Hi Elke,
…mit dem soviel Zeit vergeudet würde.
Es ist ja immer lustig, zu sehen, wie quasi die verschiedenen - ich nenn sie mal „Zeitkulturen“ ihre eigene Art für „besser“ halten oder auch gerade nicht. Zumeist regt man sich als Deutscher ja über die notorische Unpünktlichkeit der Südländer auf, weil sie als unhöflich eingeschätzt wird, was ja auch völlig klar ist. Man meint dann leicht (sagt ja auch Ann), dem anderen seien dann eben andere Dinge wichtiger, womit ich mir selbst ja ins eigene Fleisch schneide, denn dann denk ich ja, ich sei dem anderen nicht wichtig.
Während ich als chronisch Pünktliche, die immer auf andere warten muss, ständig mit ebendiesen Gedankengängen zu kämpfen habe, und mir auch nicht vorstellen kann, wie jeder Job, jeder Termin (v.a. ich hab ständig Interviewtermine) überhaupt zustandekommen kann, wenn alle zu unterschiedlichen Zeiten antanzen, und eigentlich zwangsläufig jemand ewig auf den anderen warten muss, was wir ja als unschön empfinden. Dem entgegengesetzt fand ich v.a. die Aussage im von mir angegebenen Text schön, dass die Studenten den Raum aber auch erst dann verließen, wenn die Vorlesung auch wirklich vorbei war, sprich auch der Dozent ging. Für die ist es wohl eher die unfeine Art, wenn jemand sich von einem Treffen entfernt, weil er einen anderen Termin hat, was bei uns hingegen an der Tagesordnung ist und gar nicht als unhöflich gilt.
Eigentlich könnte man aus diesen anderen Zeitauffassungen auch ableiten, dass bei den Südländern das eigene Bedürfnis über gesellschaftliche Verpflichtungen gestellt wird (z.b. in dem brasilianischen Fall, dass „eben was dazwischengekommen“ sei, wenn man einfach verpennt hat), was in meinen Augen zu mehr Selbstbewusstsein des einzelnen führt, während man in unserer Kultur sich den Strukturen mehr unterordnet. Reine Spekulation meinerseits im Moment, aber ich habe halt immer das Gefühl, die Südländer haben einfach ein selbstverständlicheres Selbstvertrauen, sozusagen „je nördlicher, desto verklemmter“. Das versuche ich immer, irgendwomit zu erklären, und die Zeitgeschichte wäre schonmal eins. (Rollengeschichte zwischen Mann und Frau wäre ein anderes, aber das sprengt den Rahmen).
Außerdem ist es wichtig, zu erkennen, dass keins dieser Zeitmodelle besser ist, sondern beide ihre Vor- und Nachteile haben. Ebenso kann man von chronisch Unpünktlichen eine Menge lernen, was ich mit meinen stets unpünktlichen Freunden (darunter eine Menge Südamerikaner) auch getan habe.
Und nachdem wir von Afrika nach Arabien gezogen sind, hat mein
Mann es vielen Westlern vorausgehabt, dass er bereits an
dieses andere Zeitgefühl von Afrika gewohnt war. Die „typisch
Deutschen“ sind daran verzweifelt.
wie lange dauert es denn, sich an so etwas zu gewöhnen? Ich würde auch verzweifeln, aber gern mal diese Gelassenheit lernen. Geht wohl aber nur direkt in einem Land mit anderem Zeitmanagement.
Grüße
Judith