rückwirkend nicht selbständig

hallo zusammen!
folgende etwas verwickelte geschichte:
ich war im jahr 2000 scheinselbständig. nun ist die juristerei durch und ich habe endlich schriftlich, dass de facto ein abhängiges beschäftigtigungsverhältnis bestanden hat. der ehemalige arbeitgeber muss die sozialabgaben nachzahlen.
nun habe ich meine damaligen einkünfte auch vorschriftsmäßig als unternehmer versteuert und somit steuern gezahlt, die ich nicht hätte zahlen müssen.
weiss jemand, ob nach solcher frist die möglichkeit besteht, sich dies zurück erstatten zu lassen?
wäre dankbar für einen hinweis.

beste grüße
bernd

hi bernd,

also die höhe der einkünfte dürfte sich nur marginal verändern, von der warte dürfte es für dich keine probleme geben, denn folgende summen sollten fast entsprechend sein:

betriebseinnahmen = bruttoarbeitslohn
betriebsausgaben = werbungskosten
gewinn = überschuss

probleme dürften in deinem fall nur bei folgenden punkten entstehen:

hat das gericht irgendwelche regelungen zur haftung des „arbeitgebers“
in puncto lohnsteuer veranlasst?

denn es wird sich folgendes ergeben, der arbeitgeber ist haftungsschuldner der lohnsteuer und du bist als arbeitnehmer der steuerschuldner. zusammen haftet ihr dem finanzamt als gesamtschuldner. das FA kann nach pflichtgemäßen ermessen
entscheiden von wem es das geld verlangt.

folgendes wird passieren: das FA verlangt von dir die LSt, diese wird im rahmen des einkommensteuerbescheides (noch hoffentlich änderbar) angerechnet und da du ja bereits eine einkommensteuernachzahlung leisten musstest quasie +/- null ablaufen.

der rückgriff an den arbeitgeber haette nur zur folge, das er auch aus deinem brutto die LSt abführen muesste. da du aber das brutto voll erhalten hast (Nettoumsatz) müsste er von dir erst den LSt-Betrag einfordern, bevor er ihn an das FA abführen könnte. diese
verfahrensweise ist um 3 ecken komplizierter, weshalb das FA sicherlich die erstere wählen wird.

zu hoffen ist nur, das hier schon im urteil entsprechende regelungen enthalten sind. im endeffekt sollte es so sein, das noch geschuldete lohnsteuer und die zuviel gezahlte einkommensteuernachzahlung sich entsprechen solten…

zu problemen sollte es nur beim SV kommen. den arbeitgeberanteil wird der AG selber ohne dein zutun an die krankenkasse abführen, was aber mit dem arbeitnehmeranteil? ich denke, den wird sich die krankenkasse direkt bei dir abholen (prinzip w.o.). ggf. bestehen
aufrechnungsmöglichkeiten, weil du freiwillig versichert warst in der gesetzl. KV?

problem hier: der vorsorgeufwendungsabzug im einkommensteuerbescheid kann sich mindern (wenn der vorwegabzug noch in anspruch genommen wurde), dadurch kann sich eine höhere steuer ergeben.

da es umsatzsteuer-technisch sollte die unternehmereigenschaft nun auch weggefallen sein, inwieweit die ustzahlung vom FA zurückgefordert werden kann, haengt von den bescheiden ab. ggf. wurde auf die umsatzsteuererklärung nicht reagiert, dann besteht noch der vorbehalt
der nachprüfung.

hier solltest du am besten das gespräch mit dem finanzamt suchen, denn eine korrektur ist in dem fall meines erachtens nicht möglich (verweis auf § 14 Abs. 3 UStG mit UStR 190). ggf. mit dem sachbearbeiter besprechen, das entweder alles beim alten bleibt, oder:

  • du eine umsatzsteuererklärung nur mit nullen als korrektur einreichst
  • das guthaben an dich ausgeschüttet wird
  • du die zuviel erhaltende umsatzsteuer an den arbeitgeber abgibst, der diese an das finanzamt zurückzahlt, weil kein vorsteuerabzug zutrifft
  • du schlussendlich dem arbeitgeber die falschen rechnungen aus dem rücken leierst

effektiv büßt du den vorsteueransprcuh ein, und das zu recht.

die beschriebene verfahrensweise ist aber so nicht gesetzlich geregelt. wenn es um höhere summen geht, solltest du mit dem gesamten packen papier (urteile, schreiben, steuerbescheide und steuererklärungen) zu einem steuerberater gehen und dich korrekt beraten lassen!

es gibt viel zu tun, packs an

gruss vom

showbee

mal wieder umfassend
hey showb,
deine gründliche ausarbeitung der thematik ist mal wieder an kompetenz kaum zu überbieten :smile: da hab ich schonmal eine menge anhaltspunkte, um den anwalt zu briefen.
(prompt ist mir ein stern mal wieder zu wenig… *densterngeneratoranwerf* :wink:

konkret ist die lage so:
vor dem arbeitsgericht ging es nur um eine abfindung, zu steuern wurde dort erstmal gar nichts festgestellt (was imho kein nachteil sein muss). meine gewiefte anwältin hat aber eine prüfung der sache durch die bfa veranlasst, die nun (keine 3 jahre später) auch amtlich festgestellt hat, das hier ein festes/versicherungspflichtiges beschäftigungsverhältnis vorlag. inzwischen hatte ich widerspruch eingelegt und auch eine aussetzung der zahlungsverpflichtung erwirkt.
meine anwältin sagt nun, dass ich aufgrund der (jetzt von mir laienhaft wiedergegeben) „rückwirkenden fristigkeiten“ in puncto SV nichts selbst zahlen muss- der AG muss das komplett übernehemen.
deswegen ist meine spannende frage, ob sich dieses prinzip auch auf das FA übertragen lässt…
…da seh ich hier durchaus hoffnung:

das FA kann nach pflichtgemäßen ermessen (d.h. spielraum!)
entscheiden von wem es das geld verlangt.

…und auch hier:

da du aber
das brutto voll erhalten hast (Nettoumsatz) müsste er von dir
erst den LSt-Betrag einfordern,

was zumindest auf sozialrechtlicher ebene hinfällig ist (s.o.).
deswegen könnte man ja vielleicht diese zahlungen gewissermaßen als nettolohn betrachten (was ja der auszahlungsbetrag bei abhängig beschäftigten ist). somit wäre der AG dran, vor allem weil mich an dieser miesere eigentlich keine schuld trifft (sag ich jetzt mal so, damit die details nicht ausufern).
aber du hast völlig recht: das ist alles ein frage für einen fachmann, den ich umgehend konsultieren werde.

vorzüglichsten dank
bernd

(der mittlerweile professioneller anpacker ist :wink: