Deutsche Sprache,schwere Sprache

Deutsch hat lateinische Grammatik!
Hallo Ihr Zwei,

ich habe es durchaus so gemeint wie es da steht:

Weil wir keine deutsche, sondern eine lateinische Grammatik
benutzen.

Über Jahrhunderte, seit der karolinischen Renaissance, wurde dem alt- und mittehlhochdeutschen die lateinische Grammatik „aufgedrückt“. Beispiele dafür sind
a) die Funktionen der Tempus für Vor- und Nachzeitigkeit, wobei Präsens-Perfekt und Imperfekt-Plusquamperfekt zusammengehören,
b) die Schlussstellung des Prädikats im Nebensatz
c) die Übernahme der lateinische Zeiten überhaupt (vorher gab es nur Gegenwart und Vergangenheit)

Mehr dazu:
www.uni-goettingen.de/de/79799.html

Viele Grüße,
Andreas

Hi,

Aber Begriffe sollten doch nicht danach gehen, was für
Grundschüler gut klingt oder verständlich ist. Ich bezweifle
überdies, dass ein Grundschüler, so es ihm nicht explizit
erklärt wird, ohne Weiteres das „Tun“ im Tunwort erkennt.

Ich wollte auch gar nicht behaupten, dass sie einem Grundschüler gefallen müssen. Aber die deutschen fachbegriffe werden eben leichter wiedererkannt, weil sie deutsch sind. Die lateinischen sind uns ja komplett fremd - auf jeden Fall kann der Grundschüler, der gerade Grammatik lernt, mit Tun und Wort und auch Tätigkeit mehr anfangen (=wiedererkennen) als mit Substantiv, Verb, …
ich selbst habe von Anfang an die lateinischen Begriffe gelernt, bereits in der Grundschule, und habe nie Probleme damit gehabt. Bis heute finde ich die deutschen Begriffe albern. Aber das ist mein persönlicher Geschmack und hat nichts mit deren Richtigkeit zu tun.
Ich hatte in der Schule übrigens nie Latein (und habe die lat. Grammatikbegriffe trotzdem problemlos gelernt, insofern ist das kein Argument für ihre Abschaffung).
Das Erlernen von Fremdsprachen ist eher eins - im russischen ist der 4. Fall eben nicht der Wen-Fall. Such mal in einem russsischen Satz das Wort wen :wink: - aber es ist der Akkusativ, weil er diese Funktion ausführt. Der russische Fachbegriff heißt ja auch übersetzt „der Anklagefall“. Dort den russischen Begriff zu verwenden, macht wenig Sinn, weil Grammatik in der Schule auf Deutsch erklärt wird (und auf Russisch geübt). und was tut man dann im Russischen mit dem 5. und 6. Fall, die gibt es ja im Deutschen nicht? Aus dem Lateinischen kommt die Bezeichnung Instrumental für den 5. Fall. Ob die Bezeichnung Präpositiv für den 6. Fall auch aus dem Lateinischen kommt oder eine Analogbildung ist, weiß ich nicht. Soll ich den 6. Fall dann Beiwortfall nennen? Und den 5. Fall Fall-zum-Ausdruck-des-Mittels-mit-dem-dieHandlung-ausgeführt-wird? Mittelfall wäre mehrdeutig, Instrumentfall ebenfalls (und lustig).

Das prototypische Verb bezeichnet
doch eine Tätigkeit. Warum die Verben gerade „Verben“ heißen,
weiß ich bis heute nicht. Bedeutet verbum
nicht einfach nur „Wort“?

Weil das Verb für die ollen Römer DAS Wort waren, sie tragen die Satzaussage und waren / sind im Latienischen das wichtigste Satzteil -von ihm hängt ja auch strukturell alles ab, und es trägt die Satzaussage. Auch im Deutschen ist das nicht wirklich anders.

Die Franzi

Oberflächenstrukturbenennungen
Hallo Immo!

da man zwar z.B. im Spanischen oder Russischen
(um sowohl West- als auch Osteuropa abzudecken) sehr wohl vom
Akkusativ sprechen kann, die Spanier jedoch eher den Begriff
„complemento directo“ kennen und die Russen
винительный
падеж übersetzen.

Bei Russisch kann ich nicht mitreden, aber bei Spanisch und stimme dir da weitestgehend zu:

Der Begriff complemento directo ist ja strenggenommen im Spanischen auch oft widersprüchlich und scheint mir einfach aus dem Französischen abgekupfert. Direkte Ergänzung bedeutet dort ja Ergänzung ohne den Umweg über Präposition
http://fr.wikipedia.org/wiki/Compl%C3%A9ment_d%27obj…

Wenn ich da aber z.B. an das schöne Liedchen De colores http://www.colapublib.org/chavez/decolores.htm denke, das ich einst als Anfänger im Spanischen lernte, müsste man im doppelt gemoppelten me gustan a mi einmal me als direkte, a mi aber als indirekte Ergänzung betrachten, da hier eine Präposition dazwischen steht.

Die grammatische Funktion von beidem ist aber dieselbe, eigentlich ist das nur eine Wiederholung (und damit Betonung) ein und desselben Aktanten, wozu eine Tiefenstrukturanalyse dieser Textstelle auch sofort führen würde.

Viele Verben können im Spanischen auch das, was wir im Deutschen mit einem Akkusativobjekt wiedergeben würden, sowohl mit als auch ohne Präposition a konstruieren:

Man vergleiche hier z.B. im Folgenden
http://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20080…
die Frage
Que es lo que mata mas personas en el mundo?
mit der vom Fragesteller als beste ausgewählten Antwort
El hombre mata al hombre y es su peor enemigo.

Einmal mit, einmal ohne Präposition, d.h. einmal indirektes, das andere Mal ein direktes Objekt.

Die Benennung der Formen an der Oberflächenstruktur einer Sprache sind also letztlich ziemlich willkürlich.

Gruß Gernot

Stimmt, bei „Wenfall“ hat man quasi eine sprachinterne Testfrage im Namen. Leider hilft der Name nur Deutschmuttersprachlern. Aber ich glaube, man kann nach dem Akkusativ nicht immer mit „Wen oder was?“ fragen…

„Ich bin diesen Abend beschäftigt.“

Hier kann ich weder fragen: *Wen bin ich beschäftigt? noch *Was bin ich beschäftigt?
Es ist eindeutig Akkusativ, allerdings ist es kein direktes Objekt… von daher besteht bei „Wenfall“ auch wieder eine Ungenauigkeit.

Ist schon nicht leicht. :smile:

  • André

Moin,

Als ich dann aufs Gymnasium kam, sagte man zu den Hauptwörtern
(sic!) Nomen. Ich denke, dass unsere Schule
damit nicht allein dasteht.

Ja, ist leider häufig der Fall. Manchmal frage ich mich, ob’s die Lehrer eigentlich selbst nicht wissen…

Aber dann sollte man doch lieber beim
Hauptwort bleiben, da weiß man wenigstens,
wovon man spricht.

dito

(Namenwort hab ich,
ehrlich gesagt, noch nie gehört. Ist das jetzt in Mode?)

Scheint so, zumindest hab ich’s an 'ner Gesamtschule so gehört und gelesen. Vielleicht geht man davon aus, daß die Kids heute mit lateinischen Begriffen gar nichts und mit den z.T. etwas abstrakten - oder ungenauen oder was auch immer - gewohnten deutschen Begriffen noch weniger anfangen können. In der Gesamtschule lernen sie zumindest z.T. ‚Namenwort‘, ‚Tunwort‘, ‚Wiewort‘

Kann auch nicht verstehen, warum man nicht Hauptwort, Tätigkeitswort und Eigenschaftswort sagt, wenn man schon nicht die lateinischen Begriffe verwendet…

LG (und seufz!)

Hi Franzi,

im Großen und Ganzen stimme ich Dir zu. Viele der (heute gebräuchlichen) deutschen Begriffe finde auch ich albern. (Namenwort? Wiewort? Tuwort? Dann doch lieber Hauptwort, Eigenschaftswort, Zeitwort.) Nur zu einem Absatz habe ich dann doch noch Anmerkungen:

Das Erlernen von Fremdsprachen ist eher eins - im russischen
ist der 4. Fall eben nicht der Wen-Fall. Such mal in einem
russsischen Satz das Wort wen :wink: - aber es ist der Akkusativ,
weil er diese Funktion ausführt.

Solange ich noch nicht angefangen habe, russisch zu denken, werde ich im Geiste immer überlegen, welchen Fall ich brauche, indem ich die Analogie zum Deutschen heranziehe. Das ist in den meisten Fällen richtig (da der винительный падеж eben ein Akkusativ im morphosyntaktischen Sinne ist). Und dann frage ich eben doch: „Wen oder was sehe ich?“, und kann dann den richtigen Fall meines russischen Wortes einsetzen. Ich kenne tatsächlich Lehrbücher, die zunächst nur mit den deutschen Begriffen (Werfall, Wesfall, Wemfall, Wenfall, Womitfall und Wofall) arbeiten, bis sie dann für Fortgeschrittene gänzlich auf deutsche Wörter verzichten und die entsprechenden russischen Fachbegriffe einführen.

Liebe Grüße,
Immo

Hallo André,

Leider hilft der Name [Wenfall] nur Deutschmuttersprachlern.

Das stimmt nicht: Deutschlernern hilft er dabei, sich das entsprechende Fragewort zu merken. Das wiederum liefert auch typische Endungen für Pronomina und Adjektive.

Liebe Grüße,
Immo