Beziehungs/un/fähigkeit

Hallo Jeanne,

danke für deinen offenen und ausführlichen Beitrag!

Momantan habe ich nicht mit solcher Problematik zu tun, aber sicher wird es einen verborgenen Grund haben, dass mich gerade solche Gedanken ereilten.

Ich habe einige Parallelen entdeckt.

  • Ich habe mich stets in Männer verliebt, die entweder
    vergeben waren oder welche, die meine Gefühle nie erwidern
    werden oder aber selbst ein Problem haben, sich auf eine
    Partnerschaft einzulassen.

Das ging mir nicht selten genauso, mit Frauen.

  • (Entweder) ich habe mich in einer Beziehung nie richtig
    geöffnet. Meist war ich mit meinen Aussagen beim Gegenüber,
    von mir habe ich nur wenig preisgegeben.

Meistens habe ich mich verbrannt, in dem ich zu viel preisgab. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls.

  • (Oder) (1x passiert) ich habe mich geöffnet und mich selbst
    aufgegeben, meine Interessen, meine Freunde,… letztendlich
    mein Ich.

Ohja, einen ganzen Freundeskreis hab ich auch schonmal verloren und es ist mir danach nicht wieder gelungen, ihn zurückzugewinnen.

  • Sobald in einer Beziehung die Möglichkeit bestand, dass mehr
    Gefühle ins Spiel kommen oder dass es enger wurde, trat ich
    die Flucht an.

Naja, eher vor mir wurde geflüchtet :wink:
Ich bin geflüchtet, wenn sich eine Frau mir zu sehr vor die Füße gelegt hat. Und meistens waren das solche, die mir auch überhaupt nicht gefallen haben.

  • Es gelang mir stets, so viele Fehler an dem Partner zu
    finden, dass ich immer einen Grund hatte, emotionale Distanz
    aufzubauen.

Wie hat sich der betreffende Partner damit gefühlt?

  • Ich habe mitunter meinen Partner solange gequält, bis er
    sich trennte, um dann wieder um ihn zu kämpfen und ihn wieder
    zu erobern.

Oh, solche Achterbahnfahrten mag ich ja.
Das hab ich auch schon erlebt. Zum Glück war ich beim Rückerobertwerden Manns genug, als Bedingung einzuführen, dass es bestimmte, konkrete Sachen nicht mehr geben wird. Eine ziemlich lange Zeit funktionierte dies sogar. Besser als jemals zuvor.

  • Ich lehnte stabile Partnerschaften (womöglich noch mit Kind
    oder gar verheiratet) kathegorisch ab.

  • Ich lebte mehr als häufig Partnerschaften mehr in meiner
    Phantasie als real, habe oftmals jahrelang unerwidert einem
    Mann meine Liebe geschenkt.

(Um nur einige meiner Macken zu nennen :wink:)
(Um nur einige Faktoren von „Beziehungsunfähigkeit“ zu nennen)

Was habe ich im Internet gesucht nach „Beziehungsunfähigkeit“,
aber die Suche war absolut vergeblich!

Naja, das Internet ist auch nicht mehr das, was es zu Großmutters Zeiten mal war :wink:

Nach ca. 5 Jahren Beschäftigung mit diesem Thema bin ich dann
auf den Begriff „Bindungsangst“ gestoßen und somit hatte das
Kind endlich einen Namen!
In meinem Fall ist der Hintergrund Verlustangst (aufgrund
einer eher unschönen Kindheit mit sehr vielen
Beziehungsabbrüchen und fehlender Liebe seitens der
Bezugspersonen) - und um das Gefühl eines potentiellen
Verlustes präveniv zu vermeiden, habe ich eine Angst vor
Bindungen, die intensiv werden könnten, aufgebaut.

Bei mir war es, im Teenager- und frühen Erwachsenenalter, umgekehrt - ich versuchte sie aus dem gleichen Grund zu intensivieren, bis das für Partnerinnen zu anstrengend, weil verpflichtend wurde. Ich kann das Gleichgewicht, das Wohlverhältnis zwischen Nähe und Distanz schwer finden.

Menschen, die sich beziehungsunfähig nennen und damit nur eine
gute Ausrede suchen, weil sie sich auf den Gegenüber nicht
einlassen wollen, doch verschwindend gering ist.

Dann habe ich diese wenigen Menschen erfolgreich aufspüren können…
was meinst du, wer besser zahlt? Mossad oder CIA ? :smile:

Wohingegen die meisten Menschen doch unter ihrer
„Beziehungsunfähigkeit“ leiden werden, denn sehnt sich nicht
jeder nach Nähe, Lieben und geliebt werden, nach Sex, der
nicht nur auf Geilheit basiert sondern auch auf Liebe, nach
einem Partner an seiner Seite?

Ja, ich denke schon, dass 99,9% der Menschen das tun.

Nein, beziehungsunfähig sein bzw. Bindungsangst ist nichts
schönes, mit dem man lapidar um sich schmeißt bzw. schmeißen
sollte.
Daher sollte das Umfeld diese Selbstdiagnose akzeptieren und
sensibel damit umgehen.

