Atomkraftwerk GAU

Hallo!

was passiert bei einem Atomkraftwerk, wenn die Kühlung
komplett ausfällt und der Mensch keine Massnahmen einleitet?
(gibt ja z.B. die Serie „Welt ohne Menschen“ wo alle Menschen
auf einmal weg sind)

So ein Szenario ist gar nicht so unwahrscheinlich. In der Ukraine steht das leistungsstärkste KKW Europas, das Kernkraftwerk Saporischschja mit 6 Blöcken à 1.000 MW. Nicht weit davon entfernt beschießen sich Stellvertreter von Großmächten Knallköppe gegenseitig. Wenn in dem KKW etwas passiert, was dringendes Eingreifen erfordert, ist vorstellbar, dass niemand helfen kann, weil in der Nähe lauernde Geistesgrößen auf alles schießen, was sich bewegt.

Wäre ein übler Fall, aber du bekämst eine experimentell untermauerte Antwort auf deine Frage.

Gruß
Wolfgang

Moin,

Dieses neue Ereignis dürfte in den meisten Fällen der Ausfall
der Notstromversorgung sein, weil den Generatoren der
Treibstoff ausgeht und dann nimmt das Unheil seinen Lauf.

welches Unheil meinst du konkret?
Ich könnte mir vorstellen, dass der Zeitraum zwischen dem Fehlen jeglicher Kraftwerksbedienung und der automatischen Reaktorabschaltung relativ kurz ist. Hast du Zahlen? 1h, 6h, 12h vielleicht? Oder sogar schon früher, weil das KKW erkennt, dass seine elektrische Leistung nicht mehr abgenommen wird oder externe Stromlieferanten ins Netz nix mehr einspeisen.
Die Notfall-Kühlmittelpumpen für den Primärkreislauf müssten doch auch noch eine Weile autark laufen können. Nach 24h wäre die Nachzerfallswärme auf vielleicht unter ~0,5% der Reaktornennleistung abgesunken. Reichte das noch für eine Kernschmelze aus wenn dann das Benzin alle wäre?

VG
J~

Salve.

Fehlen jeglicher Kraftwerksbedienung und der automatischen
Reaktorabschaltung relativ kurz ist. Hast du Zahlen? 1h, 6h,
12h vielleicht? Oder sogar schon früher, weil das KKW erkennt,
dass seine elektrische Leistung nicht mehr abgenommen wird

Wovon träumen die Menschen nachts?
Soweit ich weiß, existieren solche Abschaltungen überhaupt nicht. Ich wüßte nicht, wie das regelungstechnisch anzustellen wäre, irgendeinem Kraftwerk künstlich klarzumachen, daß einfach so seine Leistung nicht mehr gebraucht wird. Verschwänden schlagartig alle Menschen, würde sich die Last im Netz nicht groß ändern. Man sollte sich im Klaren darüber sein, wie große die Automatisierung heutzutage schon ist, insbesondere in energieinteniven Betrieben. Nicht wenige Arbeitskräfte überwachen „nur“, und greifen nur bei Fehlern ein, idealerweise also nicht.

Der einzige „Schutzmechanismus“ ist die Netzregelung, die Spannung (Blindleistung) und vor allen Dingen Frequenz (Wirkleistung) überwacht. Ich bin leider nicht mehr absolut auf dem Laufenden, inwieweit ein Kraftwerk automatisch abgeschaltet werden kann oder ob nach wie vor Bedienpersonal die Trennung vom Netz und im Extremextremfall die Abschaltung vornehmen muß. Der Zweck der sogenannten Primär- und Sekundärregelung ist jedenfalls nicht die Kraftwerksabschaltung, sondern die Ausregelung von Störgrößen, um den stabilen UCTE-Verbundbetrieb zu garantieren. Das heißt, zuerst zerfällt der UCTE-Verbund, dann zerfallen die Inselnetze in kleinere Inseln, und schließlich zerfallen die nationalen Netze in Regelzonen. Ein 100%iger Zusammenbruch oder ein 100%iger Leerlauf ist allerdings unwahrscheinlich.

Gerade Kernkraftwerke fahren idealerweise sehr gleichmäßig und vollautomatisch, denn Kernkraftwerke sind reine Grundlastkraftwerke. Das Fehlen von Menschen würde ein KKW erstmal überhaupt nicht kümmern.
Bevor die Menschheit verschwindet, ist nämlich anzunehmen, daß nicht kollektiv das Licht ausgeschaltet wird, daß signifikante ausgedehnte Verbraucher wie die Straßen- und Städtebeleuchtung in Betrieb bleiben, und daß energieintensive Großbetriebe wie z.B. Chemiewerke erst nach Tagen oder Wochen ins Stocken geraten, nämlich wenn die Nachlieferung von Grundstoffen nicht mehr stattfindet. Und bevor sich die Netzregelung massiv an den KKW vergreift, sind erst einmal Spitzenlast- und Mittellastkraftwerke an der Reihe, d.h. Sonnen-, Wind-, Fallwasser- und „schnelle“ thermische Kraftwerke (Kohle, Gas und Dampf).

