Handlungsvollmacht oder Ladenangestellter?

Liebe Experten,

ich beziehe mich auf unten angehängten Sachverhalt und habe zur Lösung eine Frage. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies ist keine Hausarbeit, die ich zu bearbeiten habe :smile: Der Fall befindet sich mit Lösung hier:

http://www.wiwi.tu-freiberg.de/recht/lehre/am/tk/TK_…

Im Übrigen ist der Fall aus einem A/S-Skript.

Nun also zu der Lösung, die ich nicht ganz verstehe:

Der Anspruch ist entstanden, und fraglich soll nunmehr sein, ob er wieder erloschen ist. Es kommt also darauf an, ob A den K bei der Entgegennahme des Geldes wirksam vertreten hat.

Die Prüfung beginnt mit § 54 HGB. Es wird dann gesagt, dass A aber eben keine Inkassovollmacht hatte und ergo auch nicht zur Gegennahme des Geldes berechtigt war.

Weiter geht es mit § 56 HGB: Mit dieser Norm wird die Vertretungsmacht des A bei der Entgegennahme des Geldes bejaht.

Nun zum Knackpunkt: Bei der Prüfung von § 56 HGB wird konstatiert, dass es darauf ankommt, ob B von der fehlenden Vertretungsmacht Kenntnis hatte oder haben musste (Rechtsgedanke aus § 54 III HGB). Dies wird dann verneint (ob das richtig so ist, stehe dahin). Aber: Wieso wurde denn dann nicht § 54 I HGB direkt angewendet? Wieso kann man nicht von einer Handlungsvollmacht sprechen, denn hier muss der Vertragspartner Beschränkungen doch auch nur gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste … !?

Dies versteht nicht:
Levay

— der Fall —

K betreibt ein Großhandelsunternehmen für elektrotechnische Geräte. Im Erdgeschoss des Fir-mengebäudes befinden sich ein kleiner Verkaufsraum und die Lagerräume. Vereinzelt werden dort auch Verkäufe an Privatkunden vorgenommen. Diese Geschäfte wurden bisher über den Angestellten A abgewickelt, der hauptsächlich als Großhandelssachbearbeiter tätig war und sein Büro im obersten Geschoss hatte.

Die Abwicklung geschah in der Regel so, dass auf dem von A ausgestellten Lieferschein ein Vermerk für den Barverkauf angebracht wurde und der Kunde mit diesem Lieferschein zur Kas-se ging und bezahlte. Die Kasse befand sich in einem Raum hinter der Telefonzentrale. An-schließend erhielt der Kunde im Verkaufsraum das ausgesuchte Gerät. Abweichend von diesem normalen Verlauf nahm A, ohne Inkassovollmacht zu besitzen, in einigen Fällen auch das Geld von den Kunden entgegen, das er dann an der Kasse ablieferte.

Eines Tages kaufte B von A in den Geschäftsräumen des K eine Waschmaschine für 900 €. Den Kaufpreis zahlte er bar an A. Eine Quittung oder Rechnung erhielt B nicht, wohl aber stellte A einen Lieferschein auf B aus. A behielt diesmal das Geld für sich. Als K davon erfährt, verlangt er von B erneute Zahlung des Kaufpreises.

Zu recht ?

Nun zum Knackpunkt: Bei der Prüfung von § 56 HGB wird
konstatiert, dass es darauf ankommt, ob B von der fehlenden
Vertretungsmacht Kenntnis hatte oder haben musste
(Rechtsgedanke aus § 54 III HGB). Dies wird dann verneint (ob
das richtig so ist, stehe dahin). Aber: Wieso wurde denn dann
nicht § 54 I HGB direkt angewendet? Wieso kann man nicht von
einer Handlungsvollmacht sprechen, denn hier muss der
Vertragspartner Beschränkungen doch auch nur gegen sich gelten
lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste … !?

Ist es nicht so:
Eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB muß - wenigstens stillschweigend - erklärt werden. Dies liegt hier bzgl. A nicht vor. Er hat keine Inkassovollmacht bekommen.

§ 56 HGB begründet dagegen eine Art Anscheinsvollmacht für Ladenangestellte. Gutgläubigen Dritten gegenüber wäre es unbillig, wenn sich der Geschäftsherr bei einem Ladenangestellten auf die fehlende Vertretungsmacht berufen könnte. Man rechnet allgemein damit, daß ein Angestellter so etwas darf, was geschützt wird.

Also nur weil es keine WE gibt, die eine Vollmacht begründet greift hier § 56 HGB statt § 54 HGB.

Im ersten Augenblick mögen sich allgemeine Überlegungen zu Duldungs- oder Anscheinsvollmacht aufdrängen. Der Sachverhalt gibt dazu aber eher zuwenig her.

Hallo!

Danke für deine Antwort!

Ist es nicht so:
Eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB muß - wenigstens
stillschweigend - erklärt werden. Dies liegt hier bzgl. A
nicht vor. Er hat keine Inkassovollmacht bekommen.

Nein, aber Arthandlungsvollmacht. Das ist ja das Problem. Er HAT eine Vollmacht, und die Beschränkung muss der Dritte eigentlich nicht gegen sich gelten lassen, § 54 III HGB.

Oder verstehe ich da was falsch?

Levay

Moin!

Nein, aber Arthandlungsvollmacht. Das ist ja das Problem. Er
HAT eine Vollmacht, und die Beschränkung muss der Dritte
eigentlich nicht gegen sich gelten lassen, § 54 III HGB.

Nein, hat er eben nicht. Er hat eine Vollmacht, um Kaufverträge abzuschließen. Geld entgegennehmen darf er nicht.
§ 54 III HGB bietet dann einen Schutz nur bezüglich solcher Geschäfte. D.h. A ist in allen Arten - von den üblichen verdächtigen abgesehen - von Kaufverträgen mit Käufern als bevollmächtigt anzusehen, auch wenn er dabei eigentlich beschränkt ist.
Nicht aber für andere Geschäfte, wie Geldannahme.
Man könnte also sagen, daß B fragen müßte:„Kann ich bei Ihnen bezahlen?“, aber nicht:„Dürfen Sie mir das überhaupt verkaufen?“

Empfehlenswert wäre es wohl, im Kommentar die Rechtsprechung nachzulesen. Das müßte Klarheit bringen. U.a. auch darüber wie weit man bei § 54 III HGB mit Handelsbrauch argumentieren kann.

Oder verstehe ich da was falsch?

Oder ich?

Joker

Verstehe (?)

Also, wenn eine Arthandlungsvollmacht „Verkauf“ besteht, wie es hier der Fall ist, heißt das nicht, dass auch die Entgegennahme von Geld dazu gehört. Das hätte ich allerdings so gesehen, jedenfalls dass sie „gewöhnlicherweise“ dazu gehört. Und wenn sie „gewöhnlicherweise“ dazu gehört, dann muss eine Einschränkung ja unter 54 III fallen.

Wenn man argumentiert, es besteht für die Entgegennahme von Geld gar nicht erst die nötige Vollmacht, kann man natürlich auch Beschränkungen nicht prüfen.

Hoffentlich habe ich das auch WIRKLICH kapiert :smile:

Levay

Hoffentlich habe ich das auch WIRKLICH kapiert :smile:

Ja, so würde ich das sehen.

In der Tat ist die Argumentation „verkaufen aber nicht kassieren“ sehr unerwartet. Aber ich gehe davon aus, daß man derartig eng trennen muß.

Dennoch empfehle ich, dazu noch einmal einen ausführlichen Kommentar und Rechtsprechung zu lesen. Denn gerade die Grenzen der Ausweitung von 54 bzgl. allgemeiner Geschäftssitten scheinen doch interessanter zu sein.

Steht denn bei Alpmann/Schmidt dazu keine Entscheidung?

Ich danke jedenfalls! :smile:

Levay