Man sollte in das Umfeld allerdings keine zu großen Erwartungen setzen.
Erstaunlicherweise haben sich diese vorgenannten Sachen bei mir zu einem Zeitpunkt völlig in Luft aufgelöst, ohne dass ich im Nachhinein dafür einen Trigger, einen Anschub, ein Auflösesignal sehen kann.

In letzter Zeit beschäftigt mich nur Vergangenes und ich versuche, das eine oder andere Phenomen zu ergründen.

Allgemein würde ich behaupten, an was es bei
„Beziehungsunfähigkeit“ mangelt, ist Vertrauen.

Das hier ist wohl des Pudels Kern.

Bei mir ist es das Urvertrauen, das mir fehlt.
Bei den meisten Männern, die ich mit diesem Problem
kennengelernt habe, ist es ein zerstörtes Vertrauen in die
Liebe nach einer langjährigen Beziehung, die mit viel Leid in
die Brüche ging.

Herzlichen Dank!

Gern geschehen!

Nochmals!

To-i

Lieber Häuptling

… nicht
einleuchtend, wieso eine Phase, in der ein Kind doch
offensichtlich bewusst nichts von seiner Umwelt
„transportfertig in´s weitere Leben“ mitzubekommen scheint,
die ersten Lebensmonate also, so nachhaltig und bedeutsam für
sein gesamtes Gefühlsleben, die Interaktion mit andern
Menschen usw. ist.

Ich denke mal, dass, gerade wenn die intellektuelle Abwehr und Differenzierungsmöglichkeit zwschen der eigenen Person und Au0enobjekten noch nicht genüend entwickelt ist, man schutzloser diesen Außenobjekten ausgeliefert ist. Hinzu kömmt, dass das Ich noch ganz weich und beeindruckbar ist (wie Knete *g*) und man da ne Menge Scheiß mit anstellen kann.

Eher plausibel erscheinen mir die Auswirkungen solcher
Erlebnisse, welche sich in der Kindheit und der Pupertät, also
in der Zeit des erinnernden Lebens abgespielt haben.

Die Wichtigket der Pubertät ist zu lange vernachlässigt worden, da hast du schon auch recht. Das mag daran liegen, dass Freud sich hauptsächlich um die ersten 6 Jahre gekümmert hat und die treen Schüler dem Meister nicht dreinreden wollten. :wink:

Das möchte ich gern näher erforschen. Nein halt: Ich möchte es
mundgerecht vorerforscht bekommen, zum selbermachen bin ich zu
faul :wink:

*gg*

Viele Grüße aus der Reservation

Grüße zurück vom Stadtindianer
Branden

gia fatto, mio caro
:wink:

Hi Tokei,

nicht einleuchtend, wieso eine Phase, in der ein Kind doch
offensichtlich bewusst nichts von seiner Umwelt
„transportfertig in´s weitere Leben“ mitzubekommen scheint,
die ersten Lebensmonate also, so nachhaltig und bedeutsam für
sein gesamtes Gefühlsleben, die Interaktion mit andern
Menschen usw. ist.

Wenn ich mal aus dem Nähkästchen plaudern darf: Nach meiner dramatisch verlaufenden Geburt bestand für meine Mutter weiterhin Lebensgefahr, so dass ich in der Not meiner Eltern die ersten zwei Monate meines Lebens in einem Waisenhaus verbrachte. Und das Mitte der 50er Jahre, wo die Babys in Säle mit 30 Betten und mehr in Gitterbettchen verbracht wurden. Alle paar Stunden kam mal eine Nonne vorbei, die einem entweder den Hintern putzte, das Fläschchen gab oder die Kleidung wechselte. Das war alles an Zuwendung - und meine erste Begegnung mit der Welt.

Und nun stell’ Dir eine glückselige Mutter vor, die nach komplikationsloser Geburt mit ihrem Baby auf der Brust im Bett liegt, es ihre Wärme und Nähe spüren lässt, ihm bei Bedarf jederzeit die Brust reicht, es streichelt und tröstet, wenn es mal schreit.

Meinst Du nicht, dass da grundlegende Weichenstellung betrieben wird, was die Interaktion und den Umgang mit dem Leben betrifft?

Ich für meinen Teil leide heute noch unter massiven Verlustängsten - resultierend aus der Zeit im Waisenhaus. Und die werde ich auch nie mehr los, ich versuche halt mit dem Verstand, mit diesen Zuständen, so sie auftreten, umzugehen.

Gruß zum WE

Anja

1 Like

Hallo Anja,

das ist ein tolles Beispiel (abgesehen davon, dass es dich betrifft, was natürlich nicht toll ist). Ich finde, es verdeutlicht die Macht des Unbewussten besser als eine theoretische Abhandlung.
Verdrängte Missbrauchserfahrungen sind auch ein schöner Beleg dafür, wie Kindheitserlebnisse späteres Beziehungsverhalten prägen und der Betroffene gar nicht weiß, warum er sich in Beziehungen so seltsam oder verängstigt fühlt.

Tychi

kurz
Hallo!

In meinen Augen ist jemand beziehungsunfähig, wenn er/sie immer mit einem Auge nach außen schielt, in der Hoffnung, noch einen besseren Partner zu finden.

