Selbstständigkeit und Eidesstatliche Versicherung

Hallo!

Angenommen, ein Ehepaar dass seit Jahren in der Gastronomie selbstständig ist und noch mit Schulden aus alten Zeiten zu kämpfen hat (die Schulden wurden aus Gutgläubigkeit und Naivität von der Mutter der Ehepartnerin übernommen) hat aufgrund mehrerer verlorener Gerichtsprozesse (zu denen der Anwalt jeweils geraten hätte und dafür aufgrund falscher anwaltlicher Beratung verurteilt worden wäre) weitere Schulden angesammelt. Trotz nunmehr 3 Jahren Arbeit (7 Tage Woche und kein Urlaub) und Versuchen die Schulden abzubauen, kommt nun eine weitere Forderung aus einem Prozess ins Haus, die nicht bezahlt werden kann. Eine Einigung mit dem Gläubiger ist nicht möglich, da dieser mehrere hundert Euro monatlich haben will.

Angenommen dieses Ehepaar wird nun zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gezwungen da es einfach gar nichts zu holen gibt, wäre es nun möglich das Gewerbe weiterzuführen (was sich im Aufbau befindet und von Woche zu Woche besser läuft - jedoch geht alles Geld was eingenommen wird zur Bezahlung der Lieferanten und zur Schuldentilgung drauf, selbst Kleidung wurde seit Jahren keine neue gekauft), um eine Chance zu haben die Schulden in ein paar Jahren bezahlen zu können? Was für Folgen ergäben sich aus der EV für den Geschäftsbetrieb?

Weiterhin nimmt man an, die Schulden belaufen sich insgesamt auf etwa 30.000 Euro, schwierig wird das ganze nur aufgrund vieler verschiedener Gläubiger, die mal 50, mal 100, mal 300 Euro verlangen.

Klingt kompliziert, ist es auch ein wenig…

Grüße
sunday

Hallo,

(die Schulden wurden aus Gutgläubigkeit und
Naivität …

woher die Schulden kommen ist egal, leider.

Was für Folgen ergäben sich aus der EV für
den Geschäftsbetrieb?

Die Bonität (Kreditwürdigkeit) gegenüber Banken und Lieferanten wäre futsch, außerdem wird wohl bei einer titulierten Forderung dann das Konto gepfändet, und ohne laufendes Konto läßt sich ein ordnungsgemäßer Geschäftsbetrieb überhalb Niveau Imbißbude kaum gewährleisten.

um eine Chance zu haben die Schulden in ein paar Jahren
bezahlen zu können?

Lösen läßt sich solch ein Problem eigentlich durch die Privatinsolvenz. In der mehrjährigen Wohlverhaltensphase tilgst Du ohne weiteren Verfolgungsdruck regelmäßig. Über dieses Instrument kann man sich bei einer Schuldnerberatung informieren.

Gruß, Bernd

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Hallo sunday,

sowas ist schon eine sehr unglückliche Sache.

Eine Privatinsolvenz kann aber nicht die Lösung sein, weil…
Das Verfahren der Privatinsolvenz steht natürlichen Personen (Verbrauchern) und ehemaligen Selbstständigen und Kleingewerbetreibenden offen, sofern diese weniger als 20 Gläubiger und keine Verbindlichkeiten aus Beschäftigungsverhältnissen mit Arbeitnehmern haben (§ 304 I InsO).
…es nur für ehemalige Selbstständige durchgeführt werden kann.

Da die Selbstständigkeit gut und immer besser läuft, wäre es ein Jammer eine Insolvenz durchzuführen.
Vielleicht gelingt es auf diesem Hintergrund mit Hilfe der Schuldnerberatung die derzeitigen Verbindlichkeiten zusammenzufassen und einen möglichen Tilgungsplan zu schaffen, den die Gläubiger auch annehmen können.

Je nach dem, ob es bei der ausgeübten Selbstständigkeit möglich und sinnvoll ist, kann man auch über einen Verkauf von Geschäftsanteilen nachdenken, um sich etwas zu entlasten. Das muß aber in allen Richtungen sehr gut bedacht und geprüft und geschickt angefangen werden, damit es nicht am Ende nachteilig ist.

