wurde meine Betrachtung des Themas erweitert. Danke hierfür.

Beste Grüße
Robert

Hallo Robert,

freut mich, dass ich dir etwas behilflich sein und Anregungen geben konnte.

Natürlich ist Kant, was die Vernunft und Aufklärung angeht, sehr bedeutsam - wahrscheinlich fallen gerade dadurch oftmals andere Philosophen unter den Tisch (möglicherweise auch, weil in kurzer Zeit viele Ideen und Ansichten entstanden und nicht alle so viel Aufmerksamkeit bekamen wie Kant selbst.)

Solltest du noch weitere Fragen haben, versuche ich sie dir gerne noch zu beantworten.

Viele Grüße

Mut adelt, lieber Robert, wenn er auch die Ruhe nicht fördert. Ihre Anfrage ging leider in der Postflut zeitweilig unter, tut mir leid (ruhig noch einmal senden). Ihre Fragen besitzen aber Rang. Daher noch ein paar Zeilen.
Die Aufklärer knüpfen bei Seneca und Lukrez an, die in ihren naturphilosphischen Schriften natürliche Erscheinungen wie etwa Blitze des abergläubischen Hintergrunds entkleiden. Das positive Wissen ist zwar in der Antike noch sehr lückenhaft, Blitzableiter gibt es dann wirklich erst in der Aufklärung, aber die Hauptsache ist bereits klar erkennbar: Wissen klärt auf, Romane verschwiemeln. Auf Wissen setzen deswegen die Enzyklopädisten d’Alembert und Diderot. Ab 1751 erscheint in Paris die „Encylopédie“, ab 1768 in London die „Encyclopedia Britannica“.
Nicht zu vergessen: der große Breslauer Schumachersohn Johann Heinrich ZEDLER hatte schon 1750 sein mit über 60 Bänden sehr umfangreiches Universal-Lexikon vorgelegt.
(Die Bayerische Staatsbibliothek hat den ZEDLER übrigens digitalisiert und ins Netz gestellt.)
Der Schwiemelbruder Rousseau dagegen bringt seine 5 Kinder nach der Geburt ins Waisenhaus und phantasiert über Erziehung und Politik gefährlich herum; Robespierre ist beim Volonté générale sein furchtbarer Schüler, aber auch alle späteren Totalitaristen von Lenin bis Kim Jong-Un pochen auf den Generalwillen und sehen sich als dessen Vollstrecker. Rousseau ist kein Aufklärer wie Voltaire, sondern ein verrückter Romantiker. Friedrich II., nachdem er im Alter zu Verstand kam, leistet dagegen mit dem Preußischen Landrecht, nach Vorarbeiten u.a. von Pufendorf, einen großen Beitrag zur Entwicklung des Rechtsstaates. Dort steht am Anfang auch die Antike mit Cicero, an den Bodin anknüpft.
Schiller hat auf seine intuitive Weise mit dem “Tell” ein bedeutsames liberales Vermächtnis hinterlassen. Darin überwindet er den schönen Idealismus seiner Briefe „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“.
Die Aufklärung ist heute in ihr neurobiologisches Stadium eingetreten und findet sich bei Autoren wie Damasio (“Descartes’ Irrtum”) und Stephen Pinker (“Das unbeschriebene Blatt”). Von Biologie, Ethnologie, Ethologie und Hirnforschung ergeben sich Folgerungen auf die Bildbarkeit des Menschen (Hassenstein, Cube, Largo etc.)
Besten Gruß, WD

Hallo fonti,

vielen Dank für deine Antwort. Das waren mehrere interessante Ideen und positive Anregungen für mich. Danke hierfür.

Beste Grüße

Robert

„Mut adelt, lieber Robert, wenn er auch die Ruhe nicht fördert.“

Ein wunderbarer Satz, der sehr viel Wahrheit in sich birgt. Ich musste schmuzeln als ich diese deine Worte las und an die Aussage denken:

„Seelig sind die geistig armen.“ Diesen Satz sollte ich als späterer Philosophielehrer wohl lieber nicht meinen Schülern sagen.

Beste Grüße

Robert.

Hallo,

leider komme ich erst jetzt zum Antworten, das Seminar / Referat ist wahrscheinlich schon lange vorbei…
Falls das Thema noch aktuell ist, empfehle ich eine Anfrage im Forum.

Grüße,
Vlado