Hoheitliche Aufgaben

Hallo!
Ich habe einige Fragen, inwiefern Privatpersonen eigentlich hoheitliche Aufgaben, wie Festnahmen und das gewaltsame Entfernen, ausführen dürfen.

Jeder kann ja jeden nach einer begangenen Straftat vorläufig festnehmen, um die Durchführung eines Strafverfahrens zu sichern.
Dabei muss diese Maßnahme aber verhältnismäßig sein.

erster Bereich zur vorläufigen Festnahme:
Ist diese Verhältnismäßigkeit auch bei Ordnungswidrigkeiten gewahrt?
Wenn jemand z.B. im Rathaus raucht, darf ich ihn dann festhalten, um ihn der Polizei etc. zu übergeben?
Wie sieht es aus, wenn jemand gegen AGBs verstößt? Auf einem Fest hat der Veranstalter das Rauchen untersagt und Verstöße mit einer Geldstrafe belegt.
Darf ich hier einen Rauchenden festhalten, um sicherzustellen, dass er die Strafe bezahlt? Was mir gerade einfällt: Darf der Veranstalter eine solche Strafe überhaupt festsetzen?
Wie sieht es aus, wenn man (erstmalig) beim Schwarzfahren erwischt wird? Das ist ja auch nur ein AGB-Verstoß.

zweitens:
In einem Geschäft ist das Fahrrad-fahren in den AGB untersagt.
Man fährt aber trotzdem Fahrrad und wird von einem Angestellten dabei gesehen. Wie muss der Angestellte darauf reagieren? Darf er einen festhalten, vom Fahrrad hauen oder aus dem Laden schleppen? Oder muss er die Polizei rufen?
Sagen wir, man fährt nicht mit dem Fahhrad, sondern schiebt es. Das ist in den AGB nicht untersagt. Darf ein Angestellter einem dann trotzdem rauswerfen, obwohl es von den AGB nicht untersagt ist und auch nicht gegen ein Gesetz vertsößt? Wäre das vielleicht eine ungerechtfertigte Diskriminierung?

Es wäre schön, wenn ihr mir weiterhelfen könntet :smile:
Gruß
Paul

Ist diese Verhältnismäßigkeit auch bei Ordnungswidrigkeiten
gewahrt?

Die Frage stellt sich so nicht, weil eine Festnahme wegen bloßer Ordnungswidrigkeit nicht möglich ist, sondern nur wegen des Verdachts einer Straftat.

Wenn jemand z.B. im Rathaus raucht, darf ich ihn dann
festhalten, um ihn der Polizei etc. zu übergeben?

Nein.

Wie sieht es aus, wenn jemand gegen AGBs verstößt?

Das ist erst recht keine Straftat.

Darf der
Veranstalter eine solche Strafe überhaupt festsetzen?

Wenn überhaupt, kann man die Strafe vertraglich in den AGB festlegen. Ich würde die Wirksamkeit der Klausel aber anzweifeln.

Wie sieht es aus, wenn man (erstmalig) beim Schwarzfahren
erwischt wird? Das ist ja auch nur ein AGB-Verstoß.

Das ist vor allem auch eine Straftat, daher kann ein Festnahmerecht gegeben sein.

Man fährt aber trotzdem Fahrrad und wird von einem
Angestellten dabei gesehen. Wie muss der Angestellte darauf
reagieren? Darf er einen festhalten, vom Fahrrad hauen oder
aus dem Laden schleppen? Oder muss er die Polizei rufen?

Er darf einen auch selbst hinauswerfen.

Sagen wir, man fährt nicht mit dem Fahhrad, sondern schiebt
es. Das ist in den AGB nicht untersagt. Darf ein Angestellter
einem dann trotzdem rauswerfen, obwohl es von den AGB nicht
untersagt ist und auch nicht gegen ein Gesetz vertsößt?

Natürlich. Das ist keine Frage des Gesetzes, sondern des Hausrechts.

Levay

Hallo,

vielleicht hilft das schon mal weiter:
http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__127.html

Man beachte das Wort Straftat.

Gruß
Christian

Ok, vielen Dank für die schnelle Antwort!
Ich habe aber noch ein paar Fragen:

Wenn überhaupt, kann man die Strafe vertraglich in den AGB
festlegen. Ich würde die Wirksamkeit der Klausel aber
anzweifeln.

Unter welcher Grundlage würdest du sie anzweifeln?