Das ist zum einen wirklich vom jeweiligen Partner abhängig oder auch von der beziehungsunfähigen Person, die einfach nicht glücklich sein kann mit dem, was sie hat.

Grüße
kernig

Hi Häuptling,

  • Es gelang mir stets, so viele Fehler an dem Partner zu
    finden, dass ich immer einen Grund hatte, emotionale Distanz
    aufzubauen.

Wie hat sich der betreffende Partner damit gefühlt?

Ich habe nie gefragt, es wurde mir ja erst im Nachhinein bewusst.
Aber in irgendeiner Form war es sicherlich ok, da meine Partner i.d.R. eine ähnliche Thematik hatten.
Es war immer ein Nähe-Distanz-Spiel, nur im Gegensatz zu einer „gesunden“ Beziehung viel weniger Nähe und die Distanz nochmal größer.

(Ich schreibe in der Vergangenheit, da ich hoffe, dass sich „diese Spielchen“ durch ihre Bewusstwerdung in der nächsten Partnerschaft nicht mehr so massiv zeigen werden. Ich kann mich klar und transparent äußern und fühle mich nicht mehr als Marionette meiner Angst.)

Menschen, die sich beziehungsunfähig nennen und damit nur eine
gute Ausrede suchen, …

Dann habe ich diese wenigen Menschen erfolgreich aufspüren
können…
was meinst du, wer besser zahlt? Mossad oder CIA ? :smile:

Wahrscheinlich gleich viel :smile: Ich würde mich jedoch an deiner Stelle an die Mossad wenden, die haben nämlich eine Abteilung „Metsada“ für spezielle Operationen, u.a. „psychologische Kriegsführung“ *gg*

Erstaunlicherweise haben sich diese vorgenannten Sachen bei
mir zu einem Zeitpunkt völlig in Luft aufgelöst, ohne dass ich
im Nachhinein dafür einen Trigger, einen Anschub, ein
Auflösesignal sehen kann.

Ooooch bitte bitte verrate mir dein Geheimrezept!
*willauch!*

Auch dir Dank für deine offenen Worte,
sei gegrüßt,
jeanne

Hallo Anja,

danke für die ausführliche Schilderung! Ich habe noch eine Frage dazu.

Wie, von wem hast du von dem Verlauf deiner ersten Lebensmonate erfahren? Und vor Allem: Wann? Ich meine damit, dass deine genannten Ängste darauf zurück zu führen sind?

Wenn ich mal aus dem Nähkästchen plaudern darf: Nach meiner
dramatisch verlaufenden Geburt bestand für meine Mutter
weiterhin Lebensgefahr, so dass ich in der Not meiner Eltern
die ersten zwei Monate meines Lebens in einem Waisenhaus
verbrachte. Und das Mitte der 50er Jahre, wo die Babys in Säle
mit 30 Betten und mehr in Gitterbettchen verbracht wurden.
Alle paar Stunden kam mal eine Nonne vorbei, die einem
entweder den Hintern putzte, das Fläschchen gab oder die
Kleidung wechselte. Das war alles an Zuwendung - und meine
erste Begegnung mit der Welt.

Das war in den Frauenkliniken der „DDR“ nicht anders, beschränkte sich allerdings aber auf die ersten Tage nach der Geburt.

Meinst Du nicht, dass da grundlegende Weichenstellung
betrieben wird, was die Interaktion und den Umgang mit dem
Leben betrifft?

Das stellte ich nicht in Frage. Ich wollte nur wissen, wie das funktioniert und ob die Gewichtung hinsichtlich der Bedeutung für das spätere Leben nicht auf das bewusst erlebende/erinnernde Kindalter geschoben werden sollte?

Viele Grüße

To-i

Hi Tokei-ihto,

danke für die ausführliche Schilderung! Ich habe noch eine
Frage dazu.

Sorry, habe sie eben erst gelesen.

Wie, von wem hast du von dem Verlauf deiner ersten
Lebensmonate erfahren? Und vor Allem: Wann? Ich meine damit,
dass deine genannten Ängste darauf zurück zu führen sind?

Nachdem ich mit über 40 Jahren in der Therapie nicht weiterkam und mein Therapeut meinte, ich solle mal meine Mutter fragen, ob ich evtl. ein Zwillingskind und der andere Zwilling während der Schwangerschaft abgegangen sei. Das kommt vor und in der Psychologie ist bekannt, das daraus oft heftige Trennungsängste herrühren.

Meinst Du nicht, dass da grundlegende Weichenstellung
betrieben wird, was die Interaktion und den Umgang mit dem
Leben betrifft?

Das stellte ich nicht in Frage. Ich wollte nur wissen, wie das
funktioniert und ob die Gewichtung hinsichtlich der Bedeutung
für das spätere Leben nicht auf das bewusst
erlebende/erinnernde Kindalter geschoben werden sollte?

Also „bewusst“ war mir das nie … bis ich eben in der Therapie an den Punkt kam, wo der Psy die Frage an mich stellte.

Aber ich verstehe diese Frage nicht ganz… vielleicht hilfst Du mir?

Gruß,

Anja