Einfühlungsvermögen

Hallo,

achtet Ihr im Alltag darauf, ob Bekannte / Freunde sich gut einfühlen können, welchen Wert hat dieses Kriterium für Eure Beziehungen (auch, wenn als Fähigkeit vorhanden, aber nicht genutzt), bzw. fällt Euch die Ausprägung dieser Eigenschaft schnell auf?

Ich habe mal gelesen, dass (Asperger-) Autisten, weil sie diese Eigenschaft weniger haben, unbeliebter sind und öfter gemobbt würden.

Klar, jemand, dem man vertraut, und empathische Menschen wirken vertraut (habe ich auch mal gelesen), mag man wohl. Andererseits sind ja viele Menschen eher kalt (zumindest) im öffentlichen Leben und wirken trotzdem anziehend.

Viele Grüße, Igeline

Hallo Igeline,

ich glaube nicht, dass man Menschen bewusst nur danach auswählt ob sie über ein erhöhtes Maß an Einfühlungsvermögen verfügen.
Um beurteilen zu können ob ein Mensch über viel Einfühlungsvermögen verfügt, reicht eine Begegnung auf den ersten Blick -meiner Meinung nach- sowieso nicht aus. Das setzt schon eine etwas engere bzw. langjährigere Beziehung vorraus und die wiederum entsteht nur, wenn man sich auch auf anderen Ebenen ebenfalls symphatisch ist.
Sicherlich kann es einen Menschen symphatischer machen, aber alleine entscheidend ist es mit Sicherheit nicht. Da spielen viel mehr Faktoren eine Rolle - gemeinsame Interessen, Humor, usw.

Gruß
El.

Moin,

Einfühlungsvermögen ist eine von vielen Eigenschaften, die ein Mensch haben kann, und es gibt ungefähr so viele Gründe, Freundschaften zu pflegen, wie es Menschen gibt. Mir ginge es jedenfalls schwer auf den Keks, wenn alle meine Freunde sofort merken würden, dass ich noch nicht aufm Pott war.

und wirken trotzdem anziehend.

Das zeigt nur, dass attraktiv und einfühlsam 2 Paar Schuhe sind.

Gruß Ralf

Moin!

achtet Ihr im Alltag darauf, ob Bekannte / Freunde sich gut
einfühlen können

Bei Menschen, mit denen ich keinen engeren Kontakt habe ist es mir nicht so wichtig

welchen Wert hat dieses Kriterium für Eure
Beziehungen (auch, wenn als Fähigkeit vorhanden, aber nicht
genutzt)

Glaubst du wirklich, dass es das gibt? Dass jemand mitfühlen kann, es aber nicht tut?

bzw. fällt Euch die Ausprägung dieser Eigenschaft
schnell auf?

Wohl dann am meisten, wenn sich jemand nicht in mich einfühlen kann und mich dementsprechend behandelt - d.h. wenn derjenige meine Gefühle verletzt.

Ich habe mal gelesen, dass (Asperger-) Autisten, weil sie
diese Eigenschaft weniger haben, unbeliebter sind und öfter
gemobbt würden.

Ja, aber das ist denen wohl egal.

Klar, jemand, dem man vertraut, und empathische Menschen
wirken vertraut (habe ich auch mal gelesen), mag man wohl.

Wirfst du da nicht ein bisschen was durcheinander?
Ein emphatischer Mensch, der dich und deine Gefühle wahrnimmt und dir das auch zeigt, der interessiert sich ja auch für dich. Dem kannst du vertrauen und deshalb tust du es auch.

Wer sich in andere einfühlen kann, das aber missbraucht, um desjenigen Gefühle zu verletzen, wird wohl kaum auf Vertrauensgewinn aus sein…

Andererseits sind ja viele Menschen eher kalt (zumindest) im
öffentlichen Leben und wirken trotzdem anziehend.

Ist das bei dir so???

Ein Mensch kann optisch attraktiv auf mich wirken. Wenn er dann in der realen Begegnung kalt und wenig einfühlsam ist, wird er mich nicht näher kennenlernen. Dafür hab ich dann einfach kein Interesse.

just my 2 cents

Fo

Hallo Fogari!