Das ist vor allem auch eine Straftat, daher kann ein
Festnahmerecht gegeben sein.

Erstmaliges Schawzfahren (vergessen der Monatskarte) ist auch eine Straftat? Ich dachte erst bei Leistungserschleichung wird es dazu.

Er darf einen auch selbst hinauswerfen.

unter welcher Grundlage? Darf man Verstöße gegen ausgesprochenes Hausrecht selber gewaltsam verhindern?

Natürlich. Das ist keine Frage des Gesetzes, sondern des
Hausrechts.

Bis wann reicht das Hausrecht? Man darf ja niemanden rauswerfen, weil er ne scharze Hautfarbe hat.

Unter welcher Grundlage würdest du sie anzweifeln?

§ 307 BGB oder § 305 c BGB.

Erstmaliges Schawzfahren (vergessen der Monatskarte) ist auch
eine Straftat? Ich dachte erst bei Leistungserschleichung wird
es dazu.

Schwarzfahren ist eine Leistungserschleichung. Das hat doch nichts damit zu tun, wie oft es schon vorgekommen ist.

unter welcher Grundlage? Darf man Verstöße gegen
ausgesprochenes Hausrecht selber gewaltsam verhindern?

Msn darf jeden aus x-beliebigen Gründen des Hauses verweisen. Wenn dem nicht nachgekommen wird, darf man die Person auch mit Gewalt herauswerfen (Notwehr).

Bis wann reicht das Hausrecht? Man darf ja niemanden
rauswerfen, weil er ne scharze Hautfarbe hat.

Grundsätzlich darf man jemanden sogar ohne Grund rauswerfen. Die Einschränkungen durch das AGG gelten nur in dem - mir nicht näher bekannten - Rahmen dieses Gesetzes.

Levay

Hallo!

Schwarzfahren ist eine Leistungserschleichung. Das hat doch
nichts damit zu tun, wie oft es schon vorgekommen ist.

Es hat mir immer fast das Herz gebrochen, beim einfachen Schwarzfahren etwas anderes als Freispruch zu beantragen. Ich sehe das nämlich anders, weil die bloße Tatsache, dass man sich verhält wie alle anderen, die vielleicht einen Fahrschen haben, meiner Meinung nach nicht mehr als „erschleichen“ bezeichnet werden kann. Meiner Meinung nach ist da die Wortlautgrenze überschritten. Aber Du hast natürlich Recht. Als ich allerdings einmal eine Verteidigung wahrgenommen habe, bei der der Mandant, durchaus frech, aber jedenfalls offen gesagt hat „Ich habe kein Ticket, ich will keins, ich habe kein Geld, fahr mich nach Hause“, der Busafehrer daraufhin nicht einmal losgefahren ist, wegen vollendeter (!) Beföderungserschleichung angeklagt war, bin ich fast vom Glauben abgefallen…aber das wird off topic…ich werde das in meinem Betreff mal ergänzen :wink:

Gruß,

Florian.

Ja, ich erinnere mich, dass du hier eine andere Ansicht vertrittst. Das ist aber wohl eher was für juristische Aufsätze oder Hausarbeiten im ersten Examen. Ich persönlich denke, dass das „Erschleichen“ vielleicht kein perfekter Ausdruck ist, dass aber der Sinn der Norm bei dereren Auslegung zu dem Ergebnis führt, dass Schwarzfahren eben darunter fällt.

Den von dir beschriebenen Fall mit dem Mann, der gleich gesagt hat, er wolle nicht zahlen, halte ich hingegen für völlig straflos. Das ist nicht mal Versuch, und da hätte ich auch Freispruch beantragt.

Levay

Grundsätzlich darf man jemanden sogar ohne Grund rauswerfen.

Ich habe grade ein wenig rumgesucht, aber nichts eindeutiges gefunden.
Ist das wikrlich so?
Kann ein Restaurantbesitzer wirklich einfach sagen „Nö, du passt mir nicht, geh bitte!“?

Hallo,

ja kann er.

Gruß
Tina

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo!

Den von dir beschriebenen Fall mit dem Mann, der gleich gesagt
hat, er wolle nicht zahlen, halte ich hingegen für völlig
straflos. Das ist nicht mal Versuch, und da hätte ich auch
Freispruch beantragt.

Habe ich auch - die Referendarskollegin von der StA gegenüber aber tatsächlich nicht, was mich doch ein wenig gewundert hat. Der Richter hat’s zum Glück genau so gesehen…

Gruß,

Florian.