Gruß Steffi

In diesem angenommenen Fall wurde schon mit allen Gläubigern gesprochen, soweit möglich wurden die Forderungen zinsfrei gestellt, und das Maximum an entgegenkommen herausgeholt. Andere Gläubiger sind jedoch nicht bereit entgegenzukommen. Aufgrund von Falschaussagen wurde in einem Fall ein Gerichtsverfahren gewonnen, aus dem nun annähernd 10.000 Euro fällig werden - der Gläubiger kommt allerdings kein Stück entgegen und will das Geld sofort. Dieser eine Gläubiger kann besagtem Ehepaar also den „Todesstoß“ versetzen, nachdem sie 30 Jahre lang nur zur Schuldentilgung gearbeitet und sich nie etwas gegönnt haben - und das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem wieder etwas Licht ins Dunkel kam und die Verbindlichkeiten überschaubar werden. Es war geplant im nächsten Jahr einen Kredit über ca. 20.000 Euro aufzunehmen um damit alle Schulden zu tilgen. Den Kredit dann zurückzuzahlen hätte kein Problem dargestellt, da zur Zeit im Monat 1000 Euro an mehrere Gläubiger gezahlt werden.

Die EV scheint also in der Tat unvermeidlich, falls der eine Gläubiger dem Ehepaar nicht entgegenkommt. Wer erfährt denn überhaupt von der EV? Lieferanten sind ja bereits vorhanden und schon langjährige Geschäftspartner des Ehepaars, das sollte also kein Problem darstellen. Kredite wären nicht mehr möglich, was sehr bedauerlich ist, aber immerhin besser als das Geschäft aufzugeben.

Wie sieht es mit Kontopfändungen aus? Gibt es da nicht Freibeträge die nicht gepfändet werden dürfen? Und wenn auf dem Konto ein Dispokredit wäre, welche Auswirkungen hätte das?

Mal wieder viele Fragen… :frowning:

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Hallo,

sicher ist der Fall von den Betroffenen schon reichlich bedacht worden, aber ich frage mich: Ist es nicht möglich schon jetzt und 30tsd Kredit aufzunehmen?

Bei einer EV unterschreibt man ja dafür, daß man keine nutzbaren Werte hat. Ohne den Fall nun im Detail zu kennen, kann ich mir kaum vorstellen, daß das bei einer florierenden Selbstständigkeit möglich sein soll, denn das Geschäftsvermögen wird mitgerechnet, wenn es nicht grad eine AG o.ä. ist.

Es wäre sinnvoll einen Anwalt für Insolventrecht oder einfach den nächsten Gerichtsvollzieher zu fragen, was man mit der Unterschrift einer EV rechtlich eingeht.

Gruß Steffi

Der gesamte Geschäftsbetrieb mitsamt Ausstattung ist auf Dauer gepachtet, es gibt keinerlei Vermögenswerte mehr die bei einem Kredit als Sicherheit dienen könnten.

Aber vielen Dank für die Antworten und die Mühe!

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Hallo,

ich muss hier mal eingreifen, weil einige Infos leider falsch sind…

Eine Privatinsolvenz kann aber nicht die Lösung sein, weil…
Das Verfahren der Privatinsolvenz steht natürlichen
Personen (Verbrauchern) und ehemaligen Selbstständigen und
Kleingewerbetreibenden offen, sofern diese weniger als 20
Gläubiger und keine Verbindlichkeiten aus
Beschäftigungsverhältnissen mit Arbeitnehmern haben (§ 304 I
InsO).

Lösche diese Seite aus Deinen Lesezeichen und ersetze sie durch http://www.forum-schuldnerberatung.de.

Die Info ist schlicht deswegen falsch, weil es „Verbraucherinsolvenz“ heißen muss. Privatinsolvenz ist keine rechtlich definierter Begriff und taucht im Insolvenzrecht nirgendwo auf. Wenn das Verbraucherinsolvenzverfahren nicht infrage kommt, heißt das nur, dass derjenige (Selbständige) ins ganz „normale“ Regelinsolvenzverfahren kommt. Hat den Vorteil, dass man sich die meist unsinnige außergerichtliche Schuldenbereinigung davor sparen kann und das Ganze dadurch ein paar Monate schneller startet.

Da die Selbstständigkeit gut und immer besser läuft, wäre es
ein Jammer eine Insolvenz durchzuführen.
Vielleicht gelingt es auf diesem Hintergrund mit Hilfe der
Schuldnerberatung die derzeitigen Verbindlichkeiten
zusammenzufassen und einen möglichen Tilgungsplan zu schaffen,
den die Gläubiger auch annehmen können.