Ich jedenfalls würde meine Hoffnung ganz und gar nicht in vermeintliche Automatiksysteme stecken, die entweder nicht existieren, oder überhaupt nicht so arbeiten, wie Laien sich das im allgemeinen vorstellen. Die deutschen Atomkraftwerke sind vom Standpunkt des Elektroenergieingenieurs uralte, elendige Drecksbuden, die schon vor zig Jahren hätten abgeschaltet werden müssen. Tickende Zeitbomben, keinen Scheiß sicherer als in anderen Ländern, schon gar nicht seit der Liberalisierung 1998. Im deutschen Kraftwerksingenieurslang gibt es sogar den Begriff des „auslegungsüberschreitenden Störfalls“ (Tschernobyl, Fukushima…). Anders gesagt, die Bemessung der deutschen KKW erfolgte eben nicht im Hinblick auf jeden erdenklichen Störfall (obschon die Physik/Technologie dahinter superextrem gefährlich ist und nichts geringeres als brachialste Überbemessung gerade gut genug wäre), sondern irgendwelche Ingenieure, damals ohne einschlägige Erfahrung, haben unter erheblichem politischen Druck irgendwelchen Quark zusammengefummelt.
Vermutlich wurde zu einem nicht geringen Teil auf Bemessungsgrundlagen und Tabellenbücher für Kohlkekraftwerke zurückgegriffen, denn das kannte und konnte man damals bereits wie im Schlaf. Ich meine, selbst heutzutage wird das Design von KKW noch signifikant verbessert (Kernfänger, Notkondensator). Eigentlich purer Wahnsinn. Wir betreiben eine Technologiue im frühen Beta-Stadium, die im Katastrophenfall die Umwelt total verseucht und unermessliche Schäden in der Tier- und Pflanzenwelt verursacht.

Ergo: Nachdem die Menschheit verschwindet, geht die Chose eine Weile ungestört weiter, aber dann geraten die KKW irgendwann außer Kontrolle und es wird unausweichlich zu „auslegungsüberschreitenden Störfällen“ kommen. Spätestens wenn das Personal fehlt, um die abgeschalteten Brennelemente in die Abklingbecken zu verfrachten und deren permanente Kühlung zu gewährleisten.

reinerlein

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Zur Erinnerung:

https://www.youtube.com/watch?v=sDiThP-JZCA

Hallo

Ergo: Nachdem die Menschheit verschwindet, geht die Chose eine
Weile ungestört weiter, aber dann geraten die KKW irgendwann
außer Kontrolle und es wird unausweichlich zu
„auslegungsüberschreitenden Störfällen“ kommen. Spätestens
wenn das Personal fehlt, um die abgeschalteten Brennelemente
in die Abklingbecken zu verfrachten und deren permanente
Kühlung zu gewährleisten.

Um deine Worte zu gebrauchen: „wovon träumst du nachts?“ :wink:

Ich glaube zwar auch nicht, dass Netzfluktuationen zu einer Abschaltung führen, aber das es solche automatischen Abschaltungen gibt, ist eine Tatsache, ich habe selbst früher mal solche Systeme vor Ort überprüft. Und daher weiss ich auch, wie einfach man so eine Resa auslösen kann (was übrigens selbst wärend der Revision eine äusserst peinliche Sache ist).

Meiner Meinung nach wird es nach einigen Stunden oder Tagen zu einer Überschreitung von irgendwelchen Grenzwerten kommen und da kein Personal anwesend ist, das diese Abweichungen ausregeln kann, wird eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst und das AKW fährt runter. Für die Nachwärme benötigt man kein Abklingbecken, die Dinger stecken ja quasi schon in einem. Nun ist noch für einige Zeit Kühlung nötig (mehrere Tage), die extern, oder wenn nicht mehr vorhanden durch Notstromaggregate geleistet wird.

Dein Szenario geht also ziemlich an der Realität vorbei. Dass heisst aber nicht, das AKWs toll und ungefährlich sind, nur sehe ich die Risiken eher bei Bedienfehlern, Materialschwächen und auch bewusster Eingriff (ein paar „Kühlrohre“ an strategisch günstiger Stelle ausgeschaltet und das Ding wird überkritisch).

Langfristig sollte man meiner Meinung nach die AKWs ersetzen, denn inklusiver aller Kosten liefern sie nicht mal besonders billigen Strom.

Grüße,
.L

welches Unheil meinst du konkret?

Die Kernschmelze mit allem was dazu gehört.

Nach 24h wäre
die Nachzerfallswärme auf vielleicht unter ~0,5% der
Reaktornennleistung abgesunken. Reichte das noch für eine
Kernschmelze aus wenn dann das Benzin alle wäre?

Natürlich reicht das. Bei 1 GW Nennleistung sind 0,5 % beispielsweise noch 5 MW. Wenn die nicht aktiv aus dem Reaktor abgeführt werden, dann verdampfen sie das Kühlmittel und schmelzen die Brennstäbe. Das kann sogar noch viele Monate nach der Abschaltung passieren. Bei den Abklingbecken ist es sogar noch schlimmer.

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Hallo reinerlein,

Fehlen jeglicher Kraftwerksbedienung und der automatischen
Reaktorabschaltung relativ kurz ist. Hast du Zahlen? 1h, 6h,
12h vielleicht? Oder sogar schon früher, weil das KKW erkennt,
dass seine elektrische Leistung nicht mehr abgenommen wird

Wovon träumen die Menschen nachts?
Soweit ich weiß, existieren solche Abschaltungen überhaupt
nicht. Ich wüßte nicht, wie das regelungstechnisch anzustellen
wäre, irgendeinem Kraftwerk künstlich klarzumachen, daß
einfach so seine Leistung nicht mehr gebraucht wird.
Verschwänden schlagartig alle Menschen, würde sich die Last im
Netz nicht groß ändern. Man sollte sich im Klaren darüber
sein, wie große die Automatisierung heutzutage schon ist,
insbesondere in energieinteniven Betrieben. Nicht wenige
Arbeitskräfte überwachen „nur“, und greifen nur bei Fehlern
ein, idealerweise also nicht.

Eigentlich haben alle Kraftwerke eine Notabschaltung, wenn die Energie nicht mehr abgegeben werden kann.
Bei jedem Kraftwerk besteht die Möglichkeit , dass der Haupttrafo oder die Hochspannungsleitung ausfällt.
Ergebnis ist, dass dabei der Generator hochdreht, weil die zugeführte mechanische Energie nicht abgegeben werden kann. Im Prinzip würde es dann den Generator, und meist auch die Turbine, durch die Fliehkräfte zerlegen.

Dieses Problem hat man bei allen Kraftwerken auch bei Wasserkraftwerken.
Deshalb gibt es eine entsprechende Notabschaltung, welche dann im Bereich von Sekunden bis Minuten auslöst.

Wenn die ganze Menschheit einfach verschwindet dürfte dies vielleicht ein paar Tage auf Automatik weiter laufen.

Die Automatik wird weiterhin Nachts die Strassenbeleuchtung und Boiler einschalten und je nach Jahreszeit die Nachtspeichertheizungen. Im Sommer die Klimaanlagen, welche auch je nach Witterung sehr unterschiedliche Leistung aufnehmen.
Dann sind da noch die Solar- und Windanlagen …

Dies sind auch so, recht grosse Leistungssprünge, welche durch die Kraftwerke ausgeglichen werden müssen. Allerdings sind AKWs sehr träge im Regelverhalten, die brauchen Stunden bis Tage um ihre Leistung anzupassen. Kohle Kraftwerke funktionieren im Prinz genau gleich wie AKWs, die haben nur eine andere Heizung.

Ausgeglichen wir vor allem mit Wasserkraft und Gasturbinen, welche recht schnell geregelt werden können. Im allgemeinen springen diese aber nicht wieder automatisch an.

Du hast dann recht schnell nur noch die grossen trägen Kraftwerke im Netz, welche dann beim nächsten Lastsprung abschalten. Wenn das erste mal weggefallen ist, geht’s nach dem Dominoprinzip weiter …

Hier in der Schweiz hat das die SBB 2005 mal „ausprobiert“. Da war nur eine Übertragungsleitung zwischen Norden und Süden ausgefallen und am Ende hatte die SBB in der ganzen Schweiz keinen Strom mehr.
http://www.srf.ch/player/tv/videoembed?id=7e69ee9c-6…

MfG Peter(TOO)

Hallo Peter

Eigentlich haben alle Kraftwerke eine Notabschaltung, wenn die
Energie nicht mehr abgegeben werden kann.

Die funkt aber nicht abrupt und kann gar nicht alles wegnehmen.
Dazu müsste man den Kessel komplett sprengen:smile:
Die Sicherheitsventile kann man für so einen Totalausfall gar nicht dimensionieren.

Bei jedem Kraftwerk besteht die Möglichkeit , dass der
Haupttrafo oder die Hochspannungsleitung ausfällt.