Bei Menschen, mit denen ich keinen engeren Kontakt habe ist es
mir nicht so wichtig

Also bei Freunden schon?

Glaubst du wirklich, dass es das gibt? Dass jemand mitfühlen
kann, es aber nicht tut?

Definitiv. Ein Beispiel war X, der sich sehr gut einfühlen konnte, diese Fähigkeit aus praktischen Gründen bspw. nutzte, um Frauen um den Finger zu wickeln (nur als Beispiel), gleichzeitig aber generell sehr gleichgültig war gegenüber allem, was ihn umgab und nicht direkt und unmittelbar sein Wohlergehen beeinträchtige. Er fühlte sich einfach nicht ein, und konnte völlig gefühllos mit Menschen umgehen.

Wohl dann am meisten, wenn sich jemand nicht in mich einfühlen
kann und mich dementsprechend behandelt - d.h. wenn derjenige
meine Gefühle verletzt.

Also nur dann, wenn Du jemand so nahe an Dir dran hast (derjenige Macht über Dich hat), dass er Deine Gefühle verletzen kann. Ansonsten würde es Dir nicht so auffallen. I

Ich habe mal gelesen, dass (Asperger-) Autisten, weil sie
diese Eigenschaft weniger haben, unbeliebter sind und öfter
gemobbt würden.

Ja, aber das ist denen wohl egal.

Das glaube ich nicht. Im Gegenteil. Sie haben weniger Einfluss auf ihre Umgebung (können sie weniger durchschauen- die sozialen, zwischenmenschlichen Prozesse) und müssen die Umgebung „trotzdem“ ertragen. Dass sie die Gefühle Anderer nicht so gut deuten können, heißt ja nicht, dass sie selbst nicht fühlen.

Mobbing hat im Übrigen nur Sinn, wenn der Gemobbte reagiert, es eine Wirkung auf ihn hat.

Klar, jemand, dem man vertraut, und empathische Menschen
wirken vertraut (habe ich auch mal gelesen), mag man wohl.

Wirfst du da nicht ein bisschen was durcheinander?
Ein emphatischer Mensch, der dich und deine Gefühle wahrnimmt
und dir das auch zeigt, der interessiert sich ja auch für
dich. Dem kannst du vertrauen und deshalb tust du es auch.

Nein. Ich habe mal ein Studienergebnis gelesen, das so lautete. Empathische Menschen wirken vertrauter als nicht empathische Menschen.

Wer sich in andere einfühlen kann, das aber missbraucht, um
desjenigen Gefühle zu verletzen, wird wohl kaum auf
Vertrauensgewinn aus sein…

? Nur, um Andere zu missbrauchen.

Andererseits sind ja viele Menschen eher kalt (zumindest) im
öffentlichen Leben und wirken trotzdem anziehend.

Ist das bei dir so???

Nur oberflächlich und nicht lange. Der zweite Blick sagt mir meistens, wie es um die Person steht. Aber ich sehe, dass viele Menschen „charismatischen“ Personen folgen, die nicht warmherzig, sondern eher kaltherzig sind. Das Charisma, die Selbstbezogen- und Überzeugtheit, das Auftreten überdeckt alles andere (soll es auch).

Ein Mensch kann optisch attraktiv auf mich wirken. Wenn er
dann in der realen Begegnung kalt und wenig einfühlsam ist,
wird er mich nicht näher kennenlernen. Dafür hab ich dann
einfach kein Interesse.

Gut so ;=)

just my 2 cents

Danke für Deine Antwort.

Igel

Hallo,

ich glaube nicht, dass man Menschen bewusst nur danach
auswählt ob sie über ein erhöhtes Maß an Einfühlungsvermögen
verfügen.
Um beurteilen zu können ob ein Mensch über viel
Einfühlungsvermögen verfügt, reicht eine Begegnung auf den
ersten Blick -meiner Meinung nach- sowieso nicht aus. Das
setzt schon eine etwas engere bzw. langjährigere Beziehung
vorraus und die wiederum entsteht nur, wenn man sich auch auf
anderen Ebenen ebenfalls symphatisch ist.

