Traumdeutung

Hallo Leute,

meine Tochter erzählte mir über zwei Träume, die sie sehr beschäftigen. Kannst jemand diese Träume deuten?

Vorausschicken möchte ich, dass sie in fünf Tagen heiraten wird.

Also:
Der 1. Traum:
Wir machen uns auf den Weg zum Standesamt. Unterwegs stellt sie fest, dass sie nicht beim Friseur war und auch vergessen hat, sich umzuziehen. Sie bittet mich, ihr wenigstens noch ein paar Blumen zu besorgen. Obwohl wir gerade vor einem Blumenladen stehen, verweigere ich ihr diese Blumen.

Der 2. Traum:
Kurz vor der Abfahrt zum Standesamt versucht sie, sich zu schminken. Sie schafft es größtenteils nicht, mit ihrer Hand ihr Gesicht zu berühren. Es fehlen da immer einige Millimeter. Falls sie es doch schafft, „springt“ die Schminke wieder aus dem Gesicht.

Was hat das zu bedeuten?

Gruß Gisela

Die Angst vor dem Neuen
Hi Gisela

schau mal - ein thread tiefer steht eine längere Abhandlung darüber, warum es keinen Sinn macht, an einem Traumbericht ohne direktes Gespräch mit dem Träumer herumzudeuteln…

Und wenn der Traumbericht zusätzlich noch von Dir - also einer anderen Person - verfaßt ist, dann läßt sich daraus bestenfalls etwas über deine Gedankenwelt gewinnen, aber nicht über die der Träumerin selbst… und darum geht es Dir doch?

Also, um herauszuarbeiten, „was es zu bedeuten“ hat, fehlt hier leider Deine Tochter als Gesprächspartnerin… schon deshalb, weil die Träume Anlaß zu Fragen geben, die nur deine Tochter beantworten könnte.

Aber - wie schon in dem FAQ erwähnt, könnte man auch hier einige Fragen auflisten, die bei einem solchen Gespräch aufkommen würden :

Zunächst wieder ein Kommentar:
Beide Träume haben etwas gemeinsam:

  1. haben sie den Tenor, nicht rechtzeitig mit der eigenen [!] Vorbereitung zur Zeremonie fertig zu sein bzw. zu werden.
  2. handeln beide von der (nicht gelingenden) Veränderung des Aussehens durch äußere Manipulation - d.h. sie handeln nicht [!] von der Veränderung der „inneren“ Umstellung. Wenn wir berücksichtigen, daß die „Traumarbeit“ (siehe FAQ) generell etwas in Bildsprache übersetzt, was sonst nur schwer auszudrücken wäre, könnte (aber muß nicht!) sich in diesen Bildern eine Unsicherheit ausdrücken, nicht genügend vorbereitet zu sein für dieses Ereignis, das sie möglicherweise als eine wichtige äußere Veränderung in ihrer „Rolle“ („umziehen“, „schminken“) erlebt.
    Übrigens ist es ganz natürlich, daß sich vor großen Lebensveränderungen eine innere Unsicherheit äußert, und die stellt sich insbesondere im Traum dar, wenn sie im Wachleben nicht genügend zur Aussprache kommt.

Ich tu jetzt mal so, als wäre das wörtlich ihr eigener Bericht:

Der 1. Traum:
Wir machen uns auf den Weg zum Standesamt. Unterwegs stellt
sie fest, dass sie nicht beim Friseur war und auch vergessen
hat, sich umzuziehen. Sie bittet mich, ihr wenigstens noch ein
paar Blumen zu besorgen. Obwohl wir gerade vor einem
Blumenladen stehen, verweigere ich ihr diese Blumen.

Mögliche Fragen wären:
„Warum bittest du deine Mutter, dir Blumen zu besorgen?“
„Was meinst du mit ‚wenigstens‘? Hast du den Eindruck, deine Mutter täte nicht genug zu deiner Unterstützung?“
„Wer sorgt normalerweise bei der Hochzeit für die Blumen?“
Kommentar: Das ist üblicherweise die Aufgabe des Bräumtigams!!
„Was genau hätte der Friseur machen sollen?“
Kommentar: Eine Frisur, die sie normalerweise nicht trägt?
„Was meinst du mit ‚umziehen‘?“
Kommentar: Die häufig emotional geladene Zeremonie, das Hochzeitskleid an zuziehen, wird normalerweise wohl nicht als sich um ziehen bezeichnet.