Wenn der Laden gut läuft, kann man im Insolvenzverfahren weiterführen oder ein Insolvenzplanverfahren anstrengen. Meine Erfahrung ist zwar, dass ich in den letzten Jahren viele „gut laufende“ Gastronomiebetriebe erlebt habe, nur hat leider nach genauem Nachsehen nicht ein einziger von ihnen einen Überschuss erwirtschaftet. Die Betreiber haben bei der Rechnung, dass er gut läuft, dies und jenes vergessen mit einzurechnen. Dass es anders sein kann, versteht sich von selbst, nur sollte man sich das genau ansehen.

Je nach dem, ob es bei der ausgeübten Selbstständigkeit
möglich und sinnvoll ist, kann man auch über einen Verkauf von
Geschäftsanteilen nachdenken, um sich etwas zu entlasten.

Geschäftsanteile kann man nur verkaufen, wenn welche vorhanden sind, z.B. bei einer GmbH oder einer KG. Wenn es ein Einzelunternehmen ist, gibt es keine Geschäftsanteile. Außerdem: Wer würde in einen überschuldeten Laden einsteigen und dafür auch noch Geld bezahlen?

sunday schrieb:
Die EV scheint also in der Tat unvermeidlich, falls der eine Gläubiger dem Ehepaar nicht entgegenkommt. Wer erfährt denn überhaupt von der EV? Lieferanten sind ja bereits vorhanden und schon langjährige Geschäftspartner des Ehepaars, das sollte also kein Problem darstellen. Kredite wären nicht mehr möglich, was sehr bedauerlich ist, aber immerhin besser als das Geschäft aufzugeben.

Die EV wird ins Schuldnerregister des örtlichen AG eingetragen. Dieses wird durch Auskunfteien ausgewertet, also Creditreform, Bürgel, Schimmelpfeng und ähnliche. Es wird also wohl nicht der Nachbarin bekannt, aber den Geschäftspartnern in der Regel früher oder später schon.

sunday schrieb:
Wie sieht es mit Kontopfändungen aus? Gibt es da nicht Freibeträge die nicht gepfändet werden dürfen? Und wenn auf dem Konto ein Dispokredit wäre, welche Auswirkungen hätte das?

Bei einem Geschäftskonto ist alles pfändbar. Kredit wird es spätestens mit der EV nicht mehr geben.

Steffi schrieb:
sicher ist der Fall von den Betroffenen schon reichlich bedacht worden, aber ich frage mich: Ist es nicht möglich schon jetzt und 30tsd Kredit aufzunehmen?

Wer wird Kredit geben? Um als Gastronom bei einer Bank Kredit zu bekommen, musst Du schon annähernd genial sein. Nicht umsonst läuft die Finanzierung im Wesentlichen über Kredite der Brauereien, weil die das extrem hohe Ausfallrisiko in der Gastronomie mit Gewinnen aus dem Getränkeverkauf ausgleichen.

Steffi schrieb:
Bei einer EV unterschreibt man ja dafür, daß man keine nutzbaren Werte hat. Ohne den Fall nun im Detail zu kennen, kann ich mir kaum vorstellen, daß das bei einer florierenden Selbstständigkeit möglich sein soll, denn das Geschäftsvermögen wird mitgerechnet, wenn es nicht grad eine AG o.ä. ist.

Bei einer EV versichert man unter Eides statt, WAS man hat. Wenn man nichts hat, versichert man, dass man nichts hat. Wenn man eine Yacht und eine dicke Lebensversicherung hat, versichert man, dass man eine Yacht und eine dicke Lebensversicherung hat. Damit hat der Gläubiger ein Vermögensverzeichnis (das eben an Eides statt, also bei Falschaussagen strafbewehrt, versichert wurde) und weiß, wo er am besten mit der Pfändung ansetzt.

Steffi schrieb:
Es wäre sinnvoll einen Anwalt für Insolventrecht oder einfach den nächsten Gerichtsvollzieher zu fragen, was man mit der Unterschrift einer EV rechtlich eingeht.

Hier stimme ich Dir allerdings zu. Solche Sachverhalte sind mit ihren Folgen manchmal sogar schwierig im Beratungsgespräch zu lösen, im Forum kann man das vergessen.

Ich würde mich auch über das Insolvenzverfahren informieren, es kann eine Chance sein. Irgendwo stand geschrieben, dass die Leute schon 30 Jahre abbezahlt haben, also sind sie nicht mehr die Jüngsten. Auch dann kann es sehr sinnvoll sein, die Schulden loszuwerden.

Gruß,
Oskar