Oder nur eine der Leitungen (es sind immer mehrere und das hat seinen Grund:smile:
Und was da dann passierte (weil der dienst habende Techniker statt Last auf die Turbine zu leiten im Stress genau das Gegenteil machte konnte ich in der Siebziger selbst begutachten.
Und das war nur ein „winzige“ fünf MW Turbinchen.
Der Rotor hat zwanzig Meter Sprünge gemacht und anderthalb Kilometer weit ist der gelaufen in der Pampa.

MfG Peter(TOO)

Balázs

Hallo Peter.

Eigentlich haben alle Kraftwerke eine Notabschaltung, wenn die
Energie nicht mehr abgegeben werden kann.

Zugegeben, ich habe mich in letzter Zeit nicht mit diesem Detail im Kraftwerksingenieurwesen beschäftigt, doch ich würde nicht darauf wetten, daß diese Notabschaltung automatisch erfolgt. Man stelle sich vor, in der Leittechnik tritt ein Computerfehler auf und der Computer schaltet das Kraftwerk ungefragt vom Netz. :wink:

dass der
Haupttrafo oder die Hochspannungsleitung ausfällt.
Ergebnis ist, dass dabei der Generator hochdreht, weil die
zugeführte mechanische Energie nicht abgegeben werden kann.

Das Durchgehen der Turbine passiert nur im Kurzschluß mit großer Geschwindigkeit; im Leerlauf ist die Drehzahlsteigerung langsamer, so daß eigentlich immer ausreichend Zeit bleibt, um eine „Schnellentregung“ des Synchrongenerators und die Turbinennotabschaltung (~ 1 Sekunde) auszulösen. Davor wird die Primär- und Sekundärregelung aber immer versuchen, den Leistungsausstoß der Synchrongruppe oder den Polradwinkel des Generators zu beeinflussen und die Maschine eventuell sogar in den Phasenschieberbetrieb versetzen. Im Leerlauf muß die Turbine immer noch die Schwungmasse des Läufers bewegen, so daß das mechanische Gegenmoment nicht null wird, die Synchronmaschine nicht in den Motorbetrieb umkippt, und die transiente Zustandsänderung der Synchrongruppe, s.o., relativ langsam verläuft. In der Größenordnung von Minuten statt Sekundenbruchteilen wie bei Kurzschluß. Die sogenannte Durchbrenndrehzahl eines Generators liegt ~ 20% über der Synchrondrehzahl. Abgeschaltet wird des weiteren blockweise; keinesfalls das ganze Kraftwerk in einem Ruck.

In Kernkraftwerken kommen zusätzliche Probleme hinzu, denn die Turbinennotabschaltung muß zusehen, daß sie nicht nur die Dampfzufuhr unterbricht, sondern vor allem den Dampf an sich loswird. Das ist kompliziert und erfordert zusätzliche Kreisläufe, oder der Kndensator wird mit Dampf regelrecht vollgestopft, denn der Reaktor kocht fleißig vor sich hin und man kann nicht einfach mal eben den radioaktiven Dampf in die Umwelt rausblasen.

Und wie gesagt, die richtigen Probleme fangen nach der Reaktorabschaltung erst an, denn die Restwärme erfordert früher oder später die Verbringung der Brennstäbe in Abklingbecken. Um auf meine Ausgangsfrage zurückzukommen: Den großen roten Knopf, der das ganze Kraftwerk hauruck vom Netz nimmt, existiert in dieser einfachen Form mit Sicherheit nicht, und die leistungserzeugenden Komponenten im Krafthaus stehen nicht schlagartig still. Ich bin mir deswegen sicher, daß die KKW früher oder später außer Kontrolle geraten werden, würde die Menschheit verschwinden.

Reiner

Moin auch,

ich bin nicht überzeugt! Wir haben eine Schnellabschaltung, die Kühlung erfolgt ganz normal. Irgendwann bricht das externe Stromnetz zusammen, wie lange das dauert kann ich nicht beurteilen. Aber ohne Menschen, die nachjustieren, dauert das mMn nicht länger als 2-3 Tage, maximal. Dann springen die Notstromaggregate im AKW an. Große Frage: Wie lange reicht der Dieselvorrat? Gehen wir mal von einer Woche aus, dann sind wir insgesamt bei 9-10 Tagen seit der Schnellabschaltung. Die Restwärme liegt dann bei ca. 0,5% der Nennleistung (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Nachzerfallsw%C3%A4rme). Bei einem 600 MW-Reaktor also eine Restwärme von 3 MW. Dadurch verdampft das Wasser im Kühlbecken und die Brennstäbe laufen heiß. Und dann passiert im Prinzip Fukushima: Das Zirkon der Brennstäbe reagiert mit dem Wasserdampf, es entsteht Wasserstoff und dann braucht es nur noch einen Funken…

Ralph