Der 2. Traum:
Kurz vor der Abfahrt zum Standesamt versucht sie, sich zu
schminken. Sie schafft es größtenteils nicht, mit ihrer Hand
ihr Gesicht zu berühren. Es fehlen da immer einige Millimeter.
Falls sie es doch schafft, „springt“ die Schminke wieder aus
dem Gesicht.

Hier möchte ich, da es viel zu intim wäre, keine möglichen Fragestellungen entwerfen. Einzig direkte Frage wären:
„Siehst du dich dabei im Spiegel?“
"Bei welcher Schminkhandlung genau zeigt sich das Problem? Lidschatten? Lippen? Make Up? Wimpern?
„was genau hast du in der Hand dabei?“ oder besser:
„hast du etwas in der Hand?“

Es ist ein traumanalytisch sehr interessanter Traum. Insbesondere kommen viele Ausdrücke vor, die an umgangssprachliche Gewohnheiten assoziieren. Aber wichtig wäre, was sie selbst assoziiert, bzw. ob ihr diese naheliegenden Ausdrücke selbst ein- und auffallen:

  1. „Hand an sich legen“
  2. „sich eine Maske aufziehen“ (sich zu schminken wird von vielen Frauen als sich zu maskieren empfunden, und es ist ja exakt die Handlung, die der Schauspieler vor dem „Auftritt“ macht)
  3. „ich will mein Gesicht nicht verlieren“
  4. das Bild zeigt ein Problem, sich selbst zu ‚berühren‘ (sich zu schminken wird nicht von allen Frauen unmittelbar als ‚sich berühren‘ erlebt - d.h. die Wahl des Ausdrucks ‚berühren‘ fällt hier auf und es könnte die unbewußte Assoziation darinliegen ‚es berührt mich gar nicht‘. Auch der Ausdruck ‚es fehlen einige Millimeter‘ deutet in diese Richtung.
  5. eine in der Psychoanalyse entdeckte wichtige Bewußtseinsfunktion ist der sog. Abwehrmechanismus (defense mechanism) - er zeigt sich, indem ein Sachverhalt durch Verdrehungen oder auch durch das Gegenteil ausgedrückt wird. So kann z.B. der Ausdruck ‚ich kann nicht‘ für den Ausdruck ‚ich will nicht‘ stehen. In diesem Zusammenhang könnte (aber muß nicht!) der latente Traumgedanke heißen ‚ich will mir keine Maske aufziehen‘ = ‚ich will mein Gesicht nicht verlieren‘ = ‚ich will so bleiben, wie ich bin‘
  6. Interessant ist, daß du (die Mutter) selbst das Wort ‚springen‘ betonst.
    Mögliche Assoziationen (an die letzten Ausdrücke im Traumbericht):
    „es springt mir in die Augen“ (= es wird mir plötzlich klar)
    „etwas springt mir ins Gesicht“
    „es fällt mir wie Schuppen von den Augen“
    „die Maske fällt“
    „es steht dir ins Gesicht geschrieben“
    „das prallt an mir ab“
  7. Falls der Ausdruck „falls sie es doch schafft“ wörtlich von ihr ist („falls ich es doch schaffe“), ist er auffällig. Denn die Traumszene legt eigentlich Ausdruck " wenn ich es dann doch mal schaffe" nahe, oder " sofern ich…". Der irrtümliche Ausdruck falls (der hier eine echte Fehlleistung wäre. Siehe dazu mein Posting: http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv… )
    könnte einem unbewußten Gedanken entspringen „Falls ich es doch schaffe (mit der neuen Lebensphase), dann ist es nicht mein wahres Gesicht und es bleibt eine bloße Maske“

Aber das sind alles nur ein paar von den Möglichkeiten, die aus Erfahrungswerten hier zusammengetragen sind. Es ist kein Anlaß zur Beunruhigung, denn solche vor- oder unbewußten Bewegungen (falls die Assoziationen überhaupt mit den ihrigen übereinstimmen) sind vor dem Eintritt in eine neue entscheidende Lebensphase ganz und gar üblich. Es ist die Angst vor dem Neuen, und es zeigt, daß Deine Tochter den Schritt nicht oberflächlich nimmt

Gruß
Metapher