Na ja!
Wieso hat der Richter denn das Hauptverfahren überhaupt eröffnet?

So ganz unschuldig ist der auch nicht. Von dem Staatsanwalt, der das zur Anklage gebracht hat, ganz zu schweigen.

Levay

Ist diese Verhältnismäßigkeit auch bei Ordnungswidrigkeiten
gewahrt?

Die Frage stellt sich so nicht, weil eine Festnahme wegen
bloßer Ordnungswidrigkeit nicht möglich ist, sondern nur wegen
des Verdachts einer Straftat.

Sorry aber eine privatperson darf nicht bei verdacht auf eine Straftat festnehmen sondern nur bei tatsächlichem vorliegen einer Straftat.

Im §127 heißt es hier ja auch:
Wer jemanden auf frischer Tat betroffen oder verfolgt…

Gruß Katie

Das ist richtig und falsch zugleich. Rechtsdogmatisch würde ich dir zustimmen, aber der BGH - und dessen Ansicht ist in der Praxis maßgeblich - lässt (dringenden) Tatverdacht genügen.

Levay

Hallo!

Ich würde (jetzt ohne Kenntnis der genauen Regelung im deutschen Recht) da aber nichtmal dogmatisch zustimmen, denn es ist rechtlich unmöglich, dass eine Straftat vorliegt, solange es kein rechtskräftiges Urteil hierüber gibt.

D.h. auch das Betreten auf frischer Tat ist immer noch ein Tatverdacht, aber niemals die Tat. Zugegebenermaßen ist das jetzt nur aus meinem Gefühl herausgeschrieben:wink:

Gruß
Tom

Hallo!

Es hat mir immer fast das Herz gebrochen, beim einfachen
Schwarzfahren etwas anderes als Freispruch zu beantragen. Ich
sehe das nämlich anders, weil die bloße Tatsache, dass man
sich verhält wie alle anderen, die vielleicht einen Fahrschen
haben, meiner Meinung nach nicht mehr als „erschleichen“
bezeichnet werden kann.

Ja, genau so ist im Übrigen die Judikatur des OGH bei uns.

Gruß
Tom

Hallo!

Da gebe ich dir Recht. Solche Sachen habe ich aber im Strafprozess auch schon erlebt.

Da war schon nach der ersten Einvernahme klar, dass es einen absolut zuverlässigen Entlastungszeugen gab. Im Vorverfahren wurde die Einvernahme unterlassen. Angeklagt wird dennoch, gegen die Anklage aber kein Anklageeinspruch erhoben (meines Erachtens wäre dies einer der ganz wenigen Fälle gewesen, wo man gegen die Zulässigkeit der Anklage etwas machen hätte sollen).

Dann erst wurde ein Verteidiger eingeschaltet und ich war in der HV. Dort wurde mein Beweisantrag auf Einvernahme dieses Entlastungszeugen abgewiesen!

Der OGH hat schlussendlich alles aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang wurde der Entlastungszeuge einvernommen und der StA ist in der HV von der Anklage zurückgetreten, weil meine Mandantin ganz offensichtlich unschuldig war.

Über die Staatsanwälte und Richter des Vor- und ersten Hauptverfahrens habe ich mich grün und blau geärgert…

Gruß
Tom

Das ist richtig und falsch zugleich. Rechtsdogmatisch würde
ich dir zustimmen, aber der BGH - und dessen Ansicht ist in
der Praxis maßgeblich - lässt (dringenden) Tatverdacht
genügen.

Hast Du da was für mich als info?
Würd mich interessieren.

Danke Gruß Katie

Huhu!

Also, laut Meyer-Goßner kann man die Entscheidung in der NJW 81, 745 nachlesen. Es handelt sich aber um einen Klassiker, der in jedem Lehrbuch zum Strafrecht, ggf. auch zum Strafprozessrecht zu finden sein dürfte. Einer meiner Lieblingsstreits übrigens, zumal ich ganz deiner Meinung bin.

Levay

Hallo Levay,
danke für die Quelle. Werd mich mal informieren, da es z.B. bei der IHK und auch sonstwo gängige Unterrichtspraxis ist, es so auszulegen wie ich es schrieb.

Gruß Katie

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Das ist ja auch richtig *g*

Hach, ich könnte mich Stunden lang über diese Frage unterhalten.

Levay