Nee, ich meinte auch nicht bewusst, sondern unbewusst. Dass Du Dich auf jemanden eher und schneller einlässt, der sich gut in Dich einfühlen kann und Dich versteht (oder zu verstehen scheint, das zu vermitteln geht ja auch ohne EInfühlung). Aber mir fällt gerade ein, dass jemand, der ein Problem hat, dafür natürlich „anfälliger“ ist.

Sicherlich kann es einen Menschen symphatischer machen, aber
alleine entscheidend ist es mit Sicherheit nicht. Da spielen
viel mehr Faktoren eine Rolle - gemeinsame Interessen, Humor,
usw.

Ja, sehe ich ein. Die Beziehung wird es aber vertiefen, oder?

LG Igeline

Noch etwas:

Ich denke, wenn jemand liebesfähig ist, wird er sich bemühen, Einfühlungsvermögen zu erwerben, ob er es schafft, hängt von den Gelegenheiten ab. Es kann aber auch jemand sich gut einfühlen können, der dies beruflich üben kann / muss, aber dessen Interesse zum großen Teil eher am materiellen Gewinn als am Gegenüber besteht.

Hallo Igeline,

Ich habe mal gelesen, dass (Asperger-) Autisten, weil sie
diese Eigenschaft weniger haben, unbeliebter sind und öfter
gemobbt würden.

das ist ein häufiges Missverständnis: Asperger sind in der Regel nicht weniger empathisch als andere Menschen, ganz im Gegenteil, sie sind manchmal sogar zu deutlich mehr Empathie fähig als der Durchschnitt - Empathie in dem Sinne, dass sie in die Lage sind, sich in andere hineinzuversetzen und selbst nachzuempfinden, was ein anderer in einer bestimmten Situation empfinden mag.

Sie haben lediglich Probleme damit, die körpersprachlichen Signale ihrer Mitmenschen richtig zu deuten und selbst als sozial adäquat angesehene Reaktionen darauf zu zeigen.

Sprich: Ein Asperger kann durchaus sehr gut mit einem anderen mitfühlen, wenn ein dieser traurig ist und er den Grund dafür kennt; es sieht nur nicht unbedingt spontan anhand der zuckenden Mundwinkel, dass der andere traurig ist, und hat eventuell Schwierigkeiten damit, diesen zu trösten, weil er körperliche Nähe scheut und deshalb andere nicht spontan in den Arm nimmt.

Beste Grüße

=^…^=

Nachtrag
Gerade noch auf- bzw. eingefallen: Asperger werden zwar ins Autismusspektrum eingeordnet, sollten aber nicht mit „normalen“ Autisten verwechselt werden.

=^…^=

Hallo Katze,

das finde ich sehr interessant. Warum werden denn Asperger öfter gemobbt, vielleicht, weil sie weniger dazu in der Lage sind, die Körpersprache Anderer richtig zu deuten und so weniger „geschmeidig“ in der Kommunikation sind und daher auch weniger gut „manipulieren“ können? (Einzelne sind ja wahre Meister darin…)

Weißt Du auch, wie man diese Art des Einfühlungsvermögen bzw. der „Geschmeidigkeit“ nennt und was nun das „eigentliche“ Einfühlungsvermögen ist? Woran fehlende „Geschmeidigkeit“ hindert?

Asperger sind ja dann das, was man als „hochsensibel“ oder auch „reizoffen“ bezeichnet (ich habe noch keinen inhaltlichen Unterschied zwischen diesem einmal positiv und einmal negativ besetzten Eigenschaft gefunden, beides geht ja oft mit hoher bzw. sehr hoher Intgelligenz einher).

Hier
http://www.dr-mueck.de/Wissenschaftsinfos/Spiegelneu…
steht jedoch, dass dei Aktivität der Spiegelneuronen bei Autisten eingeschränkt ist. Diese sind doch für das Einfühlen zuständig.

Irgendwie verstehe ich Deine Definition von Einfühlungsvermögen noch nicht ganz.
Bzw. habe ich gerade verstanden, das Mitfühlen können etwas anderes ist als „Einfühlungsvermögen“. Mir ging es eher um Letzteres, aber danke für die Unterscheidung.

LG, Igeline

Noch eins:

Wie kann ein Autist Einfühlungsvermögen trainieren, also, Gesten und Mimik deuten, seine Spiegelneuronen trainieren? Und wie kann einn „gesunder“ Mensch seine Empathie trainieren?

(Frage an Alle)

LG Igeline

Hallo Igeline,

das finde ich sehr interessant. Warum werden denn Asperger
öfter gemobbt, vielleicht, weil sie weniger dazu in der Lage
sind, die Körpersprache Anderer richtig zu deuten und so
weniger „geschmeidig“ in der Kommunikation sind und daher auch
weniger gut „manipulieren“ können? (Einzelne sind ja wahre
Meister darin…)

das Manipulieren ist, denke ich, dabei nicht das Entscheidende, sondern vielmehr, dass ein wichtiger Teil der Kommunikation - nämlich der nonverbale - oft einfach nicht funktioniert. Über die Körpersprache wird ja mitunter mehr oder auch etwas ganz anderes transportiert als über die gesprochene Sprache.

Beispiel: A (Asperger) weiß, fragt NT (Neurotypischen), wie es ihm geht, da er weiß, dass kürzlich NTs Mutter verstorben ist. Tatsächlich geht es NT sehr schlecht, was man an seiner Körpersprache ersehen kann. Er sagt aber: „Wie soll es mir schon gehen? Ganz super natürlich!“ Nun kann A grundsätzlich selbst Trauer empfinden und sich auch hervorragend in andere einfühlen, die Trauer empfinden. In dieser Situation reagiert er aber nicht angemessen, weil A anhand von NTs Körpersprache die Trauer nicht erkennen kann und die gegenteilig lautenden Worte für bare Münze nimmt.

Weißt Du auch, wie man diese Art des Einfühlungsvermögen bzw.
der „Geschmeidigkeit“ nennt und was nun das „eigentliche“
Einfühlungsvermögen ist? Woran fehlende „Geschmeidigkeit“
hindert?

Ich würde es einfach „nonverbale Kommunikation“ nennen. Für Neurotypische ist diese Form der Kommunkation so selbstverständlich, dass sie meist gar nicht bewusst wahrgenommen wird - und wenn da irgendetwas hakt und nicht so recht passen will, empfinden sie Irritationen und Unbehagen, ohne so recht sagen zu können warum.

Asperger sind ja dann das, was man als „hochsensibel“ oder
auch „reizoffen“ bezeichnet (ich habe noch keinen inhaltlichen
Unterschied zwischen diesem einmal positiv und einmal negativ
besetzten Eigenschaft gefunden, beides geht ja oft mit hoher
bzw. sehr hoher Intgelligenz einher).

Hier
http://www.dr-mueck.de/Wissenschaftsinfos/Spiegelneu…
steht jedoch, dass dei Aktivität der Spiegelneuronen bei
Autisten eingeschränkt ist. Diese sind doch für das Einfühlen
zuständig.

Ob das auch für Asperger zutrifft, vermag ich nicht zu sagen - wie gesagt, Asperger sind keine „normalen“ Autisten, auch wenn sie dem Autismus-Spektrum zugeordnet werden. Es gibt zwar auch bei ihnen unterschiedliche Schweregrade, aber meist können sie mehr oder weniger problemlos ein normales Leben führen (weshalb auch heute noch viele nicht oder erst sehr spät diagnostiziert werden).

Irgendwie verstehe ich Deine Definition von
Einfühlungsvermögen noch nicht ganz.
Bzw. habe ich gerade verstanden, das Mitfühlen können etwas
anderes ist als „Einfühlungsvermögen“. Mir ging es eher um
Letzteres, aber danke für die Unterscheidung.

Noch ein Beispiel: Stell dir vor, dass du ein sehr bewegendes Buch liest, in das du richtig eintauchst. Dann kannst du doch mit der Hauptperson mitfühlen und vergießt eventuell sogar ein paar Tränen, wenn ihr in der Geschichte etwas Schlimmes widerfährt, nicht wahr? Und das, obwohl du beim Lesen ja überhaupt keine Körpersprache siehst (und die Person sogar eigentlich völlig fiktiv ist). So ist das bei Aspergern auch. Sie sind nicht gefühlsärmer als andere Menschen und können sich grundsätzlich auch hervorragend in andere Menschen hineinversetzen - vorausgesetzt sie wissen, was diese gerade erleben und empfinden. Nur fällt eben die Körpersprache aus, wenn es darum geht, dieses Wissen zu erlangen.

