Sinologie - allgemeine Infos, mit was kombinieren?

Hallo ihr lieben,

ich habe letztes Jahr Abi gemacht, war nun erst einmal 4 Monate in den USA und bin jetzt am überlegen, was ich ab dem Wintersemester 2009 studieren werde.
Also für mich war schon immer klar, dass ich auf jeden Fall was mit Sprachen studieren will, aber nicht unbedingt auf Lehramt. Ich hatte in der Schule Französisch, Spanisch und Englisch…
Da ich aber supergerne noch etwas komplett neues lernen möchte, also sowohl eine andere Sprache, als auch Kultur, habe ich mich nun ein bisschen über Sinologie informiert und finde es äußerst ansprechend. Ich kann mir vorstellen, dass das Studium wirklich superschwer ist und dass wenn man nicht so viel über Asien weiß, man viellt. auch nen echten Kulturschock erleben könnte, aber das wäre einfach eine super Herausforderung für mich. An Ehrgeiz und Lernwillen fehlt es mir auch auf gar keinen Fall.
Trotzdem bin ich noch unschlüssig, denn klar, chinesisch ist immer mehr ‚im Kommen‘, so viele Unternehmen haben mittlerweile Beziehungen mit China und brauchen chinesischsprechende Leute. Aber ich frage mich einfach, mit was man Sinologie kombinieren könnte, um später Chancen auf einen Job zu haben.
Ich habe jetzt schon sehr oft gelesen, dass Sinologie und Wirtschaft eine sinnvolle Kombination ist, da ich aber echt eher nicht so interessiert an Wirtschaft bin und total gerne in Richtung Medien/Kultur/Tourismus o.Ä. gehen würde, frage ich mich eben was man da machen könnte.
Zunächst hab ich überlegt, Sinologie mit Anglistik zu kombinieren, was aber eher wenig Sinn macht, denn so wie ich das sehe, lernt man im Sinologiestudium schon viel Englisch? Und wenn ich z.B. Spanisch zusätzlich studiere, was fange ich spätr damit an? Macht das Sinn?

Vielleicht gibt es ja einige Leute hier, die Sinologie studieren/studiert haben oder es auch studieren wollen und mir viellt. ein paar Infos dazu geben können. Ganz ganz wichtig wäre für mich auch noch, welche Unis wirklich gut sind für Sinologie.

Danke schonmal im Voraus!

LG, Jacqui

Hallo Jacqui!

Das Studium der Sinologie ist an sich nicht schwer- es ist nicht einfach, aber schaffbar; schwer ist es, sich selbst zu disziplinieren, wie ich feststellen musste.
Die Sprache an sich ist relativ leicht, auch wenn in den ersten Semestern viel Grammatik gepaukt wird- im Vergleich zu Koreanisch und Japanisch ist die Grammatik ein Witz und sehr leicht zu erlernen.
Schwierig wird es beim Schreiben!
Die Zeichen auswendig zu lernen ist die wahre anstrengung und da bringen moderne Lernmethoden gar nix: Da hilft nur Zettelkastensystem und Wiederholen, Wiederholen, Wiederholen. Das musste ich auch lernen.

Ein anderer Punkt ist:
Du lernst nicht viel Englisch in Sinologie, du MUSST Englisch KÖNNEN. Sonst gehst du unter, denn 80% deiner Texte werden auf Englisch- und nicht unbedingt einfachen Englisch- sein, obwohl es viele gute deutsche Sinologen gibt.

Damit du nicht den frontalen Kulturschock erlebst wäre es vielleicht ganz gut, wenn du dich im Vorfeld etwas über China und chinesische Geschichte, Kultur etc. informierst.

z.B. auf www.china-guide.de
Ein gutes Einführungslexikon ist „Das kleine China-Lexikon“ von Birgit Zinzius. Schau mal ob du das gebraucht bekommst oder in der Bibliothek, denn später wirst du viel ausführlichere Werke brauchen.

