'Gemütskrankheiten' - Ausdruck veraltet?

Hi all,
nur eine völlig banale Frage - ich bin gestern an einem Schild vorbeigelaufen, auf dem ein Herr Dr so-und-so, Arzt für Nerven- und Gemütskrankheiten, erwähnt war.

Kommt nur mir das so vor, oder sollte der endlich mal sein Schild vor der Tür ändern? Und wie würde man das heute ausdrücken?
Fand ich irgendwie etwas daneben.

Danke & Gruss,
Isabel

Hallo,

Und wie würde man das heute ausdrücken?

„Gemütskrankheit“ ist ein veralteter Ausdruck für affektive Psychosen, das „manisch-depressive Irresein“, ein Begriff, der sowohl für Störungen mit manischen und depressiven als auch für Störungen nur mit depressiven Episoden stand. Der Begriff „affektive Psychose“ ist allerdings auch veraltet, da man heute vorrangig nach den Symptomen und nicht nach den vermuteten Ursachen klassifiziert. Man sagt heute schlicht „affektive Störungen“ und meint damit Störungen mit manischen, depressiven oder leichteren affektiven Episoden.

Fand ich irgendwie etwas daneben.

„Gemütskrankheit“ stand früher auch für „Seelenkrankheit“, also ist der Herr Doktor ein Arzt für Krankheiten der „Nerven“ und der „Seele“. Heute wirkt ein solches Vokabular natürlich befremdlich, weil man schon gute Erkenntnisse über die „nervlichen“ (also körperlichen) Ursachen der „rein seelischen“ Krankheiten kennt.

Siehe auch: http://www.gesundheit.de/roche/ro12500/r13320.html
oder eine Ausgabe des Pschyrembels.

Beste Grüße,

Oliver Walter

Fand ich irgendwie etwas daneben.

Isabel,

Ich hingegen finde, dieses Wort ist eines der interessantesten der deutschen Sprache und empfinde es als eine Verarmung derselben, dass es mehr und mehr durch Fremdwörter (z. B. depressiv) verdrängt wird.

„Gemüt“ setzt sich zusammen aus
„Mut“ - hier eher Stimmung oder Tugend (engl.: mood, vgl.: sei guten Mutes / edelmütig / anmutig / Anmutung / Hartmut, Almut)
„Ge-“ - Sammelbegriff; vgl. Berg - Gebirge / Tier - Getier /Schwester - Geschwister.
„Gemüt“ wäre also die Summe aller Stimmungen (Tugenden ? Gefühle ? Charaktereigenschaften ?)

Was passiert, wenn dieses Gemüt krank wird ? Bestimmt mehr, als dass man nur „depressiv“, also niedergedrückt, wäre. Meine Mutter (aus Bayern) sagte noch : „Er war gemütskrank; er hat sich aufgehängt.“

Interessant auch der Vergleich mit „Gesinnung“, die offenbar das intellektuelle Gegenstück des Gemüts ist. Was hieße dann „gesinnungskrank“? (Ein Eichmann vielleicht ?)

mfg
Klaus

Klasse, Klaus! owT
!

Gemüt
Hallo,
auch Kästner sprach vom Gemüt in einem seiner Gedichte mit dem Titel „Traurigkeit, die jeder kennt“
Kostprobe anbei:

Vielleicht hat man sich das Gemüt verrenkt ,
die Sterne ähneln plötzlich Sommersprossen
Man ist nicht krank, man fühlt sich nur gekränkt
und hält, was es auch sei, für ausgeschlossen.

SCNR

  • Gruß
    Irene
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Klasse, Klaus! Danke!
Hi Klaus!

Ich reihe mich sehr gerne unter denen an, die Dich besternen und für einen solchen Beitrag bedanken!

Wie allgemein bekannt ;o)) bin ich keine Muttersprachler und deshalb, für mich, umso interessanter und hilfsreich!

Vielen Dank dafür und ganz liebe Grüße aus Nürnberg!
Helena *die sich besonders bemüht hat, dieser Posting fehlerfrei zu schreiben*

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Hallo Krischan,
Wie kömmst Du denn auf dueses ?
Ich meine, was bringt Dich auf diesen Gedanken?
fragt Branden zurück