Körpersprachliche Signale zu deuten und auch selbst passende Signale auszusenden bzw. sich passend zu verhalten, können Asperger durchaus lernen - je nach Schweregrad und Persönlichkeit fällt das natürlich dem einen leichter und der anderen schwerer. Und es kann natürlich trotzdem immer wieder zu Irritationen kommen, da es eben antrainiert ist und in manchen Situationen übertrieben oder unnatürlich wirken kann.

Beste Grüße

=^…^=

Hallo, Igeline!

Eine sehr spannende Frage!

Also, ich finde, Empathie-Fähigkeit ist eine urtümlich menschliche Eigenschaft. Als solche wird sie auch ein jeder von einem jeden als selbstverständlich erwarten - und erwarten dürfen. Aber wohlgemerkt: erwarten, nicht fordern! -

Das intime, intensive und eindringliche Mit-Schwingen-Können mit der Seelenstimmung eines anderen setzt ein fundamental wesentliches Selbst-Opfer vorraus: Die Bereitschaft, sein eigenes Ich zu vergessen, es in den Hintergrund des pesönlichen emotionalen Milieus zu stellen, um ganz für das Gegenüber, das Anders-Sein und Anders-Fühlen offen zu werden.

Eine natürliche Form gemäßigter Empathiebereitschaft liegt bei typischen Einzelgängern vor, also bei Menschen, die gern für sich allein sind und sich abseits des gewöhnlichen Gesellschaftslebens wohl fühlen. Solche Persönlichkeiten mögen still, zurückhaltend und mitunter sogar schwächlich oder haltlos erscheinen und gerade deshalb die Konfrontation mit anderen Menschen scheuen. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall! Denn man komme nur einmal mit einem solchen „Einsiedler“ oder „Eigenbrödler“ in näheren und engeren Kontakt, so wird einem recht bald und vielleicht sogar völlig abrupt eine äußerst charakterstarke, seelenvolle und charismatische Individualität offenbar. Nun aber kennen wir diese Wesensmerkmale auch von solchen Persönlichkeiten, die
gerade in Gesellschaften und in der Öffentlichkeit erst ihren Lebensatem schöpfen und sich dort entfalten wollen. - Bei genauerem Hinsehen und Vergleichen beider Typen stellen wir eine markante Gemeinsamkeit fest: Beide wollen sich als Zentrum ihres jeweiligen Milieus erleben! Das klingt wohl widersprüchlich, ist es aber keineswegs: Der Unterschied besteht allein in der Extroversivität und Introversivität der jeweiligen Ich-Ausrichtung. Der introvertierte Charakter möchte sich als einzig(en) menschlichen Mittelpunkt in seinem menschenarmen/menschenleeren Umfeld erleben, der extrovertierte will der einzige _Über-_Mensch sein auf dem Thron
inmitten der „gewöhnlichen“, „einfachen“ Leute. -

Hieraus kann sicher klar werden, dass die extremen Typen der Introversion und Extroversion es schwer haben, sich von sich selbst, von ihrem Selbst zu lösen, denn hierzu müssten sie die Position ihres autoritären Ich-Zentrums verlassen und hinein- und hinabtauchen in die Innenwelt des Du. Empathie bedeutet nun einmal Selbst-losigkeit auf höchstem seelisch-geistigem und mithin moralischem Niveau. Und so kann schließlich auch verstanden werden, weshalb die pathologischen Formen der Empathie-Unfähigkeit sowohl bei Einzelgängern und Eigenbrödlern als auch in den Reihen ranghoher und ranghöchster Gesellschaftsstufen anzutreffen sind - aber so gut wie niemals ist der sozialen Mitte, bei den ganz gewöhnlichen und normalen - nun: bei den gesunden Charakteren.

Ich hoffe, Du kannst damit etwas anfangen!