Was Kombinationen angeht:

Es gibt da mehrere Wege.
Schiene 1: Die Wirtschaftliche
Es gibt bereits kombinierte 1-Fach Studiengänge wie Wirtschaft/Politik Ostasiens oder Business Economics of East Asia
Dafür musst du ziemlich taff sein.
Die Studiengänge sind sehr beliebt aber nur wenige halten im Wirtschafswissenschaftlichen Zweig durch, weil du schon etwas Talent dafür brauchst. Politik langweilt viele später zu Tode, die es gewählt haben, also nur nehmen, wenn du wirklich was damit anfangen kannst.
Es gibt auch eine Uni in Deutschland, die Rechtswissenschaften mit dem Zusatz chinesisches Recht anbietet.

Generell ist wichtig, dass du etwas studierst dass dir Spaß macht, sonst hast du irgendwann keine Energie mehr. Und wenn du Spaß hast, hast du bessere Leistungen. Durch bessere Leistungen findest du später eher einen Job als jemand der nur irgendwie das Wirtschafsstudium geschaft hat.

Schiene 2: Asien-Crack
Dabei wählst du Chinesisch und ein weiteres asiatisches Fach (japanisch, koreanisch, thai, vietnamesisch etc. pp).

Das ist nur bei Sprachtalenten zu empfehlen die sehr, sehr leistungsfähig sind, der Druck ist sonst einfach zu groß. Dazu kommt, dass dies oft nicht vorgesehen ist und sich Veranstaltungen überschneiden.

Schiene 3: Geisteswissenschaftler
Die klassischen Fächer bieten sich hier an:
Soziologie, Psychologie, Geschichte, Komparistik, Übersetzen, Religionswissenschaften, Medienwissenschaften, Pädagogik etc. Dies ist eine Ausbildung für bestimmte Fertigkeiten mit dem Spezialgebiet China, du erlernst in dem anderen Fach also bestimmte Techniken, in Sinologie lernst du über China, und kombinierst dir selbst deine Spezialität. Dadurch lernst du auch, das Gelernte auf abstrakte Fälle anzuwenden und nicht nur das nachzuquatschen, was dein Dozent sagt.

Schiene 4: Der anders Orientierte
Da bieten sich z.B. Chemie, Physik, Mathe, Informationswissenschaftler, Maschinenbau etc. an.
Dabei ist Sinologie dann nur quasi die Zusatzausbildung um später mobiler zu sein oder evtl. im Ausland zu arbeiten. Auch eine Karriere als Patentübersetzer und andere lustige Dinge sind dann möglich.

Ich persönlich würde dir von der „Tourismus-Event-irgendwas“ Schiene erstmal abraten.
Das machen heute nämlich ALLE und JEDER will „irgendwas mit Medien“ machen.

Sorge für eine Ausbildung die dir Spaß macht und die viele Wege offen lässt oder einen bestimmten Weg sehr gut sichert.
Du kannst als Soziologin, Dolmetscherin, Mathematikern, Politologin etc. pp immernoch in die Touristik/Medienbranche einsteigen.
Es gibt ja auch noch den Master, z.B. in Frankfurt an der Oder gibt es einen der auf Tourismus und Asien eingerichtet ist.
Halte dir die Optionen erstmal offen. Grade wenn du die geisteswissenschaftliche Karriere gehst, musst du flexibel sein.

Dazu kommt, dass Sinologie nicht auf DEN Beruf vorbereitet. Sie vermittelt nur Kenntnisse. Das gut ist, dass du beim potentiellen Arbeitgeber fleißig und leistungsfähig erscheinst, weil es dir doch einiges abverlangt.

Wo du Sinologie studieren kannst, findest du mit dem www.hochschulkompass.de

Hamburg soll nicht schlecht sein, die haben ein sehr großes Asieninstitut wo du auch ungewöhnlichere Sprachen (Thai, Vietnamesisch, Indonesisch etc.) lernen kannst. Ich selbst studiere in Bochum.

