Unterschied katholischevangelisch?

Hallo,

ich habe da mal eine ganz generelle Frage zum Christentum. Wo genau liegt der Unterschied zwischen den Protestanten und den Katholiken? Ok, in der katholischen Kirche gibt’s den Papst als Oberhaupt, das Abendmahl wird anders durchgeführt, bei den Protestanten (ist das =Evangelist?) gibt’s keinen Weihrauch, aber das kann ja nicht alles sein :wink:

Vielleicht kann mir jeamnd die groben (Glaubens-)Unterschiede nennen?

Frohe Ostern, Robert

Hallo Robert,

die Darstellung der Unterschiede fällt natürlich perspektivisch aus. Meine Perspektive ist die eines Theologen, der vor 13 Jahren von der ev. zur kath. Kirche konvertierte.

Das eigentlich Wichtige im Christentum sind nicht die Unterschiede. Es gibt eine „Rangliste der Wahrheiten“, und auf der rangieren die konfessionellen Differenzen ziemlich weit unten. Ganz oben steht der gemeinsame Glaube an den einen Gott, der sich in Jesus von Nazareth zeigt und als heiliger Geist Glauben, Hoffnung und Liebe in den Menschen bewirkt - so wie es in den biblischen Büchern erzählt wird und in den ersten Jahrhunderten der Kirche in Glaubensformeln zusammengefasst wurde. Und ganz oben steht der schwierige Versuch, diesem Glauben entsprechend zu leben.

Schon in dieser gemeinsamen Basis kann man unterschiedliche Akzente entdecken. Es gibt schon im Neuen Testament „objektivistische“ und „spiritualistische“ Strömungen. Für die ersteren ist wichtig: Leib - Wunder - Sakramente - Kirche - Glaube-als-Bejahen-der-Lehre - Kontinuität. Für die zweiten: Geist - Innerlichkeit - Personalität - Glaube-als-Vertrauen - Spontanität. Das Miteinander und Gegeneinander dieser Strömungen durchzieht die Kirchengeschichte. Die extremen Spiritualisten wurden meistens als Ketzer eingestuft, ausgeschlossen und ggfs. hingerichtet (wobei staatliche und kirchenleitende Interessen zusammentrafen).

Die spätmittelalterliche Kirche vor der Reformation war in vieler Hinsicht ein objektivistisches System, das auf fast magisch verstandenen Sakramenten, einem unbeweglichen Lehrgebäude und einem intensiven Reliquienkult beruhte - objektivistisch bis dahin, dass das Allerpersönlichste, nämlich die Sünden des einzelnen - in Katalogen eingestuft und in Fegefeuerjahren und Geldwerten quantifizierbar gemacht worden war. Es gab allerdings auch eine Gegenströmung (Mystiker, Devotio moderna).

Martin Luther brachte gegen diese Objektivierung, die beim real existierenden Menschen Verängstigung bewirken musste, die andere Linie zur Geltung (mit Berufung auf Paulus, Johannes, Augustinus, Meister Eckhard u.a.). Sein (paulinisches) Schlüsselwort heißt dabei: Glaube , und zwar als persönliche Christusbeziehung verstanden. Nur diese Glaubenshinwendung bringt dem Menschen Rettung, Vergebung, Seligkeit („Rechtfertigung allein durch den Glauben“). Von dieser Basis aus durchforstete Luther das Kirchenwesen, was zu einer starken Konzentration und (langfristig) zum Verschwinden fast der ganzen katholischen Sakramenten- und Symbolwelt führte. Das Papsttum lehnte Luther ab, weil es seinen Zentralsatz nicht akzeptierte. Das Mönchtum, weil es (nach seiner Einschätzung) der quantifizierenden Leistungsfrömmigkeit verfallen war.

Luther selbst wollte allerdings kein einseitiger Spiritualist sein. Er hielt an den Grundsakramenten Taufe und Abendmahl eisern fest, ebenso am unveränderlichen Bibelwort und am daraus abgeleiteten kirchlichen Credo. Er war überzeugt, dass die Kirche Christi ein „ordentliches Lehramt“ brauche. Seine leidenschaftlichsten Kämpfe hatte er seit 1525 nicht mehr mit „Papisten“, sondern mit „Schwärmern“, die mit Kirche als einer vorgegebenen Größe gar nichts mehr anfangen konnten und sich direkt auf den Geist beriefen.

Die katholische Theologie hat nach der Reformation einige Kurskorrekturen vorgenommen, teils durch das Konzil von Trient, mehr noch durch große mystisch begabte Heilige, schließlich durch das 2. Vatikanische Konzil. Die Kirchen der Reformation haben nach dem Kahlschlag der Aufklärungszeit viele der traditionellen Zeichen und Riten wiederbelebt. Insgesamt aber war das konfessionelle Zeitalter (von - sagen wir - 1530 bis 1950) eine Zeit der bequem aufgeteilten Gegensätze. Dabei hatte der Katholizismus den objektivistischen Part, der Protestantismus den spiritualistischen.