Herzliche Grüße!
Weißderkuckuck

Hallo,
ja, ich kann damit etwas anfangen. Liest sich gut.
Eine Anmerkung: Eigenbrödler und Einzelgänger sind nicht unbedingt glücklich und ausgeglichen. Sich auf sich selbst zurückzuziehen hat Vor- und Nachteile (wenn es extrem ist).
LG Igeline

Hallo, Igeline!

Es freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt. Danke für die Anerkennung!

Ich hoffe, nicht falsch verstanden zu werden und dass man sieht, dass ich bei der Intro- und Extroversion als von der natürlichen Anlage spreche. Denn freilich ist ein extrem Extrovertierter unglücklich, wenn er in ein äußeres Eremitentum oder in die „unteren Ränge“ der „Leute von der Straße“ genötigt wird, und ein ausgesprochen Introvertierter wird sich wohl auch nicht gerade glücklich schätzen, spontan zum Oberhaupt, zum Präsidenten oder sonstigen Mittelpunkt einer Gesellschaft zwangsbefördert zu werden. Wird aber der jeweiligen Eigen-Art entsprochen, liegt dem persönlichen Glück und damit dem innerpsychischen Gleichgewicht wohl nichts im Wege. -

An dieser Stelle kann ich auch an Deine eigentliche Frage anknüpfen: Da die extreme, man kann richtigerweise sogar sagen: die vereinseitigte Neigung der Intro- bzw. Extroversion sich gänzlich am Selbst, am eigenen Ich als „soziales Weltzentrum“ orientiert, kann sie sich nicht gleichermaßen auf die Außenwelt, auf die Anderheit, auf das Du konzentrieren. Die Fähigkeit zur sozial gesunden Empathie verlangt idealerweise, aber mindestens ein ähnliches Bezugsverhältnis zwischen Selbst- und Fremdinteresse. Ist man imstande, seelisch und geistig sich im Gegenüber vollständig einzuleben und mit seiner Innenwelt mitzuschwingen, muss auch die gesunde Gegenlage vorhanden sein, sich ganz in sich selbst zurückziehen und sein eigenes Inneres dar- und ausleben zu können. Jegliche Vereinseitigung bzw. Über-/Untergwichtung hingegen ist pathologisch, schädlich und gefährlich. Je stärker, in sich gefestigter und reifer aber das Ich ist, desto geschickter und sicherer vermag es die Balance zwischen den Polen zu halten. Und wo diverse Mängel und Übermaße vorherrschen, bietet sich als die beste Schule das Leben selbst…

Übrigens, ich selber habe bei dem zutiefst menschlichen Lebensprinzip Empathie kein Problem mit den Ausdrücken Mit_leid_ und Mit_gefühl_; ich wende sie an, wo sie eben anzuwenden sind. Hier liege ich mit Fach-Psychologen nicht selten in den Haaren. Leider fehlt vielen Spezialisten (noch) der Mut und die seelisch-geistige Tiefe, jene beiden Emotionsebenen als Tatsachen innerhalb des Seelen-Erlebens zu akzeptieren. Von „Leid“ sprechen sie gar nicht gern, das verdrängen sie, persönlich wie auch in ihrem beruflichen Arbeitsbereich. Nur kein Leid, kein Schmerz, keine Not; mit_fühlen_ ja - aber mehr nicht! Denn alles ist gut, alles wird gut. - Aber das Leben ist auch „grausam“: Wenn man in die Seelenwelt des Du vordringt, findet sich nicht nur Schönes, Wahres, Gutes, daran man sich selbstsüchtig und wollüstig so „selbstlos mit-freut“. Man muss auch in die Schatten treten und in die Abgründe schauen, um wirklich - das heißt selbstlos - helfen zu können.

Herzliche Grüße!
weißderkuckuck

MOD Jule: Formulierung auf Bitte der UP korrigiert.

Hi Igeline,

nun, ich finde, dass zB im Gespräch relativ schnell erkennbar ist, ob sich überhaupt jemand in Dich einfühlen WILL, eben ob er/sie einfühlsam ist BZW. ob die Person überhaupt an Dir interessiert ist.

Wer das ist, hört ohne zu unterbrechen zu, fragt interessiert nach…
leider sind oft Gespräche „nur“ ein gegenseitiges Darstellen und „bestätigt-Haben-wollen“ der eigenen Meinung.

LG,
living free