Abraten kann ich dir von Münster, wir fangen jedes Semester einige Flüchtlinge von dort auf.

Trend:
Ja, Sinologie wird langsam trendiger, es hält sich in Maßen, da es immernoch ein philologisches Studium ist.
Die ersten Semester, wenn die Sprachkurse Optionalbereich sind und die Studenten anderer Bereiche dazu kommen, wird es echt unangenehm.

Auch sonst kann es überfüllt sein, denn auch wenn die Studentenschwemme auf Sinologie weder unerwartet noch übermäßig groß ist, so haben die Fakultäten oft kein Geld und sind nicht entsprechend ausgebaut.

Vergiss auch nicht,d ass du ins Ausland solltest- bei vielen Studiengängen ist das sogar Pflicht. Das kostet Geld, ist aber sehr, sehr effektiv. Muss aber beim Scheiß Bachelorsystem gut geplant werden. Für ein Auslandssemester (oder mehr) brauchst du mindestens 1 Jahr Vorbereitungszeit.

So, ich hoffe ich konnte dir bis hierher etwas helfen. Im Anschluss erzähl ich dir etwas über das Studium in Bochum:

Im 1-2 Semester lernen wir die Grundzüge der Sprache mit traditionellen Zeichen, also Langzeichen wie sie heute noch auf Taiwan benutzt werden. Damit schinden wir bei Chinesen Eindruck und sind nicht vollkommen verzweifelt wenn es ans Klassische Chinesisch geht.

Ferner erfolgen im 1-Jahresrhythmus die:
Einführung in die chinesische Geschichte: Alles vom Neolithikum bis zur Qing-Dynastie. Theoretisch Moderne, aber dazu kommen wir nie.

Einführung in die Philosophie Chinas: Hier wird vor allem die Philosophie der Zeit der Streitenden Reiche behandelt, die sechs Schulen (Daoismus, Konfuzianismus, Modismus, Schule der Namen, Legalismus, Yin Yang Schule) legten den Grundstein sowohl für die philosophische wie religiöse Entwicklung Chinas in den kommenden Jahrhunderten.

Einführung in die Literaturgeschichte: Der Hasskurs der meisten Studenten, weil es nur sehr wenig Leute interessiert. Was aber im Endeffekt auch recht Lehrreich, weil man langsam in die Gedankenwelt einsteigt.

Einführung in die Sprachwissenschaft: DAS ist der absolute Hardcorekurs, wahrscheinlich einer der schwersten des ganzen Studiums- aber es gibt ihn nicht an jeder Uni.
Darin werden sowohl Themen der Sprachwissenschaft allgemein angesprochen, als auch der Rezeption und Anwendung auf China und die chinesische Sprache. Wenn du noch andere Sprachen lernst oder Linguistik machst, sehr gut!

Dazu kommt ein Kurs „Themen und Fragen der Sinologie“ der sich sinnvoll anhört, tatsächlich aber nur Texte Lesen und Referate drüber Halten ist.

Im 3-4 Semester beginnen die wichtigsten Sprachkurse. Man fängt an mit der richtigen Sprache, den Kurzzeichen die man evtl. schon beim angebotenen Kurs in Shanghai kennengelernt hat. Die Umstellung ist verwirrend, aber sie sind wesentlich angenehmer.

Ebenso beginnt der erste Teil von Modernes China und Traditionelles China.
Zu beiden Themen muss man 2 Kurse belegen, der Thema frei wählbar ist und jedes Semester verschieden. Ein paar Beispiele:
Die Kosmologien Chinas (TC)
Das Weiße Fohlen Leben- Tod, Sterben und Trauer in China (TR)
Die Lyrik der Song-Zeit (TR)
Die Geschichte der Stadt Peking (beides)
Die Drei Helden (TR)
Der Daoismus (TR)
Die Struktur Chinas im 19. und 20. Jahrhundert (MC)
Die Industrialisierungsfrage in China (MC)
Sun Yat-Sen (MC)
Die Gegner der Revolution (MC)
etc.

Im 5-6 Semester kommt dann noch ein Sprach-oder Kalligraphiekurs dazu, sowie jede Menge Textlektüre Kurse, die echt anstrengend sind, weil du ein großes Pensum schnell übersetzen können musst.
Daneben gibt es bei uns (relativ selten in der Sinologie) noch den Kurs „Kulturgeschichte der sinologischen Hilfsmittel“ auch anstrengend, aber sinnvoll.
Du lernst wie man mit alten Wörterbüchern, Personen- und Ortslexika, Enzyklopädien, Index, Konkordanzen, Dynastiegeschichten etc. etc. umgehst. Das ist sehr wertvoll für spätere Arbeit.

Im Master kann man uns auf Sprache und Literatur Chinas sowie Geschichte und Philosophie Chinas spezialisieren.

So, und falls du schon fest entschlossen bist zu studieren, können folgende Anschaffungen nicht schaden:
Gernet, Jacques „Die Chinesische Welt“ ist DAS Geschichtsbuch zu China.
„Lexikon der chinesischen Literatur“ aus dem C.H. Beck Verlag kann etwas warten, weil es recht teuer ist.
Speziell ist das „Chinese“ von Norman aus der Cambridge Press, das ist ein Sprachwissenschaftliches Buch- aber auch das einzige, dass du als normaler Mensch verstehst.

Ein gutes Handwörterbuch in beiden Sprachen ist das von Susanne Brudermüller.

Die Universalwörterbücher von Langenscheidt, also diese Minis, kannst du komplett verschrotten- die sind nicht nur zu klein vom Inhalt her, sondern teilweise auch noch falsch.

Achte bei Wörterbüchern darauf, dass PinYin enthalten sind! Sonst kannst du die Zeichen später nicht lesen. Je nach Uni brauchst du außer für den Persönlichen Gebrauch aber auch erst ab dem 3. Semester eins.

Viel Erfolg beim Finden des richtigen Studiengangs!

lg
Kate

Hallo Fragestellerin,
hallo Kate,
selten habe ich so eine präzise Antwort auf ein so schwieriges Thema gelesen. Hochachtung und ein *chen (mehr kann ich leider nicht verteilen). Da meine ältere Tochter Japanologie studiert, habe ich etwas Einblick in die Materie. Unsere Tochter ist von Berlin nach Duisburg gewechselt, weil sowohl die Studienbedingungen als auch das Studienniveau (erstklassige Dozenten, die auch noch für Studenten zu sprechen sind, unbürokratische Abarbeitung von auftretenden Problemen usw.) einfach wesentlich besser waren. Sie hat den Schritt nicht bereut, trotz Studiengebühren und steht jetzt kurz vor dem Abschluß. Sie wird ihre Diplom-/Magisterarbeiten in Japan schreiben, denn sie hat bereits für ein Jahr einen Job dort unten, der ihr die Möglichkeit von Einkommen und Recherche sowie Schreiben der Abschlußarbeit ermöglichen.

Sie hat noch ein Vorstudienjahr, in dem nur Sprache unterrichtet wurde, absolvieren müssen. ERst nach bestandener Sprach-/Schriftprüfung wurde sie für das eigentliche Studium zugelassen. Bereits in den ersten drei Monaten waren von der ursprünglichen Studentenzahl nur noch die Hälfte dabei. Wer nicht den absoluten Willen hat, sich und seinen inneren Schweinehund zu überwinden, sollte nicht über ein derartiges Studium nachdenken.

Ich jedenfalls wünsche der Fragestellerin und Dir - Kate - alles, alles Gute. Wie ich Deiner Visitenkarte entnehmen kann, stehst auch Du fast vor dem Abschluß. Viel Erfolg und weiterhin so viel Elan wünscht BM