Aus dieser Darstellung kannst du leicht meine eigene Position erkennen, nämlich dass Christsein ein Leben mit beiden Polen (auch in ihrer Spannung) bedeutet.

Vorösterliche Grüße,
Peter

Hi,

bin eine ehemalige Katholikin, die in eine evangelische Freikirche „gewechselt“ ist …

Also … es gab verschiedene Reformationen in Europa, woraus sich die verschiedenen Kirchen gebildet haben. Allen gemein ist - wie vor mir schon jemand geschrieben hat - dass sie an Gott und Jesus glauben und die Bibel (mehr oder weniger) als Grundlage haben.

Nach der Entstehung der „Urgemeinde“ im ersten Jahrhundert in Jerusalem gab es keine geistliche „Zentrale“ für den sich ausbreitenden christlichen Glauben. Die erste hierarchisch organisierte Kirche in Europa war die römisch-katholische Kirche. Sie entstand im 4. Jahrhundert und bildete eine stark zentralisierte Struktur und Hierarchie.

Es gab im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte immer wieder Gruppen, die sich aus verschiedenen Grunden von der katholischen Kirche absonderten, um zu den ihnen wichtigen Grundsätzen des Glaubens oder zu den von der Kirche vernachlassigten Prinzipien zurückzukehren. Das war, zum Beispiel, der Ursprung der griechisch-orthodoxen Kirche und vieler anderer Gruppen im europäischen Christentum.

Ein Anlass für die Entstehung etlicher weiterer christlicher Gruppen war die Reformation in Europa, die schon vor Martin Luther mit Menschen wie John Wycliff in England und Johannes Hus in Böhmen gegann. Es gab drei „Flügel“ der Reformation auf dem europäischen Kontinent.

Der erste Flügel und die bekannteste reformatorische Bewegung in Deutschland ist selbstverständlich die efangelische Kirche Deutschlands, die später aus Luthers Lebenswerk entstand. Seine Leitsätze waren: „Sola scriptura“ (allein die Bibel), „sola gratia“ (allein die Gnade) und „sola fide“ (allein durch Glauben). Das Bibelwort aus Römer 1.17 war ihm sehr wichtig: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“

Es gab eine zweite Bewegung in der Schweiz unter der Führung von Ulirch Zwingli und Johannes Calvin, aus der die sogenannte presbyterianische oder reformierte Kirche hervorging. Diese ist heute viel stärker in der Schweiz und in den USA als in Deutschland vertreten, Die Hugenotten in Frankreich gehören auch dieser Gruppe an.

Der sogenannte dritte Flügel der Reformation verbreitete sich sehr schnell in ganz Europa, hatte aber keine zentral organisierte Struktur wie die obengenannten Kirchen und wurde von diesen Kirchen verdrängt, bekämpft und unterdrückt. Die Anhänger dieses Flügels lehnten die Läuglingstaufe ab, weil sie diese Taufpraxis nicht in der Bibel fanden, die für sie Maßstab für Glauben udn Leben war. Sie erkannten, dass die Menschen im Neuen Testament zuerst eine bewusste Entscheidung für Jesus Christus trafen, bevor sie sich taufen ließen. Die erste Generation dieser Bewegung wurden schon als Kindeter „getauft“ und ließ sich dann im Erwachsenen alter nach iherer neuen Überzeugung biblisch taufen. Deshalb wurde diese Gruppe spättisch „Wiedertäufer“ genannt. Aus dieser Bewegung gingen die taufgesinnten GEmeinden in der Schweiz, die Mennoniten und die Baptisten in Holland, Deutschland, England und in anderen Ländern Europas, sowie viele andere „Freikirchen“ hervor. Weil die meisnten dieser Gruppen vertrieben oder verfolgt wurden, sind sie in vielen westeuropäischen Ländern weniger bekannt. In den ehemaligen Ostblockländern, Holland, England und in den USA sind sie unter den größten christlichen Gruppen und haben dort mehr Anhänger als die lutherische Kirche.

Ich hoffe, dass dieser Abriss der europäischen Kirchengeschichte hilfreich war …

CU Aggie

Hallo Robert,

bei den aus den verschiedenen Reformationen hervorgegangenen Kirchen gibt es kein Papstamt, keine Marien-/Heiligenverehrung/-anbetung und nur 2 Sakramente (Taufe und Abendmahl). Die katholische Kirche kennt 5 weitere Sakramente: Priesterweihe, Eheschließung, Krankensalbung und noch 2 weitere, wobei das Abendmahl als Eucharistie bezeichnet wird.

Als Evangelisten bezeichnet man die biblischen Schriftsteller Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.
Die Bezeichnung „Protestanten“ für evgl. Christenmenschen geht auf eine Protestaktion auf einem Reichstag 1529 zurück.

Frohe Ostern wünscht Dir/Euch Martin

Hallo *,

vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten und den Einblick in die Kirchgeschichte.

Viele Grüße, Robert